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Speichern von regenerativer EnergieDas Stromnetz regelt sich selbst

Die Blockchain-Technologie sorgt dafür, dass erstmals Windenergie automatisch gespeichert wird. Zentralstellen werden so überflüssig.

Sollten diese Windkrafträder im Schwarzwald mal stillstehen, kann auch Energie aus dem Norden verwendet werden Foto: dpa

Berlin taz | Nicht nur die Internet-Währung Bitcoin basiert auf der Blockchain-Technologie, sondern neuerdings auch die Speicherung von Ökostrom. Der Stromnetzbetreiber Tennet und die Solarfirma Sonnen GmbH nehmen für sich in Anspruch, erstmals in Europa diese neue Technik einzusetzen, um Windstrom zu speichern, der sonst nicht genutzt wird.

Das Unternehmen Sonnen in Wildpoldsried im Allgäu baut und verkauft unter anderem Stromspeicher, die sich für Ein- und Mehrfamilienhäuser eignen. Tennet betreibt einen guten Teil des bundesdeutschen Höchstspannungsnetzes von den Küsten im Norden bis hinunter nach Bayern.

Dabei entsteht ein spezielles Problem: Ein Teil der Windenergie, den die Kraftwerke auf See und in den nördlichen Bundesländern produzieren könnten, wird nicht verwendet. Denn die Überlandleitungen von Nord nach Süd sind noch zu schwach, um die komplette Strommenge zu transportieren. Wenn Bürger und Fabriken in Süddeutschland besonders viel Strom brauchen, schalten die Energieversorger dort zusätzliche fossile Kraftwerke dazu. Beides kostet Geld, das man sparen könnte – 2016 waren dies rund 800 Millionen Euro bundesweit, wie Tennet ausgerechnet hat.

Blockchain soll nun helfen: Drückt im Norden zu viel Strom in die Leitungen, schickt Tennet automatisch eine Anfrage an die Stromspeicher von Sonnen, die überall im Bundesgebiet stehen. Diese melden zurück, ob sie freie Kapazitäten haben, nehmen den Strom gegebenenfalls auf und liefern ihn später an irgendwelche Nachfrager aus. „Statt Großkraftwerke im Süden hochzufahren, rufen wir Solarstrom aus Speichern ab“, erklärt Sonnen-Geschäftsführer Philipp Schröder.

Alle Transaktionen werden dabei nicht auf einem Zentralrechner, sondern automatisch auf allen Computern des Netzwerks registriert. Diese Buchungsvorgänge lassen sich nicht fälschen oder beeinflussen, weil sie überall gleichzeitig vorhanden sind. Der Charme von Blockchain besteht darin, dass Maschinen mit Maschinen kommunizieren – ohne Eingriff von Menschen. Künftig könnten Stromverbraucher, etwa Waschmaschinen in Privathäusern in Bayern, mit Windkraftwerken in Schleswig-Holstein verhandeln, zu welchem Preis sie Strom kaufen.

Ein weiterer Effekt: Die „Intermediäre“, die Zentralstellen, werden überflüssig. Wenn sich das Stromnetz selbst organisiert, braucht man die Verwaltung durch die Energieversorger nicht mehr. Augenblicklich nehmen etwa 100 Speicher von Sonnen an dem Pilotprojekt teil; bis Sommer 2018 soll die Zahl auf etwa 6.000 steigen. Die Lithium-Eisenphosphat-­Batterien haben eine lange Lebensdauer. Die Firma steht auf der Liste der „50 Smartest Companies 2016“, die das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, veröffentlicht.

