Spreepark wird Kulturpark: Wipfelpfad statt Achterbahn
Im Spreepark im Plänterwald wird für den späteren Kulturpark gebaggert. Wie der ausschauen soll, ist in der Koalition umstritten.
Die Bauarbeiten überschatten einen rot-rot-grünen Streit über die Zukunft des Spreeparks. Nur noch die Grünen stehen zu dem 2016 bis 2018 unter Bürgerbeteiligung entwickelten Konzept eines familienorientierten Kunst- und Kulturparks. Die beiden roten Parteien ziehen in entgegengesetzte Richtungen.
Rückblende: 2016 starteten Bürgerdialoge über die Zukunft des vom Land Berlin zurückgekauften Grundstücks. Die Vorgaben der Politik hatte Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) damals so formuliert: „Hier soll nicht wieder ein Rummel für eine Million Besucher entstehen, sondern eine innerstädtische grüne Oase für Familien und Künstler. Die Besucher sollen auch nicht zu Tausenden mit dem Auto anreisen.“ Andreas Geisel, ebenfalls SPD und damals Senator für Stadtentwicklung, erteilte einer Neuauflage eines Rummels ebenfalls eine klare Absage. „Um rentabel zu sein, ist die Fläche doch zu klein“, sagte er 2016 der taz.
Hunderte BerlinerInnen kamen zu den Dialogforen. 2017 präsentierte die Grün Berlin GmbH die Vision eines Kunst- und Kulturparks. In den Ruinen der Fahrgeschäfte sollen neue Erlebnisformen entstehen, die auch die Natur in einem der letzten innerstädtischen Wälder einbezieht: Aus den Resten der Achterbahn soll ein Baumwipfelpfad werden. Irrgarten und Geisterbahn werden zu Riesenrutschen. Dazu kommen ein 3-D-Kino und andere Kleinkunstformen. Als einziges Fahrgeschäft soll sich das 45 Meter hohe Riesenrad wieder drehen, umgeben von einer Wasserfläche, in der es sich spiegelt.
Ein Konzept von gestern: Einzäunen
Dass seit 2017 erneut alles ruhte, liegt daran, dass im Bezirk Treptow-Köpenick der Bebauungsplan erarbeitet wird. Dabei muss mit Gutachten beispielsweise geklärt werden, auf welchen Wegen mit welchen Verkehrsmitteln die Besucher in den Park mitten im Wald gelangen sollen. Der Plan soll 2021 vorliegen.
Doch SPD und Linke stehen inzwischen nicht mehr zu dem Vorhaben. Für die Linke Katalin Gennburg ist die Idee, öffentlichen Grund und Boden einzuzäunen und durch die Grün Berlin GmbH zu verwerten, „ein Konzept von vorgestern“. Ihre Prämissen: kein Zaun um den Spreepark. Kein Eintrittsgeld. „Es soll ein kreativer Ort für urbane Produktionen der Clubszene und von Künstlerinnen und Künstlern werden, ähnlich wie das Tempelhofer Feld.“ KünstlerInnen sollten hier Räume und Budgets erhalten.
Wegen der Kritik der Linken am Konzept verhängte der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses Gennburg zufolge 2019 eine Haushaltssperre für den Spreepark, die erst diesen Sommer coronabedingt beendet wurde. Sonst könnten die Bagger nicht arbeiten. Mit dem Planungsrecht wäre der Linken-Vorschlag vereinbar.
Temporärer Rummel
Genau das Gegenteil will die SPD, nämlich einen Park für Fahrgeschäfte. Zumindest temporär. Auch das wäre planungsrechtlich möglich. Aber es ist genau das, was Igel und Geisel 2016 abgelehnt hatten. Der SPD-Abgeordnete Robert Schaddach erklärt das der taz mit der misslichen Lage der Schaustellerbranche in der Coronakrise. Die hätten seit dem Ende der Weihnachtsmärkte keine Chance mehr, Geld zu verdienen. Warum nicht einen temporären Rummel am alten Ort im Spreepark? „Die Idee wurde Anfang August geboren“, sagt Schaddach, der auch dem bezirklichen Tourismusverein vorsteht. In dem Verein sind Schausteller Mitglied, als deren Anwalt sich Schaddach sieht. „Sie demonstrierten vor dem Rathaus Köpenick für Auftrittsmöglichkeiten.“ Da hätte, so Schaddach, Bezirksbürgermeister Igel vorgeschlagen, den verwaisten Spreepark dafür temporär zu nutzen. Ebenjener Igel, der 2016 keinen Rummel, sondern eine grüne Oase aus dem Spreepark machen wollte.
Schaddach hatte an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geschrieben. Er startete eine Onlinepetition. Dass wenige Tage später die Bagger kamen, sieht Schaddach als Reaktion auf seine Onlinepetition. „Die Grün Berlin GmbH hat wahrscheinlich Angst, dass der Rummel erfolgreich ist. Dann wird sichtbar, dass ihr elitärer Kunstpark nicht gewollt ist“, sagt er der taz. Denn Baggerarbeiten und Kinderkarussells gleichzeitig ist natürlich nicht möglich.
„Was interessiert die SPD ihr Geschwätz von gestern?“, ist der Kommentar des grünen Wahlkreisabgeordneten Harald Moritz. „Die Bürger im Ortsteil Plänterwald wollen keinen Rummel, sondern einen kleinen familienfreundlichen Park, der die Natur bewahrt.“ Auch ein Zaun um den Park, den die Linke nicht haben will, müsse seiner Meinung sein, denn es gab viel Vandalismus an den alten Fahrgeschäften und es gibt Unfallquellen wie Sumpfflächen und vermoderte Bäume.
Andere Standorte für Schausteller
„Über Eintrittsgeld kann man diskutieren“, sagt Moritz, ein pragmatischer Politiker. „Aber wir können doch nicht nach dem Bürgerdialog eine Kehrtwende machen.“ Ihm gefällt zudem das Konzept, die Geschichte des Ortes neu zu interpretieren. Wegen der schwierigen Erschließung und der Verkehrssicherheit hält er nichts von einem temporären Rummel. Das sieht auch Treptow-Köpenicks Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) so. Er rät den Schaustellern, andere Standorte zu prüfen.
Die Grün Berlin GmbH weist gegenüber der taz jeden Zusammenhang zwischen der Onlinepetition und dem Beginn der Erschließungsarbeiten zurück. Die Arbeiten seien seit Jahren geplant und ausgeschrieben gewesen und sollten eigentlich bereits im April starten, so eine Sprecherin.
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