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Soziale Medien gegen den US-PräsidentenFacebook-Daumen runter für Trump

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Lange zögerte das Unternehmen, die Lügen des US-Präsidenten auf der Plattform zu blockieren. Demokratische Grundwerte sind keine Selbstverständlichkeit mehr.

Trump-Anhänger:innen nehmen an der Kundgebung am Mittwoch, 6. Januar 2021 teil Foto: John Minchillo/ap

A us Tweets und Posts werden Taten. Zu dieser simplen Erkenntnis ist nun auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg gelangt und hat die Konten eines seiner besten Kunden gesperrt: des noch-US-Präsidenten Donald Trump. Mindestens bis zum Ende seiner Amtszeit am 20. Januar gilt die Sperre.

In einem fast staatsmännisch klingenden Post äußerte sich Zuckerberg auf seiner Plattform am Donnerstag Abend. Die Bilder der Ereignisse in Washington seien schockierend gewesen, Trumps Äußerungen, die sich an seine Anhänger:innen richteten, hätten Menschen in den USA und weltweit verstört. Die Risiken, Trump die Nutzung der Dienste während der Zeit bis zum Ende seiner Präsidentschaft und zur Amtsübergabe an Joe Biden zu erlauben, seien einfach „zu hoch“. Die Sperre gilt für Facebook und Instagram, das zu Zuckerbergs Konzern gehört.

Spät, sehr spät hat sich Zuckerberg zu diesem Schritt entschlossen. Denn es ist wahrlich nicht das erste Mal, dass undemokratische, höchst fragliche Trump-Botschaften über das Facebook-Konto laufen. Mehr als 35 Millionen User:innen haben Trump auf Facebook abonniert. Alles Kundschaft, die im Geschäftsmodell Facebook eine wichtige Rolle spielt für Produktwerbung, für Marketing, für die Datenanalyse. Offenbar war der Schaden, den die digitale Zusammenrottung etlicher Anhänger:innen mit dem Potenzial zur Radikalisierung mit sich bringt, eingepreist. Der Sturm auf das Kapitol war keinesfalls eine spontane Aktion, sondern auch in FB-Gruppen vorbereitet worden.

Demokratische Werte nicht selbstverständlich

Bei fragwürdigen Posts des US-Präsidenten hatte sich Zuckerberg stets auf die Meinungsfreiheit bezogen, auf das Recht, auch kontroverse Positionen zu veröffentlichen. Und sich offenbar auf die Hoffnung gestützt, dass politische Führungspersonen vom Kaliber eines US-Präsidenten sich auf demokratische Werte beziehen und die Verfassung respektieren. Diese Selbstverständlichkeit gibt es allerspätestens seit Mittwoch nicht mehr. Eigentlich während der gesamten Trump-Ära nicht.

Twitter ist seit geraumer Zeit ein klein wenig rebellischer, obwohl Twitter der absolute Lieblingskanal Trumps ist. Er ist ohne Frage ein Meister der Kurznachrichten. „CHINA!!!“ oder „STOP THE STEAL!“ – mit solchen Posts irritierte er viele und begeisterte den Rest. Kurze, einfache Parolen, gerichtet an die breite Masse. Trump hat von Anfang an begriffen, wie auf den Sozialen Medien Reichweite zu erreichen ist. Mehr als 88 Millionen Follower hat sein Twitter-Konto.

Nach der US-Präsidentschaftswahl im November vergangenen Jahres wurden mehrere Tweets von Trump, die einen angeblichen Wahlbetrug adressierten, mit Warnhinweisen versehen oder gar gelöscht. In der Chaos-Nacht von Washington sperrte Twitter Trump für 12 Stunden. Kaum war die Frist abgelaufen, veröffentlichte der amtierende Präsident ein Video, in dem er die Gewalt am Kapitol verurteilte, aber auch betonte: „Unsere unglaubliche Reise hat gerade erst begonnen.“

Facebook und Twitter haben Trump groß gemacht, Trump hat Facebook und Twitter groß gemacht.

