Spaßbremse Naturschutz: Angelverbot für Hobbyfischer
Das Bundesumweltministerium will das Freizeitangeln in Schutzgebieten auf See verbieten. Der Nabu unterstützt das, Fischer halten es für unverhältnismäßig.
HAMBURG taz | Die Bundesregierung will das Hobbyangeln in den Naturschutzgebieten von Nord- und Ostsee verbieten. Das sieht eine Verordnung vor, mit der das Bundesumweltministerium das geltende EU-Recht im deutschen Teil der beiden Meere umsetzen will. Während der Naturschutzbund (Nabu) die Pläne unterstützt, bezeichnet sie der Deutsche Fischereiverband als unverhältnismäßig und die Landespolitik sorgt sich um den Tourismus.
Das Bundesumweltministerium begründet die geplanten Einschränkungen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Deutschlands damit, dass die Bestände wichtiger Fischarten wie des Dorschs erhalten werden sollen. Die Verordnung habe vor allem die biologische Vielfalt und den Artenschutz im Blick. Neben der Fischerei solle auch der Bootsverkehr außerhalb der Schifffahrtsrouten eingeschränkt werden, weil er viele Seevögel empfindlich störe. Von der Verordnung seien aber nur 30 Prozent der AWZ betroffen, 70 Prozent stünden weiterhin zur Verfügung.
Der Nabu hat sich jetzt hinter die Pläne der Bundesregierung gestellt. Er stützt sich auf Angaben des Von-Thünen-Instituts für Ostseefischerei, nach denen die Freizeitangler fast 70 Prozent der Fangmenge erreichen, die die Berufsfischer aus dem Meer holen. Der Nabu kritisiert, dass diese Entnahme nicht auf die maximal zulässige Fangquote angerechnet werde. Sie verzögere die Erholung der Fischbestände und schade den Lebensgemeinschaften in Riffen.
Der stellvertretende Leiter des Thünen-Instituts Uwe Krumme bestätigt, dass die Hobbyfischer fast genauso viel fischen wie die Berufsfischer. „Große Habitatszerstörungen sind aber nicht nachgewiesen“, berichtet er. Es fehlten allerdings Nachweise, dass die geplanten Schutzvorschriften wirkten. „Bis es die nicht gibt, sehe ich keine Schädigung dadurch, dass jemand seine Angel ins Wasser hält, schließlich gibt es Dorsche auch immer noch“, sagt Krumme.
Mit einer Verordnung will die Bundesregierung das europäische Naturschutzrecht in den Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Gebieten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Nord- und Ostsee umsetzen.
Betroffen wären die Gebiete „Fehmarnbelt“, "Kadetrinne“ und „Pommersche Bucht – Rönnebank“ in der Ostsee, sowie „Doggerbank“, „Borkum Riffgrund“ und „Sylter Außenriff – Östliche Deutsche Bucht“ in der Nordsee.
Regelungen zur kommerziellen Fischerei soll es auch geben, diese sind aber nur durch eine Verordnung auf europäischer Ebene möglich.
„In Hinblick auf die Entnahme ist die Maßnahme sinnvoll“, urteilt der Umweltverband WWF. In ihren Fangmethoden unterscheide sich die Freizeit- allerdings von der Berufsfischerei. Dort komme es zu mehr Störungen als bei der Freizeitfischerei.
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) und Umweltminister Habeck (Grüne) äußerten sich kürzlich ablehnend gegenüber dem geplanten Verbot in der AWZ-Schutzgebietsverordnung. Meyer hält den Dorschschutz durch kontrollierte Fischerei für sinnvoller, als ein Angelverbot, vor allem, weil es dem Tourismus schaden könnte. Habeck hält das Verbot des Freizeitangelns für übertrieben, weil es kaum Auswirkungen auf die Fischbestände habe.
Der deutsche Fischerverband bezeichnet das Verbot mit der gegebenen Begründung als unverhältnismäßig und sieht ein pauschales Verbot als nicht sinnvoll an. „Die ökonomischen und ökologischen Auswirkungen wünsche wir uns anhand von Zahlen, Daten und Fakten besser belegt und differenziert“, sagt sein Sprecher.
Das Bundesumweltministerium will die Entwürfe in nächster Zeit mit den verschiedenen Verbänden und Interessengruppen besprechen und überarbeiten. Mögliche Folgen des Verbots, wie die Schwächung des Tourismus, würden in die Überlegungen einbezogen und geprüft, versichert der Ministeriumssprecher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern