: „Spion“ vom anderen Ende der Welt
■ Mitarbeiter einer australischen Hilfsorganisation als Spion vorgeführt
Ein Mitarbeiter der australischen Sektion der Hilfsorganisation Care ist am Sonntag abend im serbischen Fernsehen als Spion vorgeführt worden. Der in sich zusammengesunkene Steve Pratt (49) gestand vor der Kamera, im Kosovo unter dem Deckmantel seiner humanitären Tätigkeit militärische Informationen gesammelt zu haben. Pratt war am 31. März zusammen mit seinem Kollegen Peter Wallace (30) an der Grenze zu Kroatien verhaftet worden. Die beiden waren in Richtung Montenegro unterwegs, um dort Kosovo- Flüchtlinge zu betreuen.
Das serbische Staatsfernsehen bezeichnete Pratt als „Major“ und „Kopf eines Spionagenetzes“. Pratt ist ehemaliger Major der australischen Streitkräfte und wurde 1993 von der Hilfsorganisation wegen seiner logistischen Erfahrung eingestellt. Für Care war er im Nordirak, im Jemen und in Ruanda für die Versorgung von Flüchtlingen zuständig. In Jugoslawien kümmerte er sich laut Care um serbische Flüchtlinge aus Bosnien und der Krajina. Er habe sein „Geständnis“ eindeutig unter Druck abgelegt, so Care.
Auch Pratts schwangere Frau Samira, die sich zur Zeit in Ungarn aufhält, verteidigte ihn gegen die Spionagevorwürfe. Sie erklärte sein „Geständnis“ mit seinem Bestreben, Wallace und andere Kollegen in Jugoslawien zu schützen. Wallace wurde im serbischen Fernsehen nicht erwähnt. Ein wirres Interview mit Pratts Mutter, das am Wochenende in Sydney veröffentlicht wurde, wird ihm kaum helfen. Mavis Pratt hatte darin erzählt, ihr Sohn habe während des Golfkriegs im Irak Informationen an die UN weitergegeben. Seine Geschwister und Care haben dies dementiert. – Australiens Außenminister Alexander Downer bezeichnete die Spionagevorwürfe als „lächerlich“ und verurteilte die Verhaftung. Der jugoslawische Botschafter wurde ins Außenministerium bestellt. In Belgrad versucht der australische Botschafter, die Verhafteten zu besuchen. Ihre Festnahme hat die Einstellung der Australier zum Kosovo-Konflikt weiter polarisiert. Am Wochenende protestierte die starke serbisch-australische Minderheit gegen die Nato.
Dabei flatterten in Sydney auch griechische, polnische und italienische Fahnen. Die meisten Australier sind entsetzt über die täglichen Flüchtlingsbilder. Die Regierung äußerte Verständnis für die Bombenangriffe und erklärte sich bereit, 4.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Esther Blank, Sydney
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