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8 Kommentare

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  • Das zentrale Problem wurde leider im Artikel ausgeklammert:das ganze funktioniert nur im kleinen Maßstab. Es gibt schlicht nicht so viele Möglichkeiten den überschüssigen Strom zu speichern. SELBST WENN MAN alle Täler mit entsprechenden Flüssen in Europa, d. H. Deutschland Frankreich, Österreich und Norwegen mit Talsperren zumauern würde, käme man nur auf ein Drittel der benötigten Leistung bzw. Speicherkapazität, die nötig wäre. Hin zu kommt das Problem der Saisonalität. Dann, wenn besonders viel Strom vorhanden ist, wird am wenigsten verbraucht und umgekehrt. Schließlich der Irrglaube das Speicherproblem mit Batterien lösen zu können. Eine besonders teure und giftige Form der Speicherung von Energie, deren Wirkungsgrad zudem physikalisch begrenzt ist. Das ganze ist ein sehr teurer Traum, der nur dazu führt, dass wir gezwungen sind Atomstrom und Kohlestrom im Winter aus Tschechien Belgien und Frankreich zuzzukaufen, dessen Sicherheit wir nicht mehr beeinflussen können. Klimapolitisch mit Null Effekt. Es wundert mich immer wie man grün sein will und nicht nachhaltig denken kann.

  • nein ist sie nicht. https://www.constellationr.com/blog-news/blockchain-almost-everything-you-read-wrong

     

    tl;dr bei solchen einsatzzwecken handelt es sich nur um datenbanken.

     

    zumindest dient das ganze phänomen anscheinend als inspiration, dass über neue lösungen nachgedacht wird.

  • Eigentlich gibt´s das schon lange in Form der Smartmeter. Die werden auch schon verwendet ... außerhalb von Deutschland, weil wir scheinbar die Einzigen sind, die sich mit dem Thema Datenschutz auseinandersetzen.

     

    Und ob das Thema durch die Blockchain nicht noch kritischer wird, weil jeder alles von Jedem weiß, das sollen Hacker entscheiden.

  • 0G
    0371 (Profil gelöscht)

    Das ist Energiewende 2.0. Ich bin in den letzten Jahren auch beruflich mit dieser Thematik in Berührung gekommen. Eigentlich sind solche Lösungen schon seit Jahren bekannt und serienreif. Leider haben sich unsere Politiker aber offensichtlich nicht von den richtigen Leuten beraten lassen und die Weichen ganz anders gestellt... Die Bilanz:

     

    - In den erneuerbaren Branchen mit Zukunftspotenzial wurden tausende frische Arbeitsplätze eliminiert.

     

    - Über den Wegfall dieser starken Konkurrenz freuen sich andere Länder mit progressiveren Entscheidern ein Bein aus.

     

    - Wir haben über die EEG -Umlage die Entwicklung neuer Technologien finanziert und überlassen nun die Wertschöpfung anderen .

     

    - Wir reißen die Messlatte unserer ohnehin schon ziemlich ausgedünnten Klimaschutzziele gnadenlos.

     

    In der Lausitz und im Rheinland müssen immer noch Menschen und Dörfer der dreckigsten Energiequelle weichen, die es gibt.

     

    Und mal ehrlich: ich glaube nicht mehr daran, dass sich in absehbarer Zeit an dieser Luschenpolitik etwas ändert.

     

    Hoffnung machen mir aber solche Menschen mit Visionen (für die man nicht zum Arzt gehen muss) und Firmen, die Projekte wie dieses allen Widerständen zum Trotz durchziehen.

    Danke dafür!

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Wow, mal ein Artikel von Herr Koch, zu dem mir keine spontanen bissigen Kommentare einfallen.

  • Die Strommonopolisten werden diese Utopie zu verhindern wissen. So wie sie aktuell auch das Abschalten der Kohlekraftwerke zu verhindern wissen.

    • @Amie:

      Die Strommonopole sind Staatliche Firmen gewesen bei denen die Länder, Landkreis und Gemeinden jeweils die Anteile gehalten haben.

       

      Dank der neoliberalen Energiewenden haben sich die Besserverdienenden Solarzellen auf Dach des Eigenheims genagelt und in Windkraftfonds investiert.

      Die Gewinne der Enerigewende werden privatisiert, die Kosten sozialisiert. Das ist Neoliberalismus pur.

    • @Amie:

      Srommonopole sind Vergangenheit. Wer das nicht wahr haben will wir morgen nicht mehr mitspielen.