Kürzungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit: Nicht mehr offen für alle

Altonaer Jugendclubs stehen ab Januar ohne gültigen Bescheid da. Andernorts müssen Bauspielplätze und Familienzentren auf Einzelfall-Arbeit umstellen.

Tschüss, offene Arbeit: das Jugendcafé Altona-Altstadt soll sich nun um Fälle kümmern. Bild: Ulrike Schmidt

Kaum ein Sozialthema hat 2012 für so viel Unruhe gesorgt wie die Kürzung bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Die SPD-Mehrheitsfraktion hatte im Haushalt eine Absenkung der Mittel um zehn Prozent beschlossen. Sechs der sieben Bezirke spielten mit und verabschiedeten mit Bauchschmerzen eine Jugendhilfeplanung. Nur in Altona lehnten die Gremien dies ab: „Wir können das fachlich nicht mittragen“, sagt Stefanie Wolpert von den mitregierenden Grünen. „Nun muss der Senat handeln.“

Das hat er schon: Am 18. Dezember gab es eine „Senatsbefassung“. Beschlossen sei „eine Absenkung von zehn Prozent über alle Einrichtungen hinweg“, berichtet Bezirkssprecherin Kerstin Godenschwege. Der Bezirk müsse die Entscheidung nun prüfen und dann umsetzen.

Den betroffenen Einrichtungen in Altona rennt unterdessen die Zeit davon. Sie wissen nicht, mit welchem Geld sie ab Januar rechnen können. „Wir haben schon den Reinigungsdienst gekündigt und stellen keine Honorarkräfte ein“, berichtet Mauricio Wertheim vom Träger „Movego“. Die Bescheide müssten her, bevor Träger pleitegingen.

Movego betreibt vier Jugendcafes (Jucas) im Bezirk und ist bei den bisher diskutierten Kürzungs-Szenarien am stärksten betroffen. Wertheim geht davon aus, dass es bei der „Feinspezifizierung“ der Verwaltung bleibt, die die Bezirkspolitik ablehnt.

Demnach müssen die drei Jucas Bahrenfeld, Lurup und Altona-Nord zum Teil und das Juca Altona-Altstadt in Gänze die offene Arbeit einstellen. Sie werden künftig aus dem neuen Topf der „Sozialräumlichen Hilfen und Angebote“ (SHA) finanziert und müssen dokumentieren, dass sie mit Jugendlichen Einzelfallarbeit machen.

Im Juca Altona-Altstadt nahe der Holstenstraße fällt ab Januar zunächst ein Öffnungstag weg, bis Juni werde man die Zeiten „immer mehr verkleinern“, sagt Wertheim. Die Mitarbeiter würden dafür soziale Gruppenarbeit an Schulen und Einzelfallarbeit betreiben. Wertheim: „Wir müssen dann Fälle zählen. Das führt zu einem anderen Blick auf die Jugendlichen.“

Auch in anderen Bezirken müssen Häuser der offenen Jugendarbeit auf Einzelfallarbeit umschwenken. Die Sozialbehörde gibt den Bezirken geheime Zielzahlen vor, die diese wiederum an die Träger weitergeben. So hatte der Abenteuerspielplatz am Brunnenhof in St.Pauli bisher täglich von 13 bis 18.30 Uhr geöffnet. „Wir haben die Kinder so empfangen wie sie sind, ohne defizitären Blick“, sagt Leiter Volker Vödisch.

Künftig hat der Platz nur noch zweieinhalb Stunden am Tag „offene Zeit“ für alle. 40 bis 50 Prozent der Arbeitszeit der vier Mitarbeiter solle für verbindliche Hilfen reserviert sein. „Wir müssen Fälle haben“, sagt Vödisch. Nach derzeitiger Vorgabe etwa 40 bis 60 im Jahr. Auch das benachbarte „Haus der Familie“ an der Schilleroper wird SHA-Projekt. Das Jugendamt habe aber nicht genug Fälle für zwei große Häuser, so Vödisch. „Die Frage ist, ob wir in drei Jahren, wenn unsere Kontrakte auslaufen, noch als SHA-Projekt bestehen.“

In anderen Bezirken wurden Restmittel genommen, um den Betrieb noch für ein Jahr aufrechtzuerhalten. Doch so sei „das Problem nur aufgeschoben, aber nicht gelöst“, kritisiert die Harburger Bezirksabgeordnete Sabine Boeddinghaus (Die Linke). Ab 2014 werde es „richtig spannend“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.