Sparkommissar für Griechenland gefordert: Athen gegen "Gauleiter"
Die EU will einen Sparkommissar für Griechenland einsetzen. Die griechischen Politiker protestieren gegen einen Eingriff in die nationale Souveränität.
BONN taz | Finanzminister Evangelos Venizelos konnte sich gerade noch beherrschen: "Wer das Volk vor das Dilemma Finanzhilfe oder nationale Würde stellt, ignoriert die Lehren der Geschichte", erklärte er vor seiner Abreise nach Brüssel zum EU-Gipfel. Noch drastischer formulierte es Ex-EU-Kommissarin Anna Diamantopoulou: Der Einsatz eines Statthalters in Athen sei "ein direkter Eingriff in die nationale Souveränität des Landes, ja eine krankhafte Fantasie", erklärte die streitbare Politikerin dem TV-Sender Mega Channel.
Der Vorsitzende der Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis, ist der Ansicht, extreme konservative Kräfte in Europa würden offenbar auf Populismus setzen. Auch für die konservative "Nea Dimokratia", die in allen Umfragen führt, sei dieser Vorschlag "ein Witz", berichtet das griechische Staatsfernsehen. Parteiführer Antonis Samaras, der offenbar kein zu gutes Verhältnis zu seinen deutschen Parteifreunden in der CDU hat, hält sich bedeckt.
Am Sonntagnachmittag kam der griechische Übergangspremier Loukas Papademos mit den Vorsitzenden der führenden Parteien zusammen, um Einigkeit über eine gemeinsame Verhandlungslinie in Brüssel zu erzielen. Einfach wird dies nicht: Die Konservativen lehnen weitere Sparmaßnahmen wie die Kürzung der Zusatzrenten im öffentlichen Dienst ab; die Sozialisten können sich nicht entscheiden, da sie nach dem angekündigten Abgang von Ex-Ministerpräsident Giorgos Papandreou im innerparteilichen Richtungsstreit versinken.
Nach dem Treffen verfielen die führenden griechischen Parteien erst einmal in Schweigen. Am Sonntagnachmittag hatte Finanzminister Venizelos in einem dramatischen Appell alle Politiker zu raschem Handeln aufgefordert; es sei nicht die Zeit für machtpolitische Spiele.
Spekulation über deutsche Machtfantasien
In der Athener Tagespresse wird indessen über angebliche deutsche Machtfantasien spekuliert. So beklagte etwa die als seriös geltende Athener Wochenzeitung To Vima, Angela Merkel "fordere die bedingungslose Kapitulation der griechischen Finanzen". Schon wieder fällt das verhasste Wort "Gauleiter" im Zusammenhang mit dem Vorschlag, einen Sparkommissar in Athen einzusetzen.
Auch der Deutsche Horst Reichenbach, der im September 2011 zum Leiter einer "EU Task Force für Griechenland" berufen wurde, musste sich gelegentlich ähnliche Beschimpfung gefallen lassen. Doch er warb hartnäckig um Vertrauen und vermied alles, was den Eindruck erwecken könnte, er wolle den Oberlehrer geben. Mit Freundlichkeit und Fingerspitzengefühl gelang es ihm, so manche Sympathien zu gewinnen. Seit dem jüngsten Sparkommissar-Vorstoß aus Berlin dürfte seine Arbeit wieder schwieriger geworden sein.
Leser*innenkommentare
Tomate
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@Gelaber: Nomen est omen - man könnte auch sagen: BILD dir deine Meinung.
Andreas Marcatos
Gast
Das Photo zeigt einen rumaenischen Roma,den kenne ich. Es ist nicht das erstemal, die Taz zeigt rumaenische, bulgarische und albanische Roma in Athen um Dramatik zu erzeugen. Die Dramatik ist in Athen genug, aber die Taz Bilder sind verfaelscht.
Wenn man heute die Vorschlaege Deuschtlands fuer Griechenland liest kommt auf das Ergebnis dass dieses Europa gegen die Menschenrechte handelt.
Die Deutschen Medien sollen endlich erlaeutern, dass Deutschland keine Subventionen fuer Griechenland vorsieht sondern Kredite mit sehr hoehen Zinsen.
Griechenland ist nicht ein Sonderfall wie Merkel (die "Frau aus dem Osten") behauptet, Portugal ist heute da wo Griechenland vor 6 Monaten war, und wenn der Europaischer Bank nicht Geld fuer Italien und Spanien drueckte, haetten auch beide Laender das Schicksal Griechenlands. Ich hoffe das kommt nicht in der Zukunft, aber ich bin ueberhaupt nicht sicher.
Bis heute Griechenland schuldet nichts an Deutschland, Frankreich, Holland e.t.c. sondern an Banken und Spekulanten.
