Sparpläne zeigen Wirkung: Kahlschlag bei der Jugendarbeit
2014 bekommen die Bezirke die Kürzungen zu spüren. In Wandsbek, Nord, Harburg und Eimsbüttel erhalten Jugend-Treffs weniger Geld. Übergangsfonds galt nur für 2013.
HAMBURG taz | Die Proteste gegen die 3,5-Millionen-Euro-Kürzung bei der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) sind weitgehend wieder abgeflaut. Doch im Jahr zwei des umstrittenen Doppelhaushalts 2013/14 sind die Auswirkungen jetzt zu spüren: Ein von der SPD eingerichteter „Übergangsfond“ läuft aus. Wie die Senatsantwort auf eine FDP-Anfrage ergab, müssen im Jahr 2014 insgesamt 25 Abenteuerspielplätze, Häuser der Jugend und Kindertreffs mit weniger Geld auskommen. Sechs Projekte werden geschlossen.
„Der Kahlschlag trifft vor allem wichtige Projekte in den Bezirken Nord und Harburg“, sagt der FDP-Politiker Finn-Ole Ritter. So werde der Jugendtreff Hohenfelde im Bezirk Nord und das Spielhaus Sandbek in Neugraben laut Senat „gar nicht mehr gefördert“. Im Bezirk Harburg fallen die Nachmittagsgruppe Neuenfelde, die Kinder- und Jugendarbeit Neuenfelde und das Optimistensegeln auf dem Außenmühlenteich weg.
„Der Bezirk versuchte sich 2013 mit Restmitteln zu behelfen“, sagt die Harburger Bezirksabgeordnete Sabine Boeddinghaus (Die Linke). Doch so entstehe ein „Dominoeffekt“, weil dieses Geld für andere Dinge fehle. „Auf der Strecke bleiben die kleinen und feinen Projekte wie die Spielplatzgruppe, wo viel Lebenshilfe geleistet wird“. Die Grüne Christiane Blömeke moniert, dass Häuser der Jugend in benachteiligten Quartieren wie Jenfeld, Dulsberg und Steilshoop von den Kürzungen betroffen sind, sei „unsozial und familienfeindlich“.
Für die Kinder- und Jugendarbeit standen im Jahr 2012 noch 25,4 Millionen Euro bereit. Diese Summe wird in 2014 um 2,58 Millionen Euro gekürzt, das sind 10,3 Prozent.
Auch die Etats für die Familienberatung und Sozialräumliche Angebote für Familien (SAE) wurden um jeweils 10,3 Prozent gesenkt. Das ergibt zusammen eine Kürzung von 3,5 Millionen Euro.
Neu sind die Sozialraumorientierten Hilfen und Angebote (SHA), deren Etat von der Hilfe zur Erziehung (HzE) übertragen wurde. SHA-Projekte müssen "verbindliche Hilfen" vereinbaren.
Um ihre Förderung zu rechtfertigen, müssen SHA-Projekte Zielzahlen erreichen.
Die knapp 240 Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) zählen Stammnutzer. Die stiegen zuletzt von 30.662 im Jahr 2011 auf 31.587 im Jahr 2012.
Der Senat hält die Kürzungen für vertretbar, weil die Ganztagschulen ausgebaut wurden und Kinder länger in der Schule sind. Außerdem wurde mit den „Sozialräumlichen Hilfen und Angeboten“ (SHA) ein Programm aufgelegt, welches die offenen Angebote teilweise übernehmen soll.
Der Abenteuerspielplatz Brunnenhof auf St.Pauli ist seit einem Jahr „SHA-Projekt“. Das bedeutet, es reicht nicht, wenn Kinder einfach kommen und spielen. Die Betreuer müssen im Jahr 50 „verbindliche Hilfen“ mit einzelnen Besuchern vereinbaren, Ziele verabreden, Formbögen ausfüllen und – sofern die Klienten vom Jugendamt geschickt wurden – Bericht erstatten. „Der Charakter der Arbeit hat sich verändert“, sagt Brunnenhof-Mitarbeiter Volker Vödisch. Auch sei man unter Druck, die Zielzahlen zu erreichen.
In den Bezirken Altona, Mitte, Wandsbek und Bergedorf wurden insgesamt 31 Jugendclubs, Bauspielplätze und andere Treffs ganz oder teilweise in SHA „umgesteuert“, wie es im Behördenjargon heißt. „In Mitte wurde letztlich die offene Kinder- und Jugendarbeit abgewickelt“, sagt Bezirkspolitikerin Anja Post-Martens (Die Linke). Dringend nötig wäre eine Evaluation, was das eigentlich bewirkt.
Das proklamierte Ziel ist, durch frühe Prävention teuere Erziehungshilfen (HzE) zu vermeiden. Sozialpädagoge Vödisch ist der Meinung, dass es früher ohne Zielvorgaben unter den Bedingungen der offenen Arbeit besser gelang, zu den Heranwachsenden eine Bindung aufzubauen und ihren Lebensweg positiv zu beeinflussen. Spätestens 2015 kommen auch alle SHA-Projekte auf den Prüfstand. Auf Dauer gesichert ist deren Existenz keineswegs.
Die Sozialbehörde sieht die Lage optimistisch. „Besondere Schwierigkeiten der Bezirksämter bei der Mittelverteilung für 2014 sind auf Arbeitsebene nicht bekannt“, so Sprecher Marcel Schweitzer. Zwar steht der „Übergangsfonds“, aus dem im Jahr 2013 knapp eine halbe Millionen Euro gezahlt wurden, nicht mehr bereit. Dafür könnten die Bezirke aber Jugendhilfe aus dem „Quartierfonds“ bezahlen, der 2011 für die Rettung von Suppenküchen und anderen Stadtteilangeboten wegen Kürzungen bei den 1-Euro-Jobs eingerichtet wurde.
In der Antwort auf die FPD-Anfrage macht der Senat zudem eine neue Rechnung auf, der zufolge den Bezirken im Jahr 2014 mit knapp 49,5 Millionen Euro sogar 1,5 Millionen Euro mehr für Jugendarbeit, Familienförderung und SHA zur Verfügung stünden als noch 2012.
Möglich wird dies durch die Hinzunahme des ganz neuen Programms „Maßnahmen Schule/Jugendhilfe“, für das fünf Millionen Euro bereitgestellt werden. Nach taz-Information handelt es sich um ein Projekt für 300 bis 400 Kinder mit „besonders herausforderndem Verhalten“, die zeitweilig außerhalb der Schulklassen betreut werden sollen. Zieht man dieses thematisch den Hilfen zur Erziehung (HzE) zuzuordnende Vorhaben wieder ab, so ergibt sich sogar noch eine um 700.000 Euro höhere Kürzung als die bekannten 3,5 Millionen Euro.
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