Sportler:innen für den Bundestag: Nur Schmuckwerk
Mit Claudia Pechstein (CDU) und Frank Ullrich (SPD) wollen zwei Olympiasieger in den Bundestag. Wofür sie genau stehen? Man weiß es nicht.
D ie politischen Wege in den Deutschen Bundestag sind oft beschwerlich. Einige haben sich ihr Mandat aber einfach erturnt, erradelt oder erpfiffen. Die mühselige lokale Parteiarbeit blieb dem Turnweltmeister Eberhard Gienger, Radolympiasieger Jens Lehmann oder Fifa-Schiedsrichter Bernd Heynemann erspart. Ihre Prominenz wirkte auf ihrem Weg ins deutsche Parlament wie ein automatischer Türöffner. Alle drei sind Hinterbänkler der staatstragenden CDU geworden. Gienger und Lehmann saßen bis zuletzt im Plenum.
Und nun will bei der Bundestagswahl am Sonntag noch die Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein für die CDU dazugleiten. Sie ließ sich, so heißt es, unter anderem von der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner von einem Wechsel ins politische Fach überzeugen. Leistung muss sich wieder lohnen, ist der allgemeine auch politische Grundsatz der Noch-Leistungssportlerin. Im Konkreten weiß man bislang mehr darüber, was ihr unwichtig ist (Gendern), als was ihr wichtig ist.
Der erste, wie Pechstein selbst betont, dem sie Fragen zu ihrer Kandidatur beantwortet habe, sei Klaus Kelle, der Chefredakteur der Online-Tageszeitung TheGermanz, gewesen. Der Mann, dem Pechstein sich so zugetan zeigt, gehört der stockkonservativen Werteunion der CDU an und macht via Twitter Wahlkampf für den höchst umstrittenen ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten, der für die CDU auf rechtsextremen Stimmenfang geht. „Hans-Georg Maaßen muss den Direktwahlkreis in Thüringen für die CDU gewinnen. Er muss einfach!“
Der Zufall will es, dass der Gegenkandidat von Maaßen mit dem Biathleten und olympischen Goldmedaillengewinner Frank Ullrich wiederum ein ehemaliger Leistungssportler und eine prominente Ortsgröße ist. „Nicht nur Olympiasieger! Jeder muss ein Recht auf gute Rente haben“, so polemisiert Maaßen auf Plakaten gegen seinen programmatisch vielleicht etwas zu biographisch aufgestellten SPD-Konkurrenten.
Natürlich in den Sportausschuss
Wie alle Quereinsteiger aus dem Profisport in den Bundestag scheut Frank Ullrich den politischen Nahkampf und allzu konturierte Positionen, will politische Niederlagen „sportlich nehmen“ und sich als Mann des Volkes und des Ausgleichs präsentieren. Und natürlich will er wie Pechstein in den Sportausschuss.
Während Sportler:innen zuletzt immer mehr für die politische Dimension ihrer Lebenswelt sensibilisiert werden, sich für mehr Teilhabe und Gleichberechtigung einsetzen und zunehmend gegen Rassismus und Homophobie kämpfen, verkörpern deren Repräsentanten im Bundestag mumienhaft nach wie vor eher Staatstragendes und betreiben nebenbei ein wenig Klientelpolitik.
So sind Sportler:innen nicht viel mehr als Schmuckwerk im politischen Betrieb. Besser eignen sie sich bislang sowieso als Claqueure. Dass man hierbei in der Auswahl aber auch daneben liegen kann, hat wenig überraschend der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet unlängst vorgeführt. Beim dritten Triell war in seinem Unterstützer:innenteam Roman Weidenfeller, der ehemalige Torhüter von Borussia Dortmund, vor Ort.
Der Mann, der einst einer härteren Strafe durch den DFB entging, weil er folgendes richtigstellten wollte: Er habe seinen Gegenspieler Gerald Asamoah nicht als „schwarze Sau“, sondern als „schwule Sau“ beschimpft. Doch in der Politik wie im Sport gibt es die erstaunlichsten Karrieren. Weidenfeller mag sich in der Vergangenheit vor allem über die Torhüterpolitik beim DFB geärgert haben, eines Tages sitzt er vielleicht mir nichts, dir nichts neben Claudia Pechstein im Bundestag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid