Sozialer Wohnungsbau in Hamburg: Miese Bilanz und miese Aussichten
Der soziale Wohnungsbau in Hamburg liegt brach. Steigende Baukosten, der Mangel an Grundstücken und fehlende Bundesförderung verschärfen die Probleme.
Die 19 zeigt zwar ein verzerrtes Bild, wie die Stadtentwicklungsbehörde betont. Die Zahl wirft jedoch ein Schlaglicht darauf, dass der rot-grüne Hamburger Senat sein selbst gesetztes Ziel von einem Drittel Sozialwohnungen im Neubau in den vergangenen zehn Jahren fast immer verfehlt hat. Und die Aufgabe wird eher schwieriger als einfacher.
Angesichts des erwarteten Zuzugs und hoher Mieten strebt der Senat den Neubau von 10.000 Wohnungen pro Jahr an. Ein Drittel davon sollen Eigentumswohnungen sein, ein Drittel frei finanzierte Mietwohnungen und ein Drittel geförderte Mietwohnungen in zwei Preisstufen für arme und für gering verdienende Mieter.
Hamburg hat mit dem Programm Furore gemacht, obwohl es von 2011 bis 2021 das grobe Ziel nur dreimal erreicht hat. Einen Sozialwohnungsanteil von mehr als 30 Prozent hat der Senat dabei zweimal erreicht. Im vergangenen Jahr brach eine jahrelange Aufwärtsentwicklung ab. Von 7.500 fertiggestellten Wohnungen waren nur 1.900 Sozialwohnungen. Dabei stehen den derzeit insgesamt 80.000 Sozialwohnungen mehr als 420.000 Haushalte gegenüber, die eine Sozialwohnung beanspruchen dürften.
Was den Einbruch bei den Baugenehmigungen im laufenden Jahr angeht, bittet Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) darum, das Jahresende abzuwarten. Wegen der vielen notwendigen Schritte von der Planung über die Beantragung und Prüfung bei der Investitions- und Förderbank (IFB) sowie der Abstimmung zwischen der IFB und den Bauherren würden die meisten Projekte immer erst im vierten Quartal eines Kalenderjahres bewilligt. „An dieser Zahl kann unsere Arbeit gemessen werden, nicht an dem Halbjahresbericht zum Haushalt“, sagt die Senatorin.
Stapelfeldt gibt allerdings zu bedenken, dass die Rahmenbedingungen des Wohnungsbaus derzeit schwierig seien: Gestörte Lieferketten, mangelnde Rohstoffe, verdreifachte Zinsen, das Hin und Her bei den Förderbedingungen des Bundes und die gestiegenen Baukosten machten Bauherren das Leben schwer. „Um so wichtiger ist es festzuhalten, dass die Hamburger Wohnungsbauförderung kontinuierlich an die Baukosten-Entwicklung angepasst wird“, sagt die SPD-Politikerin. Allein für 2022 hat der Senat die Wohnraumförderung deshalb um zwölf Prozent erhöht.
Wie schwer es ist, den Wohnungsmarkt hinterher zu fördern, illustriert Andreas Breitner, Direktor des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der vor allem Genossenschaften und öffentliche Unternehmen vertritt: „Wer heute in Hamburg mit einem Wohnungsbauprojekt startet, muss mit Erstellungskosten rechnen, die eine Miete von 18 Euro und mehr pro Quadratmeter notwendig machen“, sagt Breitner.
Für Sozialwohnungen im ersten Förderweg darf aber nur eine Netto-Kaltmiete von 6,90 Euro pro Quadratmeter verlangt werden. Die Differenz muss also durch staatliche Förderung ausgeglichen werden – und zwar über die gesamten 30 Jahre, in denen die Mietpreis- und Belegungsbindung gilt. „Das kostet viel Geld, das über lange Zeiträume durch die öffentliche Hand – also durch den Steuerzahler – aufgebracht werden muss“, sagt Breitner.
Doch selbst die gut 300 Millionen Euro, die die Stadt in diesem Jahr für soziale Wohnraumförderung ausgibt, könne den Kostenauftrieb beim Wohnungsbau und die weggefallenen Fördermittel des Bundes nicht vollständig kompensieren – das Bundeswirtschaftsministerium ordnet die Förderung für energiesparende Gebäude gerade neu. „In vielen Fällen ist es heute nur über den in Hamburg erfolgreich etablierten Drittel-Mix überhaupt noch möglich, öffentlich geförderte Wohnungen zu errichten, da diese zusätzlich zur öffentlichen Förderung aus den anderen beiden Segmenten quersubventioniert werden müssen“, sagt Breitner.
Diskussion über Erbbaurecht
Ein Hindernis sieht der Verbandsdirektor darin, dass die Stadt öffentliche Baugrundstücke nur noch im Wege des Erbbaurechts vergibt. Vor allem Genossenschaften schrecke das vom Neubau auf städtischen Grundstücken ab. „Das Argument, beim Erbbaurecht müsse die Genossenschaft das Grundstück nicht bezahlen, stimmt so leider nicht“, sagt Breitner.
Denn mit dem Erbbauzins zahle eine Genossenschaft jahrzehntelang, ohne dass ihr das Grundstück am Ende gehöre. „Es gibt keinen Grund, Wohnungsgenossenschaften, die in der Hansestadt seit mehr als 120 Jahren ihre Gemeinnützigkeit unter Beweis stellen, in einen Topf mit Bodenspekulanten zu werfen“, sagt Breitner.
Die Linken-Abgeordnete Sudmann findet dagegen, es komme darauf an, wie das Erbbaurecht ausgestaltet werde, so dass es günstig und attraktiv sei. „Der Senat muss nach allen Wegen suchen, Wohnungen billiger zu machen“, fordert sie.
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