Spekulationen um Michael Müller: Sätze aus dem Politiker-Lehrbuch
Besuch in der Talkshow: Der Regierende Bürgermeister hält sich eine weitere Amtszeit offen. Was hätte er sonst auch tun sollen?
Z ur Aufgabe von JournalistInnen gehört bisweilen, das Gras wachsen zu hören. Und damit auch niemand in Zukunft vergisst, dass man tatsächlich etwas vor allen anderen vernommen hat, gibt es Meldungen wie die, dass XY etwas explizit nicht ausschließe. So am Donnerstagmorgen von dpa: „Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller schließt eine weitere Amtszeit nach der Corona-Krise nicht aus.“ Die Nachrichtenagentur bezog sich dabei auf einen Auftritt Müllers in der Talkshow von Markus Lanz.
Der SPD-Politiker hatte sich in der Sendung ganz und gar nicht präsentiert wie ein Regierungschef auf Abruf. Das war Müller seit seiner Ankündigung im Januar, den Landesvorsitz seiner Partei im Mai abzugeben und damit auch den Anspruch, im Herbst 2021 noch einmal als Spitzenkandidat der SPD anzutreten.
Doch Müller ist weiterhin auf Abruf, obwohl er, wie er bei Lanz sagte, „immer Spaß an seiner Arbeit“ hatte. Denn ganz ehrlich: Was soll ein Politiker oder eine Politikerin auch sagen, wenn er oder sie nach der Motivation gefragt wird: „Ich mach' den Scheiß nur noch wegen Corona!“? Oder: „Muss halt noch ein paar Monate durchhalten, bis der Parteitag mit der Wahl meiner Nachfolgerin endlich stattfinden kann“?
Natürlich erklärt das niemand öffentlich. Und dass Müller sein Amt Spaß gemacht hat, muss ja nicht heißen, dass er nicht trotzdem aufhört, bevor er das eigentlich will.
Krisenzeiten wie diese sind Zeiten der Exekutive. Wer sich jetzt im Job als RegierungschefIn nicht als Macher oder Macherin präsentiert, der wird das nie können. Sie sind außerdem die Zeit des Zusammenhalts. Streit, etwa zwischen Koalitionspartnern, passt der Bevölkerung da gar nicht in den Kram. Sie fordert Entscheidungen.
Klare Ansagen waren nicht sein Ding
Klare Ansagen und Gespräche mit den Koalitionspartnern auf Augenhöhe waren allerdings selten Müllers Ding. Dass ihm diese die PolitikerInnenseele streichelnden Eigenschaften jetzt trotzdem noch zugesprochen werden (deren Fehlen ihn im Übrigen immer von seinem Vorgänger Klaus Wowereit unterschied), hat aber schlicht mit der Situation zu tun. Und dies wird ihm, zumindest im Nachhinein, den Abschied aus dem Roten Rathaus erleichtern.
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