Sprachpolitik im Kaukasus: Russisch erobert Bergkarabach
Neben Armenisch könnte es bald eine zweite Amtssprache geben. Sollte das Gesetz kommen, befürchten Kritiker*innen eine Russifizierung der Region.
Der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach endete am 9. November 2020 nach 44 Tagen. Über 6.100 Menschen wurden getötet, Zehntausende vertrieben. Laut der Waffenstillstandsvereinbarung kontrolliert Armenien nur noch einen Großteil von Bergkarabach und den „Latschinkorridor“, der Armenien mit Bergkarabach verbindet. Der Status von Bergkarabach wird nicht definiert.
2.000 russische Soldaten sichern die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens und sind in Bergkarabach sowie im Latschinkorridor stationiert.
Die Abgeordneten in Bergkarabach berufen sich auf die „historische Erinnerung“ sowie „kulturelle, militärische und wirtschaftliche Beziehungen zu Russland“. Zudem sei Russisch in Bergkarabach für viele Einwohner*innen bereits die zweite Sprache.
Helden und Retter
Tatsächlich sind die Armenier*innen in Bergkarabach stärker nach Russland orientiert als die im Mutterland Armenien. Das wurde vor allem nach dem jüngsten Krieg deutlich. Die Russen feiern sich in Bergkarabach als Helden und Retter, denn das Mutterland Armenien habe es nicht vermocht, Bergkarabach zu unterstützen.
Nach der Sowjetisierung des Südkaukasus schlugen die Kommunisten 1921 Bergkarabach als armenisches Autonomiegebiet der Sowjetrepublik Aserbaidschan zu. Verkehrssprache wurde Russisch. Nach der Unabhängigkeit 1991 nahm die Bedeutung des Russischen als Kommunikationsmittel zwischen den beiden Völkern ab.
Nun jedoch bekommt die russische Sprache, sollte das Gesetz verabschiedet werden, einen offiziellen Status. Damit könnte eine intensive Russifizierung von Bergkarabach beginnen. Das Gesetz sieht vor, die Veröffentlichung von Schulbüchern, Presse, Literatur, behördlichen Dokumenten sowohl in armenischer als auch russischer Sprache zu fördern. Auch Rundfunk- und Fernsehsender sollen demnächst Programminhalte auf Russisch anbieten.
„Die Aufwertung des Russischen ist weder gerechtfertigt noch notwendig“, schreibt Mane Tandilyan, Ministerin für Arbeit, Soziales und Migration in Bergkarabach, auf Facebook. Man sollte Fremdsprachen lernen, aber gleichzeitig die eigene Identität und Würde nicht mit Füßen treten. „Die Grundlage der Amtssprache ist die Nationalität der in diesem Land lebenden Menschen, und das sind Armenier*innen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos