Soziale Spaltung in Göttingen: Reich zu reich gesellt sich gern
Göttinger Studie macht Immobilien-Spekulation für die Segregation verantwortlich. In der Folge setzten Vermieter Mietpreissteigerungen durch.
In den Sozialwissenschaften beschreibt Segregation die räumliche Trennung von bestimmten Bevölkerungsgruppen. Das ist grundsätzlich nichts Neues, doch in Göttingen hat die Segregation in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen, wie Mießner und Klinge ermittelt haben. In den begehrten Wohnlagen der 130.000-Einwohner-Stadt stiegen die Immobilienpreise in diesem Zeitraum inflationsbereinigt um mehr als zehn Prozent.
Ursächlich für diesen Preisanstieg ist, dass Immobilien im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise vermehrt als profitable und sichere Anlage genutzt werden. „In Deutschland hat die Entwicklung zunächst die Immobilienmärkte der Metropolen und Großstädte erfasst, weil diese als besonders profitträchtige Anlagemärkte galten“, sagt Mießner.
Mittlerweile seien die Renditen in diesen Immobilienmärkten zum Teil jedoch gesunken, weshalb zunehmend Universitätsstädte und Regionalzentren wie Göttingen in den Fokus der Anleger rückten. Aufgrund des „Anlagedrucks“ steige denn auch dort die Konkurrenz um Immobilien und bebaubare Grundstücke.
Hamburg ist das teuerste Pflaster im Norden. Es folgen Göttingen, Hannover und Bremen.
Die Durchschnitts-Miete in Hamburg betrug im Januar 12,31 Euro pro Quadratmeter, Häuser und Wohnungen kosten dort derzeit 4.190 Euro pro Quadratmeter.
In Göttingen liegt die Durchschnitts-Miete bei 10,19 Euro, für Immobilien müssen 1.684 Euro auf den Tisch gelegt werden.
Am Ende der Statistik rangieren unter anderem Bremerhaven und Salzgitter. Hier kostet eine Wohnung knapp über fünf Euro, beim Kauf liegt der Quadratmeterpreis unter 1.000 Euro.
In seiner kürzlich am Geografischen Institut eingereichten Bachelorarbeit zeigt Klinge weiter auf, dass in den Stadtteilen und sogar in einzelnen Straßenzügen, in denen die Bodenpreise in den vergangenen Jahren gestiegen sind, die Zahl der Sozialleistungsempfänger zurückging. In Vierteln mit vergleichsweise geringen Bodenpreisen, wie der Göttinger Weststadt und dem Ortsteil Grone, nahm der Anteil der Sozialleistungsempfänger hingegen zu.
Genau entgegengesetzt verhält es sich mit der Bevölkerung mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von mehr als 3.600 Euro netto. Diese konzentriert sich immer stärker in den Stadtteilen und Bezirken mit hohen Preisen für den Quadratmeter Boden.
Dabei herrscht Mießner zufolge in Göttingen eigentlich keine Wohnungsnot – wohl aber werde bezahlbarer Wohnraum immer knapper. Die Mietpreise in Göttingen sind die höchsten in ganz Niedersachsen. Das liege aber nicht vorrangig an einem Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum, so Mießner.
Vielmehr seien Vermieter „willens und in der Lage, Mietpreissteigerungen im unteren Mietpreissegment durchzusetzen“. Dies gelinge unter anderem durch das Ausnutzen der vergleichsweise hohen Fluktuation von Studierenden. Es komme deshalb zu einer Verknappung im günstigen Mietpreissegment.
Die Stadtpolitik habe diesen Entwicklungen nichts entgegengesetzt, kritisiert Mießner. Dass der soziale Wohnungsbau in Göttingen zuletzt vernachlässigt wurde, hatte kürzlich auch Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) eingeräumt.
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