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Sportler über Homophobie im Turnen„Ich möchte neue Zeichen setzen“

Der ehemalige Schweizer Barren-Spezialist Lucas Fischer spricht über sein Coming-out und seinen Auftritt bei der WM in Stuttgart – als Sänger.

Größter Erfolg in der Turnkarriere: Fischer gewann 2013 in Moskau die EM-Silbermedaille Foto: imago/Schreyer
Interview von Sandra Schmidt

taz: Herr Fischer, warum haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie Männer lieben?

Lucas Fischer: Ich wollte damit ein Statement setzen. Ich kann die Welt nicht verändern, aber ich kann vielleicht dazu beitragen, dass ich jemandem helfe mit dem, was ich mache. In der Schweiz gibt es ganz wenige junge Sportlerinnen und Sportler, die das öffentlich zeigen, und viel zu viele, die es verstecken. Ich will einfach zeigen: Hey, es ist richtig, wie du bist. Du darfst lieben, wen du willst. Und es war mir auch ein Anliegen, dass ich mich als Person der Öffentlichkeit nicht immer verstecken muss.

Sie haben nach Ihrer Turnkarriere entdeckt, dass Sie Männer lieben. War Homosexualität zuvor ein Thema?

Niemals, nein. Ich habe es wirklich nicht gewusst. Es ging für mich damals nur ums Turnen. Ich habe mich einfach immer irgendwie schon komisch gefühlt und ich habe nie herausgefunden, warum.

Im Interview: Lucas Fischer

29, erzielte als Turner seinen größten Erfolg mit dem Gewinn der Silbermedaille bei der EM 2013 in Moskau. Danach beendete er seine Karriere und arbeitet nun als Sänger und Tänzer. Im Jahr 2018 hatte er sein Coming-out.

Gab es Reaktionen aus der Turnszene?

Zwei, drei Leute, aber eigentlich kaum. Und dann hieß es, das hätten sie ja schon lange gewusst. Das hat mich am Anfang auch gekränkt, und da habe ich ihnen geantwortet: Ja? Ich nicht! Das ist auch eine Art von Homophobie. Jeder Mensch hat seine Zeit, sich zu entdecken, und ich war zu dem Zeitpunkt so, wie ich war.

Es gab in den vergangenen Jahrzehnten kaum eine Hand voll Beispiele von offen homosexuellen Turnern. Gleichzeitig gibt es fast immer Sprüche, wenn ein Turner durch Eleganz oder gute gymnastische Elemente auffällt. Sie selbst waren ebenfalls ein sehr eleganter Turner.

Ich habe das auch erfahren, diese Sprüche, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich habe das erst reflektiert, als ich gemerkt habe, dass ich auf Männer stehe. Da habe ich begriffen, dass sie das immer als Schimpfwort benutzt haben. Ich weiß, dass es ihnen gar nicht bewusst war, dass das homophob ist.

Ist es nicht paradox, dass für das schönere Turnen abwertende Sprüche kommen? Das war schon bei Ioannis Melissanidis so, der dann 1996 Olympiasieger am Boden wurde.

Was soll ich dazu sagen? Ich finde das einfach nur schlimm und traurig. Das ist genau das, was nicht sein soll. Ich meine: Ist doch schön, wenn ein Turner durch Eleganz oder seine Ästhetik dann in den Turnübungen heraussticht. Und es hat nichts mit schwul zu tun. Dann wäre ja jeder Tänzer schwul.

Warum herrscht im Turnen ein so ein starres altes Bild von Männlichkeit vor?

Ich kann nur sagen, dass der Turnsport eine der härtesten Sportarten ist auf der Welt. Da gibt es nicht so viel Spielraum für anderes, und das beinhaltet auch den Gedanken an eine andere Liebesform als Mann und Frau. Und ich glaube, das Denken wird auch durch frühere Generationen beherrscht, die das so vorgelebt haben. Und diese Menschen sind auch Vorbilder.

Auf die Frage nach Homosexualität im Turnen heißt es gern: Das ist mir völlig egal, und deshalb muss man auch gar nicht darüber reden. Was sagen Sie zu dieser Position?

Das ist einfach genau das, was nichts bringt, oder? Ich glaube, die Leute haben Respekt vor diesem Thema, weil es ein Tabu ist, weil es nicht angesprochen wird, weil es nur versteckt passiert, wenn es passiert. Das sind Menschen, die es eigentlich nicht akzeptieren.

Die Turnwelt hat Sie als Vize-Europameister von Moskau am Barren in Erinnerung. An diesem Dienstag werden Sie in Stuttgart auf der Bodenturnfläche den WM-Song singen. Ist das für Sie eine besondere Situation?

Ich habe schon auch Respekt davor, aber ich weiß, wer ich bin. Ich steh da auf der Bodenfläche, ich bin ein schwuler Mann, ich steh dazu und möchte nach außen tragen, dass das völlig normal ist. Und damit möchte ich, auch wenn es in der heutigen Zeit fast ein bisschen blöd klingt, auch neue Zeichen setzen im Sport.

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