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Extreme WaldbrändeSpanien in Flammen

Es brennt in zahlreichen Regionen: Das Feuer hat Tote gefordert, mehr als 20.000 Menschen mussten zudem evakuiert werden.

Anwohner und freiwillige Helfer versuchen einen Waldbrand zu löschen Foto: Lalo R. Villar/AP/dpa

Madrid taz | Ein solches Inferno hat die Iberische Halbinsel noch nie zuvor gesehen. Am Wochenende waren um die 40 Brände aktiv, davon gilt die Hälfte als extrem gefährlich. Sie bedrohen Dörfer, Menschen und Vieh. Dutzende Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Drei Tote sind zu beklagen. 23.000 mussten evakuiert werden. So mancher fand sein Haus bei der Rückkehr als Brandruine vor.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez unterbrach am Sonntag seinen Urlaub. Er besuchte zwei stark betroffene Regionen in Nordspanien. „Es stehen schwierige Tage bevor“, erklärte er bei seinem Besuch im Koordinationszentrum für Waldbrandbekämpfung in nordwestspanischen Ourense.

Sánchez versprach weitere Hilfe und Einheiten der Armee und dankte den Ländern der Europäischen Union für die geschickten Löschflugzeuge und Feuerwehrausrüstung. Die seit nunmehr zwei Wochen anhaltende Brandkatastrophe sei Folge „einer Klimanotlage, die immer schlimmer wird und schneller voranschreitet und die Iberische Halbinsel in allen Jahreszeiten immer stärker betrifft“.

Seit Anfang August sind über 100.000 Hektar im nordwestspanischen Galicien, der Nachbarregion Asturien, dem zentralspanischen Kastilien und León, in der Extremadura und auch in der Hauptstadtregion Madrid abgebrannt. Seit Jahresbeginn verschlangen über 200 Waldbrände in ganz Spanien um die 157.000 Hektar. Zum Vergleich: Berlin ist 89.000 Hektar groß, Wien 41.500. Nach der Löschung der Feuer stehe der Wiederaufbau an, so Sánchez, aber auch eine parteiübergreifende Klimapolitik.

Temperaturen deutlich über 40 Grad

Die jetzige Brandkatastrophe begann zeitgleich mit einer in Spanien beispiellosen Hitzewelle. Die Temperaturen steigen in vielen Regionen auf deutlich über 40 Grad. Selbst in Nordspanien werden über 35 Grad gemessen. Nachts kühlt es nur wenig ab. Starke Winde fachen die Feuer zusätzlich an. Trockene Gewitter mit Blitzen, aber ohne Regen verursachen zusätzliche Brandherde.

Viele der großen Feuer sind nach Einschätzung Behörden das Ergebnis fahrlässiger Handlungen oder gar absichtlich gelegt worden. Eines davon, in der Provinz Ávila in Kastilien und León, von einem Feuerwehrmann, der dieses Jahr keinen Saisonjob erhielt. Schafherden, Ackerland, Weinbaugebiete und auch abgelegene Dörfer fielen dem Feuer zum Opfer.

Mehrere Bahnstrecken, darunter der Hochgeschwindigkeitszug Madrid-Galicien sowie neun Land- und drei Fernstraßen sind unterbrochen. Das Weltkulturerbe Médulas – einstige Tagebauminen der Römer – wurde vom Feuer verschlungen. I mehren National- und Naturparks brennt es. Die historische Stadt Hervás in der Extremadura ist vom Feuer eingeschlossen.

Im Frühjahr hatte es sogar überdurchschnittlich viel geregnet. Die Vegetation wuchs stärker als in anderen Jahren – und trocknete dann dank der Hitze schnell aus. So bildete sie das Material für Großbrände. Die Brände weiten sich mit hoher Geschwindigkeit aus. 20 Stundenkilometer und mehr sind keine Seltenheit. So ist zu erklären, dass etwa in der Provinz León ein Dorf abbrannte, das 80 Kilometer vom ursprünglichen Brandherd entfernt liegt.

Feuerwehr überfordert

Die Feuerwehren und die Katastrophenschutzeinheit der spanischen Armee sind völlig überfordert. Die für den Brand- und Katastrophenschutz zuständigen Autonomen Gemeinschaften, vergleichbar mit den deutschen Bundesländern, hätten viel zu wenig investiert, beklagen sich die Betroffenen.

Vielerorts retteten Anwohner, die sich der Evakuierung widersetzten, selbst mit landwirtschaftlichem Gerät ihre Dörfer. Wie viele Häuser bisher zerstört wurden, und wie hoch der Schaden in Viehzucht und Landwirtschaft ist, kann noch keiner genau sagen. „Aktionen dieser Art stellen eine ernste Gefahr für das Leben der Beteiligten und der beteiligten Einsatzkräfte dar. Die Öffentlichkeit wird gebeten, den Anweisungen der Sicherheits- und Notfallteams strikt Folge zu leisten“, fordert die Guardia Civil die Bevölkerung auf, die Selbsthilfe zu unterlassen.

„Die Waldbewirtschaftung zur Brandverhütung muss an die spezifischen Merkmale und Bedürfnisse der einzelnen Regionen angepasst werden“, mahnt die Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción.

In Spanien sind mehr als 55 Prozent Fläche bewaldet oder Buschland. Diese Flächen wachsen langsam, aber stetig. Der Grund ist die Landflucht und damit die Aufgabe der Landwirtschaft und Viehzucht. „In Gebieten rund um Ballungszentren kann eine intensivere Bewirtschaftung erforderlich sein, um die Biomasse zu reduzieren, den Zugang zu erleichtern und so die Löschkapazität zu erhöhen“, resümiert die Umweltschutzorganisation.

Doch eine solche vorausschauende Forstwirtschaft kostet viel Geld. Nur wenige Regionen unterhalten ganzjährig spezialisierte Einsatzkräfte, die die Waldbestände hüten und vom leicht entzündbaren Unterholz säubern.

Die Gewerkschaften beklagen Personalmangel, lange Arbeitstage und unzureichende Ausbildung der Feuerwehrleute in vielen Regionen. In der von der konservativen Partido Popular mithilfe der rechtsextremen VOX regierten Autonomen Gemeinschaft Kastilien und León wurde sogar das Personal vieler Wachtürme durch ein Kamerasystem ersetzt, das die Feuer oft viel zu spät meldet.

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