Spritzenplatz-Bebauung: Großstadt statt Vorstadt
Beim Wettbewerb für den Ottenser Spritzenplatz gewinnt der Vorschlag mit dem größten Bauvolumen, der zugleich am stärksten an die historische Bebauung anknüpft.
Dem Architektur-Wettbewerb ging ein politischer Streit voraus, der sich an dem ursprünglichen Vorschlag der Grundstückseigentümer entzündete, den amerikanischen Architekten Daniel Libeskind zu engagieren. Der Architekt des Jüdischen Museums in Berlin und des umstrittenen Audimax in Lüneburg schlug einen Neubau vor, dessen extravagante Gestaltung ebenso für Kontroversen sorgte wie seine Höhe.
Die Bürgerinitiative „Spritzenplatz bleibt – unser Platz an der Sonne“ sammelte 7.000 Unterschriften für eine kleinteilige niedrige Bebauung, der sich die Bezirksversammlung anschloss. Die zum Teil aus der Nachkriegszeit stammende Bebauung entsprach aber nicht den Vorstellungen der Stadtentwicklungsbehörde. Also veranstaltete der Bezirk eine Planungswerkstatt, bei der die Interessen des Investors und der Kritiker unter einen Hut gebracht werden sollten.
Siegel der Verschwiegenheit
Im Zuge dieser Beteiligung konnten Interessierte auch am Abend vor der Jury-Sitzung die drei zur Auswahl stehenden Entwürfe unter dem Siegel der Verschwiegenheit bewerten. Die Bewertungen standen der elfköpfigen Jury zur Verfügung. Zur Auswahl standen drei Entwürfe, die von der Anmutung her zugespitzt als großstädtisch, kleinstädtisch und vorstädtisch bezeichnet werden könnten.
Der vorstädtische stammt von Hohaus, Hinz, Seifert und Design for Human Nature. Die Architekten stellten den Wunsch der Initiative in den Mittelpunkt, den Spritzenplatz möglichst gut zu besonnen. Dazu schlugen sie auf 30 Grad geneigte Pultdächer vor, sodass der östliche Teil des Platzes zu Herbstanfang noch Sonne bekommen hätte. „Die Pultdächer sind sehr schön in einem Neubaugebiet, aber bitte nicht in Ottensen“, kritisierte ein Zuhörer.
Den kleinstädtisch anmutenden Entwurf lieferte das Büro PMP. Geschäftsführer Lennart Hellberg sprach von „Stadtreparatur“, die es zu betreiben gelte. PMP entwarf historisierende Fassaden und orientierte sich in der Höhenentwicklung und Parzellierung stark an der vorhandenen Bebauung. Nur ein Teil der Gebäude sollte die von der Planungswerkstatt erlaubten drei Geschosse plus Staffelgeschoss ausnutzen. Ein niedriges altes Haus bliebe erhalten.
Entwurf erinnert an Gründerzeithaus
Im Siegerentwurf orientierten sich Mudlaff und Otte an dem vierstöckigen Gründerzeithaus, das vor dem Krieg an der Ecke stand – einem Gebäudetyp, der viele Straßen des Viertels prägt. Sie übernahmen Elemente wie eine ausgeprägte Erdgeschosszone mit Schaufenstern und eine stark gegliederte Fassade, die sie mit Rücksprüngen auflockerten, die zugleich für eine bessere Besonnung sorgen.
Mudlaff und Ottes Plan nutzt durchgehend die maximale Höhe aus und erhält anders als die anderen Konzepte keinen Rest der alten Bebauung. „Sehr schön, aber zu wuchtig“, kommentierte ein Zuhörer. Die Bürgerinitiative „Spritzenplatz bleibt“ äußerte sich noch kritischer: Der Entwurf sei derjenige, der am wenigsten „ortsbildprägend“ sei und am stärksten den Charakter des Platzes verändere. Würde er realisiert, käme man „einzig den Profitinteressen des Investors“ entgegen.
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