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Sozialpolitik-Expertin über Familienpolitik„Das ist eine Mogelpackung“

Die Familienpolitik von Ministerin Schröder kommt bei Armen nicht an, sagt Expertin Barbara König. Im Gegenteil: Die, die schon viel Geld haben, bekommen noch mehr.

Durchblick verstellt: Ministerin Schröder Bild: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Frau König, nach der Evaluation der familienpolitischen Leistungen durch ihr Ministerium zieht Familienministerin Kristina Schröder den Schluss, Familienpolitik hierzulande sei erfolgreich. Hat sie recht?

Barbara König: Nein. Die monetären Leistungen sind komplett ungerecht. Die, die wenig haben und staatliche Zuwendungen brauchen, bekommen sie nicht. Die, die viel haben, bekommen noch mehr. Das zeigt allein das Kindergeld …

Das laut der Ministerin Kinder vor Armut schützt.

Eben nicht. Es wird auf Hartz IV angerechnet, arme Kinder bekommen faktisch nichts. Normalverdienende erhalten 184 Euro pro Kind und Gutverdienende noch einmal 100 Euro drauf.

Das will die Union im Falle eines Wahlsieges ändern – mit einem Familiensplitting. Das soll Kindergeld, Ehegattensplitting und Steuerfreibetrag zusammenfassen.

Das ist eine Mogelpackung und wird bedürftige Kinder nicht aus der Armut holen. Vor allem höhere Freibeträge wirken nur bei oberen Einkommen positiv. Wenn die Bundesregierung diese jetzt erhöht, bliebe die soziale Schieflage hier so, wie sie jetzt ist. Der einzige Effekt wäre, dass auch homosexuelle und unverheiratete Paare davon profitieren.

privat
Im Interview: Barbara König

, 43, ist Politologin und Geschäftsführerin des Zukunftsforums Familie in Berlin, einem 2002 auf Initiative der Arbeiterwohlfahrt gegründeten Lobbyverband.

Schröders Credo ist „Wahlfreiheit“. Gibt es noch ein familienpolitisches Leitbild?

Die Familienministerin hat offensichtlich keins. Das zeigen ihre widersprüchlichen Maßnahmen. Einerseits fordert sie den Kita-Ausbau, andererseits führt sie das Betreuungsgeld für Mütter zu Hause ein. Die Gesellschaft ist hier weiter als die Bundesregierung, die befürwortet einen erweiterten Familienbegriff.

Wie sieht der aus?

Weg von der traditionellen Ehe, hin zum unterschiedlichen Zusammenleben mit Kindern und Älteren. Das sollte sich rechtlich und bei den familienpolitischen Leistungen niederschlagen.

Muss Familienpolitik für mehr Kinder sorgen?

Nein, das nicht. Die Politik würde sich daran verheben, wenn sie versuchen würde, private Entscheidungen zu steuern.

Dann hat Kristina Schröder also recht, wenn sie sagt, der Staat habe sich aus den Familien rauszuhalten.

Das nun auch wieder nicht. Der Staat sollte sich um die Kinder kümmern, die da sind. Finanziell, beispielsweise mit einer Kindergrundsicherung, wie wir sie fordern. Immateriell mit genügend Kitaplätzen und guter Bildung.

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3 Kommentare

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  • R
    Rosebrock

    Es ist ein dramatischer Fehler und Ungerechtigkeit, Menschen mit Hartz 4-Unterstützung sowohl Kindergeld als auch Elterngeld als "Einkommen" anzurechen. Jede Kindergelderhöhung wird so bei H 4 gespart. H 4 beträgt die Differenz zwischen Kindergeld (184 Euro) und Kinder-H-4 (224 Euro). Es gibt also 40 Euro H 4.

    Bekommt ein Elternteil Unterhalt für das Kind, geht alles über 40 Euro dem Erziehenden als "Einkommen" zugerechnet! Bei mehreren Kindern kommt dann schnell ein Betrag über dem H 4-Satz (374 Euro) heraus - und das Elternteil muss sehen, wie es seine Familie durchbringt. Darum geht es Alleinerziehenden - und damit auch den Kindern - so schlecht!

    Darum werden immer mehr Kinder vom Jugendamt aus ihren Familien genommen - und damit ihrer Wurzeln beraubt!

  • K
    Känguru

    Ich weiß einen guten Trick, wie man verhindern kann, dass die Gutverdienenden beim Freibetrag mehr "sparen" als Normalverdiener: Man muss ihr Einkommen mit dem gleichen niedrigen Steuersatz besteuern. Gut? Bloß nicht bei mehr Einkommen höher besteuern, das ist dann ungerecht, denn dann gibts ja bei gleicher Bezugsgröße (Freibetrag) mehr zurück. Das ist Rechenkunst 3.Klasse Grundschule, wie Experten wissen.

    Ich hingegen weiß nicht, aufgrund welcher Regelung die Besserverdienenden zu den 184 € Kindergeld noch mal eben 100€ drauf bekommen. Leider wird das von Experten nur behauptet und nicht begründet oder erklärt.

    Naja, und so geht das weiter. Zum Glück gibt es Experten, dann braucht man selbst als mündiger Demokrat nicht mehr so genau nachzudenken.

  • A
    anke

    Mogelpackung? Das ist mal wieder typisch Untertan! Erst nicht richtig hinsehen, zuhören und nachdenken, und dann behaupten, man sei betrogen worden!

     

    Natürlich hat Christina Schröder ein "Leitbild". Ein sehr konkretes sogar. Die Union ist bloß in ihrem weiblichen Teil nicht mehr so homogen, wie sie mal war. Schröder jedenfalls ist Familienministerin von Unionsgnaden. Und wann hat die Union schon jemals was anderes behauptet, als dass sie konservativ ist? Konservieren aber, das weiß sogar die schwäbische Hausfrau ohne Latinum, heißt erhalten oder bewahren. Und wie bewahrt oder erhält man eine tradierte Ungerechtigkeit (man kann auch "soziale Schieflage" sagen) am sichersten? In dem man möglichst viele Menschen zu Mittätern macht.

     

    Die Union lässt längst nicht alle Frauen und alle Homosexuellen profitieren von den höheren Freibeträgen oder den übrigen Segnungen ihrer Politik. Sie teilt nur mit denen, die schon reichlich haben. Sei es, weil sie nicht enterbt wurden, sei es, weil sie selber aktiv beteiligt sind an der Umverteilung von unten nach oben. (Die "Wahlfreiheit", zum Ausbeuter... - äh: Leistungsträger zu werden, hat man ja jetzt immerhin auch als Homo.) Frauen und Homosexuelle, die Hartz IV beziehen, bleiben außen vor. Genau wie früher.

     

    Noch fürchtet sich die deutsche Gesellschaft nicht wahlentscheidend davor, dass alles bleibt, wie es gerade ist bzw. war. Die Sparkonten sind voll und die Nachlassverwalter haben gut zu tun. Noch also geht es für die meisten Leute ums Bewahren dessen, was sie schon zusammengerafft haben. Deswegen wird auch in diesem Herbst voraussichtlich wieder Union gewählt. Darauf, schließlich, dass die SPD tatsächlich lügt, wenn sie uns ihre Liebe zu den "sozial Schwachen" gesteht, ist womöglich kein Verlass. ('Die reden viel, die Sozen, wenn der Tag lang ist.') Bloß wo man das, was man nachher womöglich umverteilt, hernehmen wird, das wissen sie schon jetzt. Zum Vollbild des klinischen Konservativismus gehört die Zukunftsangst nun mal dazu.