Spendenaktionen für Seenotrettung: „Es braucht jetzt neue Schiffe“
Um Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu retten, braucht es Schiffe. Deutsche Fernsehmoderatoren rufen nun zum Spenden auf.

Davon braucht es eher mehr als weniger: Seenotrettungsschiffe auf dem Mittelmeer Foto: ap
BERLIN taz | 629 Menschen sind im Juni im Mittelmeer ertrunken. Hunderte Tote, in nur einem Monat. Kein Schiff privater Hilfsorganisationen befindet sich momentan auf See. Der Grund: Die Schiffe dürfen den Hafen nicht verlassen. Auch das Suchflugzeug „Moonbird“ der Organisation „Sea-Watch“ hat keine Starterlaubnis. Die Rettungscrews sind bereit zu helfen, aber mittellos. Die NGOs benötigen Geld, um neue Schiffe chartern zu können.
Tausende gingen in den letzten Tagen auf die Straßen, protestierten gegen die Behörden und gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung. Ihre Stimme ist ein Zeichen für mehr Humanität. Auch Prominente ziehen mit und nutzen ihre Popularität, um Spendengelder zu sammeln und Aufmerksamkeit zu wecken. So jetzt auch ProSieben-Ikone Klaas Heufer-Umlauf.
Der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann rief zuvor eine Spendenaktion für die Anwaltskosten des angeklagten Lifeline-Kaptitäns ins Leben. In wenigen Tagen kamen fast 200.000 Euro zusammen. Sein Kollege Klaas Heufer-Umlauf tut es ihm nun gleich, ruft dazu auf, die „andere Seite des Problems“ zu betrachten. In seinem YouTube-Video spricht er über die Situation auf dem Mittelmeer und eine Möglichkeit etwas gegen das Sterben zu tun: Spenden, damit Rettungsorganisationen wie „Mission Lifeline“, „Sea-Watch“ oder „Jugend Rettet“ neue Schiffe chartern können. Weitermachen, gegen den Willen der Behörden und für die Rettung hunderter Menschen.
„Es lässt mich nicht los und ich hoffe, einige andere auch nicht“, sagt Heufer-Umlauf. Das Video, mit seinem Handy gefilmt, misst eine Länge von sechs Minuten. Er spricht von Menschen, die vor lebensbedrohlichen Umständen fliehen, sich aufmachen nach Europa. Und das mit triftigem Grund, wie er findet: „Niemand steigt freiwillig in ein Schiff, wenn er weiß, dass es zu voll und nicht funktionstüchtig ist und er nicht schwimmen kann.“
„Es braucht jetzt neue Schiffe“, sagt Heufer-Umlauf. Schiffe, um ein Zeichen zu setzen und weiter lebensnotwendige Hilfe leisten zu können. Der 34-Jährige betont: „Irgendwo muss das Geld herkommen“. Er selbst habe auch schon gespendet. Wie viel, verrät er jedoch nicht. Er hofft, dass die Leute, je nach Verhältnismäßigkeit, seinem Beispiel nachgehen und sich engagieren. „Völlig egal ob zwei Euro oder 200.000 Euro“, jeder könnte mithelfen, sagt der Moderator und versichert, er würde persönlich dafür Sorge tragen, dass das Geld „dahin kommt, wo es hin muss.“
Ein Aufruf, nicht ohne Kritik
Der Aufruf zeigt Wirkung. Innerhalb eines Tages zählte das Online-Spendenkonto bereits eine Summe von über 100.000 Euro. Das Video wurde über 60.000 Mal geklickt, der Hashtag #Civilfleet tausendfach geteilt. Klaas Heufer-Umlauf brachte eine Diskussion ins Rollen. Die Meinungen auf Twitter gehen stark auseinander. Während einige schreiben, sie würden sich „ganz sicher nicht“ an „illegaler Migration“ beteiligen, loben andere die Aktion und die Menschlichkeit, die dahinter stecke: „Danke Klaas! Die paar seidenen Fäden, an denen die Menschlichkeit und ein offenes Europa noch hängen, werden von Fernsehmenschen statt Politikern in die Öffentlichkeit getragen.“
Heufer-Umlauf kritisiert viel in seinem Video. Er kritisiert die Behörden für ihr Verhalten. Er verstehe nicht, wie man Menschen dafür anklagen kann, dass sie anderen Menschen das Leben retten. Dieses Vorgehen beschreibt Heufer-Umlauf als „bizarr und absurd und bescheuert“. Sein Ziel: Möglichst viel Geld sammeln, damit die NGOs neue Schiffe chartern können. Ginge es nach ihm, sollten die Rettungsschiffe zur Not auch inoffiziell wieder rausfahren und weiter Menschen retten, denn: „Was soll daran illegal sein?“
Doch auch Heufer-Umlauf selbst steht in der Kritik. Er würde sich durch die Aktion bloß selbst profilieren wollen und den Aufruf als persönliche PR nutzen. „Großes Sommerkino! Hier verschafft sich jemand Publicity unter dem Deckmantel der Flüchtlingshilfe für schleuserähnliche NGOs“, heißt es auf Twitter.
