Spannungen zwischen Kolumbien und Venezuela: Säbelrasseln schadet Geiseln

Die Spannungen zwischen Kolumbien, Ecuador und Venezuela profitiert Kolumbiens Präsident Uribe. Auf diplomatischer Ebene gibt es erste Signale der Entspannung.

Profitiert vom Konflikt: Kolumbiens Präsident Uribe. Bild: dpa

BOGOTA taz Für Albeiro Ramírez ist die Sache klar: "Der Hund, der bellt, beißt nicht", lacht der 40-jährige Kolumbianer, als er zu Venezuelas Präsident Hugo Chávez befragt wird. "Während Chávez ständig schimpft und droht, schlägt unser Präsident Uribe kühl zu", sagt er. Dass die beiden Antipoden Álvaro Uribe und Chávez ihre Länder in einen Bruderkrieg führen könnten, hält er für unwahrscheinlich: "Chávez mag zwar viele Waffen haben. Aber unsere Armee ist motivierter und kampferprobter."

Die Blumenfrau Ana Luna Bohórquez meint, beim jetzigen Streit zahlten die einfachen Leute die Zeche. "Die armen Menschen an der Grenze tun mir am meisten leid, weil das jetzt mit dem Essen oder der Benzinversorgung schwierig wird."

Der Hausmeister und die Blumenfrau stehen wie 83 Prozent ihrer Landleute hinter Präsident Uribe. Von der Krise, die am Samstag durch den Angriff Kolumbiens auf ein Guerillacamp auf ecuadorianischem Boden ausgelöst wurde, scheint bislang vor allem Álvaro Uribe profitiert zu haben. "Dass den Farc-Banditen endlich das Handwerk gelegt wird, geht doch in Ordnung", sagt eine Obstverkäuferin. Für sie war der getötete Farc-Vize Raúl Reyes schlicht ein Verbrecher.

Das Bogotaner Boulevardblatt El Espacio brüllt auf seiner Titelseite: "Völkermörder!" Unter den blutroten Lettern prangt eine Karikatur eines finsteren, waffenstarrenden Chávez in Uniform, der ein schreiendes Baby mit den Gesichtszügen seines ecuadorianischen Kollegen Rafael Correa in Händen hält. Auch Nachrichtensendungen haben einen Beigeschmack von Propaganda und Gleichschaltung. Die Washington Post hält die linken Präsidenten für "Verbündete des Terrorismus".

Das sehen 33 der 35 Regierungen auf dem Kontinent anders: Nach einer Sondersitzung der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) in Washington wurde zur allererst das "Prinzip der Unverletzlichkeit des Territoriums" bekräftigt - als Gegenleistung für ihre Zustimmung setzten die USA und Kolumbien vorgestern den Verzicht auf eine ausdrückliche Verurteilung Bogotás durch - ein erstes, wichtiges Entspannungssignal.

Bei einem Staatsbesuch in Caracas lobte Correa die OAS-Resolution, auch wenn er weiterhin eine ausdrückliche Verurteilung Kolumbiens fordert. Wenn solche Aktionen wie der Angriff vom letzten Samstag toleriert würden, bestehe die Gefahr, "dass sich Lateinamerika in einen zweiten Nahen Osten verwandelt", sagte der Ecuadorianer.

Hugo Chávez bezeichnete die Aktion gar als "Kriegsverbrechen". Er will notfalls mit Uribe vor dem Internationalen Gerichtshof auftreten. Kolumbianische Firmen in Venezuela könnten deswegen nationalisiert, der Handel mit Kolumbien eingeschränkt werden. In der Region werde sich aber nicht die "Bush-Uribe-Doktrin" präventiver Angriffe durchsetzen, sondern eine "Doktrin der Integration und des Friedens", sagt Chávez.

In einem Telefongespräch mit seinem französischen Kollegen Nicolas Sarkozy will er seinen Friedenswillen betont, erzählte Chávez. Verteidigungsminister Gustavo Rangel schlug moderate Töne an. "Wir haben keinen Befehl zur Schließung der Grenze erhalten", sagte er, die an die Grenze verlegten Truppen würden mit "Routineaufgaben" betreut. Sein kolumbianischer Kollege Juan Manuel Santos erklärte: "Diese Truppenbewegungen machen uns keine Sorge. Wir werden keinen einzigen Soldaten an die Grenze schicken."

Bleibt der kolumbianische Vorwurf an die Nachbarn, sie unterstützten die Guerilla. Während Chávez aus seiner ideologischen Nähe zu den Rebellen kein Hehl macht, ist der Sachverhalt im Falle Ecuadors komplizierter. Bereits am Montag hatte Correa erklärt, es habe "ziemlich fortgeschrittene" Gespräche zur Freilassung von zwölf Farc-Geiseln gegeben, darunter Ingrid Betancourt. Sein Sicherheitsminister Gustavo Larrea will für derartige Vermittlungsgespäche von Uribe grünes Licht erhalten haben. Bogotá bestreitet dies.

Die Südgrenze Kolumbiens sei "völlig ungeschützt" und unter Kontrolle der Farc, wiederholte Correa vorgestern. "Ebenso wie sie uns vorwerfen, dass wir die Guerilla hereinlassen, können wir ihnen vorwerfen, dass sie sie herauslassen. Sie fragen: Warum gibt es ein Farc-Lager in Ecuador? Wir können fragen: Warum gibt es 500 Lager in Kolumbien?"

Für manch kolumbianischen Uribe-Kritiker hat die derzeitige Krise auch ihr Gutes: "Jetzt ist endgültig klar geworden, dass wir unseren Krieg nicht alleine bewältigen können", meint der kolumbianische Schriftsteller Pedro Badrán. Er hofft, dass sich aus der OAS-Vermittlung eine Initiative lateinamerikanischer Nachbarn entwickelt - ähnlich wie die Contadora-Gruppe, die vor 20 Jahren die Friedensprozesse in Zentralamerika erst ermöglichte.

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