DIE DEUTSCHE POLITIK FUEHRT EUROPA IN DIE HOELLE.
Andreas Marcatos, Athen.
Gelaber
Gast
Dummes Gelaber. Man kann dem griechischen Parlament nicht trauen. Da sitzen die Sozialisten und die "Konservativen" und verbraten die Kohle wie eh und jeh. Planwirtschaft, Vetternwirtschaft und "gespart" wird so, daß man anderen die Luft für Unternehmung abschnürt, sich und seiner Sippe aber noch ein paar geldkoffer vorbeibringt. Ob im Namen der Freiheit oder des Sozialismus ist nur eine Frage der Show. Das wird sich nicht ändern. Im Übrigen sollten wir erst einmal nach Berlin sehen. Da ist die Situation genauso, nur bezahlen die südlichen Bundesländer noch die Rechnung. Wenn das aufhört ist Berlin nicht mehr lebensfähig. Dann würde ich auch keine Kohle an die Typen verbraten die sie jetzt schon verbrennen. Egal ob CDU, SPD-SED oder Grüne. Griechnland braucht wie berlin einen Marshallplan und jemanden von außerhalb, der mit der Peitsche dafür sorgt, daß die alten Eliten vom Futtertrog wegbleiben. Wenn das jemand den Griechen klar sagen und vorschlagen würde, dann mögen ja gerne die Parteien, die Gewerkschaften und ihre Kommunistenrandalierer auf die Straße gehen, aber das Volk würde es jederzeit unterstützen. Dann muß man es eben der griechischen Armee überlassen Ordnung herzustellen. Das wäre das Beste. Bisher setzen die alten Machthaber aber wie bei uns ihre stärkste Waffe nämlich die Medien ein, um im Namen der "Gerechtigkeit", des "Sozialen" oder des Stolzes weiter ihr Süppchen kochen zu können.
Karl Sonnenschein
Gast
Ich fand schon immer das Deutschland zu gross und maechtig ist. Wohin Groessenwahn fuehren kann weiss man ja.
Anti-Borg
Gast
Dank an alle Vorredner. Insbesondere 'Tomate'.
So langsam scheints zu klackern, jetzt wo sich die wahre, marktkonforme Fratze zeigt.
Was jetzt noch hülfe:
- Gemeinsamer, koordinierter Austritt aller PIIGS-Staaten aus diesem neototalitären EU-Gebilde.
- komplette Löschung sämtlicher Schulden von Seiten der Schuldner, da sowieso bloß virtuell und unrechtmäßig zustandegekommen.
- Ein erklärendes, wohlformuliertes, menschliches, vernunftbasiertes Manifest der o.g. Staaten mit der grundsätzlichen Haltung:
"Geht's eigentlich noch? Bloß weil ihr empathie- und phantasielosen Borgs komplett einen an der Klatsche habt, müssen wir uns jeden Scheiß gefallen lassen und das auch noch unterstützen indem wir mit dem Blut unserer Kinder eure Orgien bezahlen ???"
Somit addierten sich zu Scham und Schande auch einige ordentliche Großpleiten hiesiger/globaler systemischer Institute und Parteien. Sollen Sie doch künftig in Discountermülltonnen nach abgelaufenem Genfraß wühlen.
Sich mit den Borg zu assimilieren ist lediglich eine
Entscheidung.. Willst Du den Schalter nochmal umlegen?
"Du hast dich falsch entschieden, Punk!!"
Popo List
Gast
Niemand, keine Macht der Welt, hat den Griechen verboten Firmen wie Siemens, SAP, Daimler, BMW, Solarworld etc. zu gründen. Anstatt pausenlos Jammerkommentare zu verfassen, sollten die Griechen kreativ sein und Unternehmen gründen. Im Internet-
zeitalter liegen die Ideen dafür geradezu auf der Straße. Da es aber nicht wirklich griechische Hightech-Unternehmen gibt, sind die Griechen zu sowas ganz offensichtlich nicht in der Lage. Dann dürfen sie aber nicht leben wollen wie Nordamerikaner oder Nordeuropäer.
Die wenigen wirklich erfolgreichen griechischen Unternehmen wurden übrigens gegründet von Griechen, die – na sowas! – aus dem bösen, pöhsen Deutschland in ihre Heimat zurückgekehrt sind.
By the way: Jetzt nach deutschen Reparationszahlungen wegen des 2. Weltkrieges zu schreien, ist eine intellektuelle Bankrotterklärung sondersgleichen. Wir zahlen seit 60 Jahren für Griechenland. Gabs jemals ein "Danke"?
