Sozialleistung und Datenschutz: Die Kosten des Bürokratieabbaus

Für Kindergrundsicherung und Klimageld sollen Daten neu verschaltet werden. Der Staat gewinnt so immer mehr Infos über die Bürger:innen.

Dicke Aktenordner hängen nebeneinander

Akten waren gestern- davon träumen die Sozialbehörden Foto: Swen Pförtner/dpa

BERLIN taz | Es ist ein alter Traum im Sozialstaat: Die „unbürokratische“ Gewährung von Sozialleistungen, bei denen Geld fließt, auch ohne komplizierte Anträge. „Einfach, unbürokratisch und bürgernah“ soll die neue Leistung sein, heißt es in den Eckpunkten aus dem Familienministerium zur geplanten Kindergrundsicherung. Nur: wie genau kann das funktionieren? Schließlich soll die künftige Kindergrundsicherung die Leistungen des Kindergeldes, des Kinderzuschlages und des Bürgergeldes „bündeln“, so heißt es in den Eckpunkten.

Für eine möglichst einfache Berechnung der Leistungen sei ein Verfahren denkbar, bei dem bei der Familienkasse die Einkommensquellen gemeldet werden, nicht aber mehr die konkreten Verdienste und Beträge, sagt Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne), Berichterstatter zur Kindergrundsicherung im Finanzausschuss des Bundestages.

Der oder die An­trags­stel­le­r:in müsse der Familienkasse lediglich ausdrücklich gestatten, Daten zur konkreten Einkommenssituation abzufragen, etwa beim Finanzamt, bei der Deutschen Rentenversicherung und gegebenenfalls bei der Bundesagentur für Arbeit, so der grüne Sozialexperte zur taz. Die genaueren Daten würden unter den Behörden automatisch ausgetauscht. Die Familienkasse ist bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelt.

„Das Verfahren zur Berechnung und Auszahlung der Kindergrundsicherung könnte ein Modell werden auch für die Gewährung anderer Sozialleistungen“ sagt Strengmann-Kuhn.

Entlastung nur bei Datenfreigabe

In der Praxis bedeutet dies, dass Bür­ge­r:in­nen bei den digitalen Anträgen für Sozialleistungen entlastet werden können, wenn sie den Behörden die automatische Erhebung und den Austausch ihrer persönlichen Daten in bisher noch nicht dagewesenem Umfang erlauben. Beispielsweise würden dann die Finanzämter an die Sozialbehörden die konkreten Arbeitseinkommen melden.

An den Berechnungen für den Kinderzuschlag für erwerbstätige, aber arme Eltern wären die Finanzämter, gegebenenfalls die Bundesagentur für Arbeit, die Wohngeldämter und Unterhaltsvorschusskassen beteiligt.

Schon bei einer anderen Sozialleistung, der Ergänzung von kleinen Renten durch die „Grundrente“ des Bundesarbeitsministeriums, hat eine Sozialbehörde erstmals mit den Finanzämtern direkt kooperiert. Die Deutsche Rentenversicherung fragte für die Ru­he­ständ­le­r:in­nen die Daten von den Finanzämtern ab, um mögliche Partner- und Kapitaleinkommen zu prüfen, die den Anspruch auf Grundrente zunichte machen können.

Der Vorteil dieses automatischen Datenabgleichs liegt darin, dass Ansprüche automatisch geprüft werden können, auch ohne Antrag. Damit verfügt die Deutsche Rentenversicherung aber auch über Einkommensprofile von Rentner:innen.

Kontodaten für Direktzahlungen

Der Trend zum Datenabgleich soll demnächst auch Kontodaten umfassen. Das Jahressteuergesetz 2022 sieht im Artikel 18 Nummer 6 vor, dass die Banken künftig „geeignete Verfahren“ entwickeln sollen, durch die Kon­to­in­ha­be­r:in­nen ihre Kontonummer, die IBAN, an das Bundeszentralamt für Steuern übermitteln lassen können. Private Kontodaten werden dadurch mit der Steueridentifikationsnummer zusammengeführt.

Diese „Zuspeicherung“ solle geschaffen werden, um „künftig unbare Auszahlungen öffentlicher Mittel in einem Massenverfahren unbürokratisch vornehmen zu können“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Union. Das heißt, die Zuspeicherung muss von den Kon­to­in­ha­be­r:in­nen zwar selbst genehmigt werden, ist aber dann eine Voraussetzung, um etwa staatliche Hilfen zu bekommen.

Man setze darauf, dass diejenigen, die öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen wollen, ihre Kontoverbindungen an das Bundeszentralamt für Steuern übermitteln lassen würden, heißt es in der Antwort.

In der Debatte um die Energiehilfen im Jahre 2022 war nämlich aufgefallen, dass die Bundesregierung gar nicht über genügend Kontodaten verfügt, um schnelle und direkte Hilfszahlungen auf die Konten aller Bür­ge­r:in­nen zu leisten. Diese Möglichkeit könnte auch bei einem künftigen „Klimageld“ wichtig werden, wie es im Koalitionsvertrag angekündigt wird.

Für die Zukunft müssten „die technischen Voraussetzungen für sozial differenzierte Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden“, hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erklärt. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte jedoch kürzlich der Süddeutschen Zeitung, eine konkrete Aussage, bis wann das Direktzahlungsprojekt umgesetzt sein könnte, sei „zur Zeit noch nicht möglich“.

Bisher existieren verschiedene Systeme nebeneinander, was auch Gerechtigkeitsfragen berührt. Die Energiepreispauschale etwa bekamen Rent­ne­r:in­nen mit Nebenjob doppelt bezahlt. Einmal lief die Auszahlung über die Rentenkasse, das zweite Mal über den Arbeitgeber. Die Union hatte das kritisiert.

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