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Sparen bis auf die Knochen

Szenen einer Ehe: An der Schaubühne in Berlin knirscht es zwischen den Sparten Tanz und Schauspiel. Die Kolportage des Streits offenbart aber auch das Misstrauen der Theaterkritik gegenüber dem Tanz

von KATRIN BETTINA MÜLLER

In der Hauptstadt geht die Angst um: Wie eine Beschwörung, dass sie noch gebraucht werden, verschickten Berlins Theater Anfang des Jahres Erfolgsbilanzen: Fast jedes Haus konnte mehr Besucher melden, allerdings schafften es dieses Jahr nur aus der Berliner Volksbühne zwei Produktionen, Castorfs „Erniedrigte und Beleidigte“ und René Polleschs Prater-Trilogie, zum Theatertreffen eingeladen zu werden. Von der Kulturverwaltung fürchtet man Dunkles: Der Etat für Kultur, der erst von Kürzungen ausgenommen werden sollte, ist nun doch betroffen, wenn auch nur mit halbem Prozentsatz. Noch kann niemand absehen, was in das Loch, das die Bankenkrise in den Berliner Haushalt gerissen hat, alles hinabrutschen wird. Und noch ist von keinem Haus ein Plan bekannt, wie es denn mit weniger Zuwendungen als bisher operieren will.

In dieser Situation bietet jetzt ein Theater volle Angriffsfläche: die Schaubühne. In einem großen Interview mit der Choreografin Sasha Waltz und ihrem Dramaturgen Jochen Sandig im Stadtmagazin tip war plötzlich von der Notwendigkeit einer internen Umverteilung der Mittel zwischen Tanz und Schauspiel innerhalb der Schaubühne die Rede. Kurz darauf wurde in einer Lesart der Süddeutschen Zeitung daraus eine „lange erwartete Palastrevolution“. Christopher Schmidt sah vor allem das Modell des „Führungskollektivs einmal mehr gescheitert“. Da die informative Ausbeute aus Gesprächen mit den Theatermachern, die sehr auf der Hut sind, zurzeit gering ist, untermauerte er sein Untergangsbild mit Zitaten aus „Dantons Tod“ und „Macbeth“, in denen das Haus sein Ende schon voraussieht. Da nützt es wenig, dass Thomas Ostermeier tapfer beteuert: „Ich bin nicht bereit, die finanzielle Krise der Stadt als Konflikt im eigenen Haus auszutragen.“ Denn genau für dieses Stück hat das Publikum anscheinend schon Platz genommen.

Jetzt ist der Schreck groß innerhalb des Theaters, dass Sasha Waltz’ lautes Nachdenken politisch so hoch gehandelt wird. Bis zur Premiere ihres Tanzstücks „noBody“ am Samstag will man erst mal nichts mehr sagen.

Seit ihrem Neubeginn vor zwei Jahren mit einer aus Tanz und Theater gemischten Intendanz leidet die Schaubühne an ihren eigenen Vorgaben: Erstens wird jedes Stück an den vollmundigen Ankündigen einer Erneuerung des politischen Theaters gemessen und meistens für zu leicht befunden; zweitens ist man dort permanent auf der Suche nach jenen zusätzlichen 2,8 Millionen Mark, die ihnen bei Vertragsbeginn zugesagt waren. Darauf beruht ihre Planung, das wiederholen sie in jedem Gespräch, aber niemand will mehr etwas davon hören.

Der Geldmangel geht auf die Knochen, besonders für das Tanzensemble von Sasha Waltz. 120 Vorstellungen geben sie im Jahr, in Berlin und auf Gastspielen, für Zweitbesetzungen sind keine Mittel da. Ausbauen möchte die Choreografin, die schon immer neugierig auf veränderte Konzepte von Kunst war, auch den Austausch mit anderen Künstlern. Sie favorisiert deshalb ein Modell der Schaubühne als internationales Produktionshaus mit drei Säulen: Schauspiel, Tanz und Koproduktionen.

Bisher sind die Produktionsmittel im Haus 7 zu 3 zwischen Schauspiel und Tanz verteilt. Gespräche über eine andere Gewichtung haben intern begonnen, zumal das Tanzensemble über Berlin hinaus mit größerer Resonanz wahrgenommen wird. Jochen Sandig, Dramaturg von Sasha Waltz, zog dabei in Erwägung, dass das Tanzensemble sich notfalls auch wieder selbstständig machen könnte. Das war als Drohung an den Senat adressiert und fällt dem Haus jetzt auf die Füße. Dass gleich daneben Beteuerungen standen, lieber an der Schaubühne bleiben zu wollen, scheint nicht zu zählen.

In dem Eifer, mit dem auf das Knirschen im Gebälk der Schaubühne gelauscht wird, schlägt sich auch ein tradiertes Misstrauen der Theaterkritik gegenüber dem Tanz nieder. Der Erfolg, den Sasha Waltz’ Ensemble hat, wird geschmälert durch die Haltung vieler Theaterkritiker, dass es um die wirklich wichtigen Themen im Tanz eben doch nicht gehen kann.

Doch es ist nicht nur hämisch, die ungleichen Partner Tanz und Schauspiel allein als Konkurrenten an der Schaubühne wahrzunehmen, sondern auch falsch. Die Produktionen sind sich oft näher, als den Produzenten vielleicht bewusst ist. Was an der Basis des Lebens mit dem Körper heute geschieht, verhandeln die Textpartituren von Sarah Kane ebenso wie die Stücke von Sasha Waltz. Lars Norens Stück „Personenkreis“ in der Regie von Ostermeier oder der „Macbeth“ von Christina Paulhofer zeigten nicht zuletzt choreografisch aufgebrochenes Theater, das in der Bewegung und dem Umgang mit dem Raum seine Figuren fast mehr als in der Sprache verortet. Insofern ist hier bisher weit mehr entstanden als lediglich ein Zweispartenhaus.

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