Sozialgerichtsurteile zu Hartz IV: Ein Computer für die Schule ist drin
Jobcenter müssen die Kosten für einen Computer und eine Brillenreparatur übernehmen. Das Prinzip „Ansparen“ funktioniert nicht.
Tacheles-Berater Harald Thomé bezeichnete das Urteil für die Computeranschaffung als „absolut wichtig“. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hatte vor einigen Jahren die Übernahme der Anschaffungskosten für Computer für Hartz-IV-Empfänger abgelehnt.
In Cottbus kam das Sozialgericht zu dem Schluss, bei dem internetfähigen PC für die Schülerin handele es sich um einen „Mehrbedarf“, der „unabweisbar“ sei, weil er nicht aus dem Regelsatz gedeckt werden könne. Ein Computer im Wert von 350 Euro falle nicht unter einen durchschnittlichen persönlichen Schulbedarf, der schon durch das Bildungspaket für SchülerInnen im Hartz-IV-Bezug berücksichtigt werde.
Hausaufgaben nur via Internet möglich
Im genannten Fall führte die Mutter aus, dass das Gymnasium in Cottbus die Hausaufgaben für die Schüler ins Internet stellte. Die Schüler müssten die Aufgaben aus dem Internet herunterladen, erledigen und das Ergebnis wieder auf die Seiten der Schule hochladen. Hausaufgaben, die nicht rechtzeitig auf die Seiten der Schule hochgeladen werden, würden mit null Punkten bewertet, hatte die Klägerin erklärt.
Das Gericht urteilte, die Mutter habe überzeugend dargelegt, dass ihrer Tochter am Gymnasium mit seinen speziellen Anforderungen an die Schüler „eine erfolgreiche Ausschöpfung ihrer Potenziale“ nur durch die „ständige Verfügbarkeit eines internetfähigen Computers“ möglich sei.
Das Gericht bezog sich dabei auf das Bundesverfassungsgericht, das vor einigen Jahren ausdrücklich darauf hinwies, dass notwendige Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zum existenziellen Bedarf von Kindern gehören. Das Urteil (Az.: S 42 AS1914/13) erging schon im Oktober, die Begründung wurde erst kürzlich dem Rechtsanwalt zugestellt.
Bisher sind im monatlichen Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger geringe Beträge eingerechnet, um damit etwa die Anschaffungen oder Reparaturen von Computern und Handys, Waschmaschinen und Brillen anzusparen oder abzuzahlen. Dass dieses „Ansparmodell“ unrealistisch ist, wird von Wohlfahrtsverbänden, den Grünen und der Linkspartei schon lange gerügt.
Sechs Jahre auf einen Computer sparen
Die im Regelsatz enthaltenen Kleinstpauschalen zum Ansparen für notwendige größere Anschaffungen seien eine „Farce“ sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, am Montag. Im genannten Fall hätten Mutter und Tochter gemeinsam rund sechs Jahre lang auf den für die Schule dringend benötigten Computer sparen müssen.
Im Regelsatz seien gerade mal 2,52 Euro monatlich für Computer vorgesehen. „Wer Mangel hat, kann überhaupt nichts sparen“, so Schneider. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Strengmann-Kuhn, erklärte, Computer zu Lernzwecken müssten genauso wie Brillen und größere Haushaltsgeräte wieder als einmalige Leistungen von den Jobcentern finanziert werden, unabhängig vom Regelsatz.
Wie schwer sich die Rechtsprechung mit den besonderen Bedarfen tut, zeigen zwei weitere Urteile, auf die der Verein Tacheles hinwies. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen verurteilte ein Jobcenter in Oldenburg dazu, einem Empfänger die Reparatur seiner Brille in Höhe von 66 Euro zu bezahlen, weil es sich um die Reparatur eines „therapeutischen Geräts“ handele und diese Reparatur nicht im Regelsatz eingerechnet sei. Die Anschaffung einer Brille aber sei bereits im Regelsatz enthalten, so das Gericht. (Az.: L 13 AS 92/15).
Auch den Unkostenbeitrag für die Teilnahme an einer Abiturfeier mit Zeugnisüberreichung in Höhe von 100 Euro müsse das Jobcenter übernehmen, urteilte das Sozialgericht für das Saarland. Das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen könne Jugendliche nachhaltig prägen und negativ beeinflussen. Im genannten Fall hatten Schüler eine aufwendige Abiturfeier organisiert und einen hohen Unkostenbeitrag verlangt. (Az.: S 12 AS 421/14)
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