Sparpolitik: Unerwünschte Babys
Soziale Beratungsstellen sind entsetzt über Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger: Ohne diese Hilfe werde die Entscheidung fürs Kind künftig erschwert.
Hamburgs Sozialverbände sind entsetzt über die Berliner Sparbeschlüsse. Die 300 Euro Elterngeld pro Monat, die auch Harz-IV-Empfänger ein Jahr lang nach der Geburt eines Kindes bekamen, sollen gestrichen werden. Für das Baby bleibt dann noch der Regelsatz von 215 Euro, um Windeln, Essen, Kleidung und alles weitere Nötige zu bezahlen.
"Ausgerechnet in der Babyphase, in der sowieso kaum Betreuungsangebote zur Unterstützung bei der Arbeitsaufnahme vorhanden sind, hätte eine Familie 300 Euro weniger", kritisiert Gabi Brasch von der Diakonie Hamburg. Damit werde die Lage nach der Erhöhung des Kita-Essensgeldes auf 17 Euro für diese Familien "noch einmal zusätzlich verschärft".
"Die Regelsätze sind für Kinder eh viel zu niedrig", sagt Helmut Szepanski vom Kinder- und Familienzentrum (Kifaz) Barmbek-Basch. "Man könnte denken, nur noch die erwünschten Kinder werden finanziert. Die unerwünschten nicht." Morassa Massloumsaki-Schütt vom Kifaz Schnelsen-Süd meint: "Das Jahr mit Elterngeld ist die einzige Zeit, wo diese Familien finanziell ein bisschen entspannt sind. Das ist auch fürs Baby gut."
Die Zahl der Betroffenen ist hoch, hat Ursula Wagner von der Kinder- und Jugendhilfe der Caritas nachgerechnet. 2009 hatten 899 Frauen die Caritas-Schwangerschaftsberatung aufgesucht. Über die Hälfte von ihnen bezog Leistungen nach Hartz IV. "Die Frauen kommen zu uns in die Beratung, weil sie sich nicht vorstellen können, wie es nach der Geburt weiter geht", sagt Wagner. "Hören sie dann vom Elterngeld, haben sie wenigstens für ein Jahr eine Perspektive." Die Entscheidung für ein Kind werde nun "auf alle Fälle schwerer gemacht". Sie findet, es werde mit zweierlei Maß gemessen: "Den einen wird das Geld gestrichen, damit sie einen Anreiz haben, zu arbeiten, den anderen Geld gegeben, damit sie im ersten Lebensjahr beim Kind bleiben können."
Carmen Alexander von Pro Familia sagt: "Das Elterngeld spielt eine große Rolle, weil es das Einzige ist, was es zusätzlich zu Hartz-IV gibt." Kindergeld dagegen wird wieder abgezogen. Alexander weist darauf hin, dass dies schon die zweite Kürzung ist: Denn seit 1986 gab es ein Erziehungsgeld von 600 Mark für zwei Jahre, das allen Eltern mit einem Jahreseinkommen unter 30.000 Euro einen Ausgleich dafür bot, dass ein Elternteil zu Hause blieb oder nur Teilzeit arbeitete. Mit der Einführung des Elterngeldes 2007 wurde dieses Prinzip umgekehrt. Berufstätige in Elternzeit bekommen bekanntlich bis zu 1.800 Euro. Für Hartz-IV-Empfänger wurde die Bezugsdauer der 300 Euro auf ein Jahr halbiert. "Das hat damals schon sehr viele verzweifeln lassen", erinnert sich Alexander.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg begründet die neue Kürzung mit der "Philosophie des Elterngeldes". Es gehe darum, Berufstätige in der Elternzeit finanziell zu entlasten. Dass Hartz-IV-Empfänger dieses Geld noch bekamen, habe an einer "Übergangsregelung für das Erziehungsgeld" gelegen, die 2009 ausgelaufen sei. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Olaf Scholz bezeichnet dies als "Quatsch": "Eine zeitliche Befristung war nie vorgesehen."
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