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Spuren der Erinnerung

■ „Body Missing“ zeigt Video über Hitlers „Sonderauftrag Linz“.

Als Kind hat sie die Wucht des Dritten Reiches sehr gründlich erfahren. Als Erwachsene hat sie aber jahrzehntelang nicht künstlerisch mit NS-Material gearbeitet. „Früher hielt ich das für unmöglich“, sagt Vera Frenkel, denn alles, was sie an solchen Arbeiten gesehen hatte, trivialisierte nach ihrer Auffassung die Vergangenheit. Erst 1994 hat die in Bratislava geborene und mit ihren jüdischen Eltern nach Kanada ausgewanderte Vera Frenkel doch zeitgenössisches Material verwendet und versucht, der Trivialisierung ein Kunstwerk entgegenzusetzen. Es heißt „Body Missing“ und ist ab Freitag in der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK) zu sehen.

Als Mischung aus einer Video-Installation und einer Webpage im Internet geht „Body Missing“ den durch den nationalsozialistischen Kunstraub verlorenen Objekten und verschwiegenen Geschichten nach. Der historische Hintergrund für das Kunstwerk ist das sogenannte „Führer-Museum“ in Linz, in dem Hitler & Co. geraubte und gekaufte Kunst aus ganz Europa sammelten. Nach Kriegsende wurden über 6.000 gestohlene Kunstwerke in einem Salzbergwerk bei Linz entdeckt.

Vera Frenkel reiste 1994 erstmals in die österreichische Stadt und erfuhr von den Plänen für das „Führer-Museum“. Außerdem fand sie im Keller der Wiener Kunstakademie Zeichnungen aus der Hand Hitlers und entdeckte Korridore voller Kunstkisten. Ob sie voll oder leer waren, sah sie nicht, doch sie wollte Hitlers Besessenheit verstehen lernen, das größte Museum der Welt zu bauen.

Im Hauptteil von „Body Missing“ - einer Sechs-Kanal-Videoinstallation - zeigt Vera Frenkel fragmentarisch historisches Material und montiert es mit aktuellen Recherchebildern aus Linz. „Meine Werke überschreiten immer die Grenzen zwischen künstlerischen Disziplinen, zwischen Dokumentation und Fiktion“, sagt Frenkel. Ihre fragmentarische Arbeit soll keine Antworten geben. Im Gegenteil: Sie interessiert sich für die Umstände, die Fragen im Kopf des Betrachters hinterlassen.

Katrin Patzak

„Body Missing“ vom 1.11.1996 bis zum 31.1.1997 in der GAK. Eröffnung Freitag um 20 Uhr.

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