■ Sprachbrüche: Home sweet home
Styling und Wet-Gel sind den meisten Skinheads einfach too much. Wenn sie sich ungestört auf ihre nationalistische Überlegenheit besinnen, tun sie es auf einer Bottle-Party, bei einer Currywurst und einer Heavy-Metal-Kassette im Tapedeck. Am Rande der Gesellschaft stehend, werden sie zu Outsidern. Dabei fehlt es den irregeleiteten Kids an gar nichts. Zu Hause haben sie einen Videorecorder, ein TV, einen Computer und die King-Size-Schrankwand. Die ganze Wohnung ist eine Sinfonie von fantastic colours und einfach magic. Die Mütter tragen Leggings, nehmen an Mißwahlen teil und sparen für den Facelift. Nach dem Shopping werden Longdrinks getrunken, sind sie knapp bei Kasse, vielleicht nur ein Glas von dem Queen of Table Waters. Wenn Mutti beim Bingo gewonnen hat, gibt es Tequila Sunrise. Will Vati nach seinem anstrengenden Job relaxen, zieht er seinen Jogginganzug an und geht ins Fitneßcenter. Dort wird zwar kein Brainstorming gemacht, aber dafür jede Menge Bodybuildung.
Nach dem Abendessen, drei Cheeseburgers von der Snackbar, schauen sie gemeinsam die „Hallo Heino“-Show an und stellen dabei fest, daß Deutschland top ist. Ausländer mögen sie nicht. Letztes Jahr hatten sie im Ausland Urlaub gemacht. Igittigitt. Zuerst im Stop- and-go-Verkehr zum Airport, dann der beschissene Service im Flugzeug, zum Essen gab's lediglich einen Hot dog, und anschließend der ganze Trouble mit dem Zoll. Muttis Ladyshave wurde als gefährliche Waffe konfisziert. Die Hooligans und Rowdies, die dort Randale gemacht haben, konnten kein Deutsch. Das Holiday-Inn war nicht einmal fertiggestellt, es gab weder Bars noch Shops, und der Beach war eine Halde von Suntan-Lotion-Flaschen. Abends nach dem Open-air-Dinner, Steak mit verschiedenen Dips, wurden Folklore-Veranstaltungen besucht. Später sang man dann feucht-fröhlich selbst: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ und „Warum ist es am Rhein so schön“.
Auf dem Rückflug gab es eine Verzögerung von 48 Stunden. Die Stewardessen verstanden nicht, daß time money ist. Zurück in Hoyerswerda, verlangten sie ihr Geld von „Horror-Tours“ zurück. Unter dem gestickten Leitspruch „My home is my castle“ sitzend, bei Fischstäbchen und Bier, fanden sie, daß es in Deutschland am schönsten ist.Neil Spence
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