Nach zwei Tagen ist auf dem Spendenkonto „Jetzt retten wir! #civilfleet“ eine Summe von über 135.000 Euro eingegangen. 3.300 Beteiligungen zählt die Website. Heufer-Umlauf ist begeistert von den Reaktionen. „Wahnsinn, Wahnsinn, vielen Dank! Weiter gehts“, meldet er sich bei seinen Followern auf Twitter. Die Aktion läuft noch 18 weitere Tage.
Leser*innenkommentare
Darmok Jalad
Es ist sicher gut gemeint aber ich frage mich ob es Aussicht auf Erfolg hat.
Die Umstände haben sich ja nicht geändert und ich würde drauf wetten das die neuen Schiffe innerhalb kurzer Zeit genauso festgesetzt werden wie die alten. Die Mittelmeeranrainerstaaten können schneller und ausdauernder beschlagnahmen als die NGOs chartern. Und selbst wenn sich das ganze dann als juristisch haltlos herausstellt reicht es ja die Schiffe für ein paar Jahre aus dem Verkehr zu ziehen.
Esther Kupka
@Darmok Jalad Wenn ich einen lebensgefährlich verletzten auf der Straße liegen sehe, helfe ich ihm auch nicht ... der stirbt ja sowieso.
immer und immer wieder Flagge zeigen, in diesem Fall auf schiffen, wenn es das einzige ist, was wir tun können.
83492 (Profil gelöscht)
Gast
@Esther Kupka Sie lassen den zweiten Teil in Ihrer Samariter-Geschichte aus: nachdem Sie dem Verletzten geholfen haben, nehmen Sie den Geretteten zu Ihrem Nachbarn und zwingen diesen, den nun Gesundeten aufzunehmen und zu versorgen.
larssen
@83492 (Profil gelöscht) Noch etwas haben Sie vergessen, die Vorgeschichte. Sie und Ihr Nachbar haben nämlich dafür gesorgt, dass der (hoffentlich) Gerettete aus seiner Heimat fliehen muss, und das seit langer Zeit. Sie und Ihr Nachbar können nur deshalb wie die Made im Speck leben weil Sie den Geretteten und sein Vorfahren bestehlen.
larssen
@83492 (Profil gelöscht) Unmenschlicher Unsinn, das Wohl des Nachbarn steht also über dem Leben einiger hundert Menschen. Sollen die doch ruhig verrecken damit die Komfortzone nicht gestört wird.
Mal abgesehen davon, dass mit der Rettung von Leben keine Einwanderung verbunden sein muss. Aber das ist Ihnen ja völlig egal.
75064 (Profil gelöscht)
Gast
@83492 (Profil gelöscht) Diese simplen Vergleiche hinken, schon weil es hier nicht um den Privathaushalt eines imaginären Nachbarn geht sondern um die Mitgliedsstaaten der EU.
Sollte man jedoch bei dem schlechten Beispiel bleiben, so ist der Nachbar, wie jederman, selbstverständlich auch zur Hilfeleistung verpflichtet.