Spannungen in Georgien: Wackelkandidat Saakaschwili
Schusswechsel zwischen Georgien und dem abtrünnigen Südossetien sowie zunehmende Proteste in der Hauptstadt Tbilisi bringen die Regierung in Bedrängnis.
Die Spannungen im Kaukasus wachsen. In der Nacht auf Freitag ist es zwischen Georgien und dem abtrünnigen Südossetien erneut zu einem Schusswechsel gekommen. Nach Angaben des stellvertretenden Verteidigungsministers von Südossetien beschoss die georgische Seite das Dorf Weliti mit Großkalibergeschossen. Georgien hingegen sagt, das Feuer sei von Weliti aus gegen georgische Dörfer gerichtet worden.
Bereits in der Nacht zuvor war es zu einem ähnlich umstrittenen Schusswechsel gekommen. Noch am Donnerstag trafen sich daher Vertreter Georgiens, Südossetiens und Russlands auf Initiative von OSZE und der EU-Mission an der Waffenstillstandslinie. Dabei einigten sie sich auf die Einrichtung einer gemeinsamen Hotline. Insgesamt seien jedoch keine Fortschritte erzielt worden, sagte anschließend der georgische Vertreter Schota Utiaschwili.
Die Probleme der georgischen Regierung wachsen indes auch in der Hauptstadt Tbilisi. Die Proteste der Opposition nehmen seit Tagen wieder zu. Als Präsident Michael Saakaschwili am Donnerstag in einem kleinen Café unweit des Theaters der Hauptstadt bei Kerzenschein zu Abend essen wollte, machten ihm mehrere hundert Demonstranten einen Strich durch die Rechnung. Nur durch einen Hinterausgang entkam er in einem Streifenwagen.
Zuvor hatte Eka Beselija von der "Bewegung für ein einiges Georgien" angekündigt, man werde mit mobilen Protestgruppen Saakaschwili ständig auf den Fersen sein. Am gestrigen Freitag trafen mehrere Wagenkolonnen mit Protestierern aus der Provinz in Tbilissi ein. Ihre Protestaktionen konzentrierten sich auf das Gebäude des Staatsfernsehens. Während der Kundgebung erklärten vier der neun Aufsichtsräte ihren Rücktritt.
Und ein weiterer Vorfall hält das Land in Atem. Am 19. April kam es im Frauengefängnis von Tbilissi zu einem Aufstand, weil sich bei der diesjährigen Amnestie für Gefangene nur 23 Frauen unter den 390 Freigelassen befinden. In ihrer Wut zerstörten die 700 weiblichen Insassen der Haftanstalt die Inneneinrichtung. Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen, die Gefangenen nach Rustawi verlegt. Dort leben sie jetzt, so die georgische Internet-Agentur Humanrights.ge, unter menschenunwürdigen Bedingungen. Es fehle an Trinkwasser und Hygienemitteln.
Die georgische Zeitung Alia berichtet, Saakaschwili habe bereits begonnen, einen Teil seines Besitzes außer Landes zu schaffen: Anwohner der Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer wollen Schiffe mit Besitztümern der Präsidentenfamilie beim Verlassen des Hafens gesehen haben. Tatsächlich ist Saakaschwili am gestrigen Freitag nach Bulgarien aufgebrochen, um an einem Erdgasgipfel teilzunehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt