Sri Lanka: Militäroffensive ist gescheitert
Die Regierungstruppen können nicht den angestrebten schnellen militärischen Sieg über die Tamil Tigers erringen. Die Zivilbevölkerung muss weiterhin leiden.
TRINCOMALEE taz Zweieinhalb Kilometer vor Kilinochchi steht die srilankische Armee nach eigenen Angaben bereits seit zwei Monaten. Bisher ist es ihr aber nicht gelungen, die "Hauptstadt" der Tamilischen "Befreiungstiger" (LTTE) zu erobern. Der starke Monsunregen und die unerwartet heftige Gegenwehr der Rebellen haben den Vormarsch aufgehalten. Die angestrebte schnelle militärische Lösung des seit 25 Jahren tobenden ethnischen Konflikts hält nicht einmal mehr Armeechef Sarath Fonseka für möglich. Selbst wenn Kilinochchi falle, werde die LTTE imstande sein, jahrelang als Guerilla weiterzukämpfen.
Die "Befreiungstiger" zeigen auch mit Attentaten im Süden und Osten, dass sie weiterhin fast überall zuschlagen können. Und ihre "Luftwaffe", zwei adaptierte tschechische Kleinflugzeuge, konnte Ende Oktober das Umspannwerk von Colombo bombardieren und damit die Hauptstadt in Dunkelheit zu hüllen.
Immer unerträglicher wird die Lage für die rund 200.000 Zivilisten, die noch im LTTE-Gebiet leben. Sie sind ständig auf der Flucht vor Luftangriffen und Artilleriefeuer und ihre Versorgungslage wird immer kritischer. Derzeit lässt die Armee weder Lebensmittel noch Medizin durch. Die LTTE will die Menschen nicht ziehen lassen, denn die Zivilisten bieten einen gewissen Schutz gegen Flächenbombardements. Anderseits wollen sich die gefährdeten Menschen auch nicht der Regierung ausliefern, da sie mit einer Behandlung als Feinde rechnen müssen. Denn tausende vor den Kämpfen im nordwestlichen Bezirk Mannar geflohene Zivilisten wurden nicht als Vertriebene untergebracht, sondern unter strenger militärischer Aufsicht interniert.
Mit dem Waffenstillstandsabkommen vom Februar 2002 war der Status quo der kontrollierten Gebiete eingefroren. Die LTTE hielt den strategischen Elefantenpass zur Halbinsel Jaffna im Norden und den dünn besiedelten Vanni mit Kilinochchi als Verwaltungssitz. Außerdem einige Gebiete in der Ostprovinz, größtenteils abseits der Küste. Den Osten hat die Armee mit Hilfe der LTTE-Dissidenten unter "Oberst Karuna" schon 2006 erobert. Karunas Partei TMVP wurde mit politischer Repräsentanz belohnt. Im Norden begann der Feldzug nach der Aufkündigung des Waffenstillstands durch die Regierung Mitte Januar. Die überlegene Feuerkraft, unerschöpflicher Waffennachschub vor allem aus China und Pakistan sowie die Überwachung der maritimen Versorgungsrouten der LTTE durch Indien sollten der Regierung die militärische Lösung eines Konflikts ermöglichen, den sie politisch nicht beizulegen konnte.
Die einheimischen Medien berichten über den Krieg vor allem in Gestalt von Erfolgsberichten aus dem Verteidigungsministerium. Journalisten werden nicht in die Nähe der Front gelassen. Die der LTTE nahe stehenden Internetseiten sind in Sri Lanka blockiert. Die elektronischen Medien können mit einem jüngst verabschiedeten Gesetz geknebelt werden, wenn sie Unerwünschtes berichten. Im Lande selbst ist daher wenig über die humanitäre Katastrophe im Vanni bekannt. Solidaritätsbekundungen mit der leidenden tamilischen Bevölkerung bleiben so aus.
Im Gegensatz dazu setzen die 60 Millionen Tamilen im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu ihre Zentralregierung unter Druck. Außenminister Pranab Mukherjee zitierte Präsident Mahinda Rajapakses Bruder und Berater Basil Rajapakse nach New Delhi und diktierte ihm Indiens Bedingungen für eine Fortsetzung der politisch-militärischen Unterstützung: Keine Flächenbombardements mehr, bei denen Zivilisten zu Schaden kommen können, keine weiteren Attacken auf indische Fischer, in srilankischen Gewässern, Anbahnen einer politischen Lösung des Konflikts und humanitäre Hilfe für die eingeschlossene Zivilbevölkerung. Für letztere versprach Indien 800 Tonnen Lebensmittel, die über die UN und das Rote Kreuz kanalisiert werden sollen.
Während Außenminister Rohitha Bogollagama noch in Interviews schwadronierte, in Sri Lanka gebe es keinen ethnischen Konflikt, nur ein Terrorismusproblem, schlug der Präsident plötzlich sanftere Töne an und sprach von einer "politischen Lösung für ein politisches Problem" in einem "ungeteilten Staat". Die kompromisslose Vokabel "Einheitsstaat" gehört nicht mehr zum offiziellen Wortschatz. Konkrete Vorstellungen, wie eine politische Lösung aussehen könnte, hat der Präsident aber noch nicht entwickelt. Die tamilische Minderheit wird nach wie vor diskriminiert und an den zahlreichen Checkpoints der Sicherheitskräfte schikaniert.
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