Sponsoring in Fußball-Bundesliga: Es gibt keine Kleinen mehr
Was der Teilerfolg der Bochumer gegen Leverkusen mit einem unfähigen Berliner Senat und dem Wohnungskonzern Vonovia zu tun hat.
W enn man alt genug ist, würde man an einem Spieltag mit St. Pauli gegen Bayern gern einen Favoritensturz sehen, der guten alten Zeiten willen, als im Fünfmeterraum nach einem Regenspieltag noch der Schlamm bis zum Hals reichte und Eleganz bedeutete, sauber abzutauchen, wenn Oliver Kahn versuchte, einem den Kopf abzubeißen.
Und obwohl der Fußball derart vorhersehbar geworden ist, wird man zumindest an einzelnen Tagen als Nostalgiker nicht primär enttäuscht: Wunderschön war das, als Bochum gegen Leverkusen kurz vor Schluss doch noch den Turnaround schaffte, wunderschön, als Koji Miyoshi den Ball an Lukas Hradecky vorbeischob, wunderschön, dass Bochum gegen ein arrogantes, seiner eigenen Überlegenheit gewisses und entsprechend lethargisches Leverkusen einen Punkt holte. Da hätte Florian Wirtz noch sieben Mal den Ball mit Hacke irgendwohin packen können, am Ende steht es Unentschieden, wat willste machen, is dat nich schön.
Ja und dann sieht man die Jubelbilder und die Leute in ihren fetten Daunenjacken drehen sich um und überall prangt das Logo von Vonovia. Da denkt man dann schon kurz: Kann Leverkusen nicht doch noch eins machen, vom Mittelkreis aus, davor drei Leute tunneln. Vonovia hat kürzlich die Deutsche Wohnen geschluckt und dabei das Land Berlin um ungefähr eine Milliarde Euro betrogen.
Großangelegte Kürzungen
Der Berliner Senat hat fast zeitgleich großangelegte Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe angekündigt, die das Ende der Schulsozialarbeit in Berlin bedeuten könnten; wir sprechen hier von einem Finanzierungsloch von 17 Millionen ungefähr. Das Geld, das Vonovia jetzt in den VfL Bochum pumpt, heißt für tausende Kinder in Berlin: Auf euch ist geschissen, passt ins System oder geht einfach weg!
Vonovia dieses Schlupfloch geöffnet und damit dem VfL Bochum diesen Erfolg möglich gemacht hat ein unfähiger Senat, dem dieses Problem schon länger bekannt war, der aber nichts dagegen unternahm; ermöglicht haben das auch jene Teile der Presse, die damals um jeden Preis Andrej Holm als Staatssekretär verhindern wollten, der solche Schlupflöcher zu schließen angetreten war.
Es gibt viele Mitschuldige daran, aber Vonovia hat sich explizit darauf vorbereitet, den Berliner Senat um jene Milliarde Euro zu betrügen, und das hat jetzt ganz konkret Auswirkungen auf das Leben von tausenden jungen Menschen. Da bekommt der Satz „Es gibt keine Kleinen mehr“ plötzlich eine völlig neue Bedeutung.
So ist der Fußball geworden. Selbst wenn die Kleinen gewinnen, dann nur, um die Großen reinzuwaschen, es ist einfach nur zum Kotzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis