Sparkurs in Spanien: Schluss mit sozialem Weg
Spaniens Regierungschef Zapatero will das Haushaltsdefizit von 11,2 auf drei Prozent drücken. Gespart wird im öffentlichen Dienst, bei Rentnern, Babys und Entwicklungsländern.
MADRID taz | Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero packt die Schere aus. In einer Rede vor dem Parlament kündigte er am Mittwoch „harte Maßnahmen, Opfer und große Anstrengungen“ an. Mit umfangreichen Sparmaßnahmen soll das Haushaltsdefizit von derzeit 11,2 Prozent in nur zweieinhalb Jahren auf drei Prozent gedrückt werden.
Dazu verschärft die Regierung ihren bisherigen Sparkurs, der bereits von einer Ausgabensenkung von 50 Milliarden Euro ausging, noch einmal deutlich. Alleine 2011 sollen zusätzliche 15 Milliarden Euro eingespart werden, um so auf ein Defizit von sechs Prozent zu gelangen. Das sei „jetzt notwendig, um die Investoren hier zu behalten und Stabilität zu zeigen“, verteidigte Zapateros das Sparpaket, das zu den härtesten in der Europäischen Union gehören wird. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Sozialist einen „sozialen Weg aus der Krise“ anstrebte.
Das Paket, das bereits am Freitag vom Regierungskabinett als Dekret verabschiedet werden soll, sieht die Kürzung der Einkommen der Staatsbediensteten noch vor Jahresende um fünf Prozent vor. Zudem sollen 13.000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Insgesamt entspricht dies Einsparungen von über zehn Prozent. Auch die Rentner müssen Einbusen hinnehmen. Sie erwartet mindestens für das Jahr 2011 eine Nullrunde. Außerdem streicht Zapatero die Babyprämie von 2.500 Euro, die er einst selbst eingeführt hatte. Die öffentlichen Investitionen sollen in den kommenden Jahren um sechs Milliarden Euro sinken, die spanische Entwicklungshilfe um 600 Millionen.
Die Sparmaßnahmen würden dort greifen, „wo es wehtut“, gab Zapatero vor dem Parlament zu, doch „die Umstände haben uns dazu gezwungen“. Spanien gilt als einer der Kandidaten, der von der Griechenlandkrise angesteckt werden könnte. Die internationale Ratingagentur Standard&Poors hatte die Kreditwürdigkeit des Landes auf der Iberischen Halbinsel vor zwei Wochen zurückgestuft. Nach der Auflage des über 600 Milliarden schweren Schutzschildes für den Euro durch die europäischen Finanzminister und den Internationalen Währungsfond am vergangenen Wochenende, war Spanien angehalten, bis zum 18. Mai einen umfangreichen Sparplan vorzulegen.
„Es ist nicht leicht so zu den Bürgern zu sprechen“, entschuldigte sich Zapatero in seiner Rede. Mitgefühl durfte der Sozialist jedoch keines erwarten. „Sie kürzen umfangreiche soziale Rechte, etwas, was Sie immer ausgeschlossen haben“, entgegnete der Vorsitzende der Volkspartei (PP), Mariano Rajoy. Der Konservative hatte Zapatero in den vergangenen Monaten immer wieder Untätigkeit angesichts der schweren Wirtschaftskrise vorgeworfen. Irgendwann sei es zu spät, dann würden andere für Spanien entscheiden, warnte Rajoy nach einem Treffen mit Zapatero Anfang des Monats.
Das sei jetzt geschehen. Denn Zapatero erhielt nur einen Tag vor seinem Parlamentsauftritt, einen Anruf von US-Präsident Barack Obama. Dieser verlangte ein besseres Krisenmanagement von Spanien. „Sie werde künftig von anderen diktiert bekommen, was zu tun ist“, erklärte Rajoy. Zapatero dürfe die „die Wirtschaftspolitik eines Protektorates entwickeln“.
Während aus Brüssel lobende Worte für das Sparpaket kamen, reagierten die spanischen Gewerkschaften wütend. Von „nicht zu akzeptierende Maßnahmen“ ist die Rede. Sie kündigten „eine massive Antwort der Arbeiter“ an. Um zu verhindern, das diese allzu laut ausfällt, hat Regierungschef Zapatero heute die Vorsitzenden der beiden großen Gewerkschaften, der sozialistischen UGT und der post-kommunistischen CCOO zu sich geladen, um ihnen die Lage zu erklären.
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