Spanien verweigert 5-Prozent-Natoziel: Der Trump die Stirn bietet
Spanien will sich nicht verpflichten, den Rüstungshaushalt auf 5 Prozent anzuheben – und zeigt damit: Es ist möglich, sich den USA zu widersetzen.

D er spanische Ministerpräsident hat sich wieder einmal durchgesetzt. Wie einst bei der Frage der Strompreisbildung während der Energiekrise zu Beginn des Ukrainekriegs gegenüber der Europäischen Union erzielte der Sozialist Pedro Sánchez erneut eine „iberische Ausnahme“. Anders als alle anderen wird sich Spanien nicht dazu verpflichten, den Rüstungshaushalt auf 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anzuheben, wie es US-Präsident Donald Trump fordert. Es werden 2,1 Prozent sein – und dabei wird es vorerst auch bleiben.
Das erreichte der sozialistische Chef einer in Minderheit regierenden Linkskoalition noch vor der Eröffnung des Nato-Gipfels in Den Haag. Aus den USA verurteilt dies ein wütender Trump, und in der übrigen Nato müssen so manche heftig schlucken – und trotzdem: Sánchez hält tapfer stand.
Indem er Trump die Stirn bietet, kommt er nicht nur den Forderungen seiner linksalternativen Koalitionspartner entgegen, sondern erfüllt auch den Wunsch eines großen Teils der spanischen Bevölkerung. Spanien ist sowohl ausgesprochen EU-freundlich als auch gegenüber der Nato so kritisch eingestellt wie kaum ein anderes Land in beiden Bündnissen – und das betrifft nicht nur die Linke. Spanien trat 1986 erst nach einem Referendum der Nato bei; die Gegner konnten über 43 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Es ist das Land der Proteste gegen Kriege – sei es gegen den Irakkrieg, über den die damalige konservative Regierung stürzte, oder aktuell gegen den Feldzug Israels im Gazastreifen. Den Kriegstreibern Trump und dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu zu folgen, wäre für Sánchez tödlich – das weiß er.
Die einzige dissonante Stimme

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Vor laufender Kamera wagte der Spanier den Spagat. Die Verpflichtung seines Landes bestehe darin, operative Fähigkeiten bereitzustellen – nicht darin, einen bestimmten Prozentsatz zu erreichen. Gleichzeitig bekennt sich Sánchez ausdrücklich zu einer europäischen Verteidigung. Er bekräftigte, weiterhin an allen Strukturen der Nato teilzunehmen und Truppen sowie Material bereitzustellen, stellte jedoch Diplomatie und Friedenspolitik über Kriegsbereitschaft: Kriege – das scheint heute in Vergessenheit geraten zu sein – würden keine Gewinner kennen.
Diese Weigerung, sich Washington zu beugen, verschafft Sánchez Glaubwürdigkeit – weit über sein Land hinaus. Der Spanier ist damit die einzige dissonante Stimme im lauten Aufrüstungs-Säbelrasseln der anderen europäischen Hauptstädte. Und er zeigt: Es ist möglich, sich Trump zu widersetzen.
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