Hans
Gast
Ich möchte mich hier anschließen:
Nicht alle Deutschen unterstützen die Politik Angela Merkels!!!
Keine Macht den Technokraten! Keine Finanzdiktatur für Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Irland,...
Die Politik braucht nicht das Vertrauen der Märkte, sondern das der Bevölkerung!
Wir brauchen mehr Demokratie und weniger Lobbyismus!
KFR
Gast
Ein weitere Beleg für völlige Naivität und Inkompetenz der amtierenden Frau Bundeskanzler.
Eie Abschaffung der Gewaltenteilung, Budget-recht der Palamente und Selbstbestimmung des Souverän ( siehe Erfahrungen der FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda ) wird nicht klappen.
Dorothea Marchetti
Gast
Der Vorschlag kam mitnichten von der EU ! (Noch IST Deutschland nicht die EU, Kirio Papadimitriu)
Die FT berichtet, dass es sich um ein aus Deutschland kommendes Papier handelt. Einzig Bulgarien hat bis jetzt mit Zustimmung zu diesem Vorschlag reagiert. Dass die Griechen sich nun an "Gauleiter" erinnert fühlen ist nur verständlich. Allen die dies nicht begreifen, empfehle ich die letzte Rede Helmut Schmids.
http://www.spd.de/aktuelles/Pressemitteilungen/21498/20111204_rede_helmut_schmidt.html
Rastapopoulos
Gast
Deutschland will sich langfristig den Süden Europas als abhängiges Armenhaus halten. Alle Gauleiter-Beschimpfungen sind absolut gerechtfertigt. Was sich Deutschland in der letzten Zeit angemasst hat, die Griechen und andere südeuropäische Länder als faule Schmarotzer hinzustellen, geht auf keine Kuhhaut. Die Deutschen sollten erstmal Reparationen für die Scheisse die sie im 2ten Weltkrieg verbrochen haben zahlen, bevor Angela Merkel das Maul aufreisst. Gleichzeitig macht sie Verträge für noch engere Zusammenarbeit mit China, um die Dominanz in Europa zu finanzieren. Von Menschenrechten in China ist plötzlich nicht mehr die Rede. Deutschland unter Merkel ist nur noch oberpeinlich.
Tomate
Gast
Die "marktkonforme" Demokratie Deutschland (O-Ton Merkel) will dem Mutterland der Dimokratia die anti-demokratische Marktkonformität aufzwingen - mit einem imperialen Statthalter der Bankokratie. Kein Wunder, dass sich in ganz Europa wieder zunehmend antideutsche Töne einschleichen.
Gegenvorschlag: Man streicht insolventen Ländern die Schulden, so dass die deutschen, französischen und britischen Banken mal ein bisschen echten Kapitalismus erfähren dürfen - hätten sie mal ihre Kredite besser vergeben!
Dann nimmt man noch rechtzeitig alle Mittel aus diesem Fass ohne Boden, diesem "EU-Rettungsschirm", und benutzt sie dazu, strauchelnde Banken von Staats wegen anteilig aufzukaufen und sie /dadurch/ zu rekapitalisieren. Dann hat man unsere Steuergelder nicht an eine Clique von Sekttrinkern aus den Führungsetagen der Banken verschenkt, sondern tatsächlich in unsere Zukunft investiert. Und genau dafür zahlt man doch Steuern! Ich jedenfalls ...
Und zum Schluss noch eine Finanztransaktionssteuer von mehr als 1% im gesamten EU-Raum - Großbritannien darf ggf. gerne austreten - und damit werden dann alle Schulden aus der gegenwärtigen Bankenkrise (darum handelt es sich nämlich, von wegen "Euro-Krise"!) und aus der Bankenkrise von 2008 abgetragen. Problem gelöst.
Aber mit solchen Ideen verkennt man ja, wem die Welt von heute wirklich gehört. Hoffentlich wird mich jetzt nicht der Verfassungschutz überwachen ...
Juergen K.
Gast
Wie auf Phoenix heute mitzubekommen war,
zwingt die "Troika" eine völlige Deregulierung des Arbeitsmarktes für unter 25 Jährige an.
Kaum wegzudenken,
dass das an der Grenzen halt macht und nicht auch in Italien (Studentinnen muessen sich Bunga Bunga machen lassen für eine Wohnung), Spanien oder Portungal
halt macht.
Man muss nicht erst die Freizügigkeit hinzunehmen,
wenn in 5 Jahren hier die Mittelschicht
seine eigene Tochter für eine Studentenwohnung "empfehlen" muss.
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nicht merkel
Gast
Widerlich wie die Politiker, Medien und deren Finanziers meinen ein ganzes Volk zu zerstören! An alle Griechen: WIR SIND NICHT MERKEL