Digitale Gewalt wurde zur analogen Gewalt

Doch nun kamen aus den Weiten der virtuellen Welt Verschwörer:innen, Nazis, Evangelikale, Trump-Anhänger:innen aller Art, an einen Ort der realen Welt: das Kapitol in Washington. Digitale Gewalt wurde zur analogen Gewalt. Die Tech-Konzerne müssen in die Verantwortung genommen werden, solche Szenarien zu verhindern. Sie müssen ran an die Konten der Aufrührer:innen und somit deren Reichweite blockieren. Denn: Sonst sind sie mitverantwortlich für die Radikalisierung im Netz und für die Ausbrüche im echten Leben.

Zugleich schleicht sich das ungute Gefühl der Zensur ein. Auch kontroverse Debatten müssen auf den digitalen Plattformen möglich sein. Gegen scharfe Auflagen – wie Trump es auch versucht hat – haben die privaten Tech-Unternehmen zu Recht protestiert.

Wenn auch der Sturm auf das Kapitol nicht zu vergleichen ist mit den derzeitigen Aktionen von Querdenker-Aktivist:innen in Deutschland, Analogien gibt es bei den Gruppen. Wie die Trump-Anhänger:innen finden, versammeln und radikalisieren sie sich im Netz. Diese Macht sollte auch hier nicht unterschätzt, sondern bekämpft werden. Irritierend ist, dass das Gesetz zum Kampf gegen Hasskriminialität im Netz nach wie vor nicht in Kraft getreten ist.

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Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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4 Kommentare

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  • "Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen" - so wird auch die Zensur nur vorübergehend helfen, Schaden zu begrenzen. Lösungsansätze sind bekannt und werden seit langem gefordert, aber nicht stark genug gefördert. So bleibt jede Generation aufs Neue die Hoffnung, es möge sich eine kritische Masse finden, die entscheidende Veränderungen bewirken kann.

    • @dumbid:

      Es ist leider tatsächlich zu erwarten, dass diese Notlösung nicht dauerhaft helfen wird. Und genau deswegen ist es falsch, das Hausrecht privater Unternehmer, und seien sie auch noch so mächtig, zum Ersatz für einen funktionierenden Rechtsstaat machen zu wollen: Damit wird mehr zerstört als gewonnen für die Demokratie.

      Tanja Tricarico, scheint mir, hat recht: Demokratische Grundwerte sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Das gilt allerdings nicht nur für die äußere Form und das Verhalten von Präsidenten. Es gilt genau so für deren Kritiker. Die Grenzen individueller Freiheitsrechte beispielsweise sollten in einem demokratischen Rechtsstaat durch auf demokratischem Weg entstandene Gesetze bestimmt werden, nicht durch Bauchgefühle und schon gar nicht durch moralische Erwägungen nicht legitimierter Einzelner. Ob die Grenzen überschritten wurden, haben Gerichte zu klären. Falls ja, ist die Polizei zuständig.

      Es war ihr Bauchgefühl und ihr (woraus auch immer resultierendes) moralisches Empfinden, das Trumps Anhänger das Kapitol hat angreifen lassen, kein missachtetes Gerichtsurteil und auch kein gebrochenes Gesetz. Wer sich nicht gemein machen will mit Trumps Anhängern, der sollte also vielleicht nicht nach einem Machtwort von Marc Zuckerberg rufen oder ihn bejubeln für seine „Selbstjustiz“. Er sollte lieber laut und deutlich fragen, wieso der Rechtsstaat im Fall Trump offenbar kläglich versagt hat und wie eine Wiederholung so einer Panne künftig vermieden werden kann. Kein Rechtsstaat ist schließlich auch keine Lösung.

      Private Unternehmer wie Zuckerberg sind schon mächtig genug, nicht nur in den USA. Sie sollten nicht auch noch Legislative, Judikative und Exekutive in Personalunion spielen. Schon gar nicht ohne vorheriges Gerichtsverfahren. Die Meinungsfreiheit ist schließlich nicht nur für den wichtig, der sie wahrnimmt, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt. Ohne freie Rede keine Zukunft. Wer je in der DDR gelebt hat, sollte das aus Erfahrung wissen.

      • @mowgli:

        Lügen, verfälschte Tatsachen, Aufrufe zu Verbrechen, Verleumdungen und Verunglimpfungen sind und sollten nicht mit dem Totschlagargument Meinungsfreiheit gerechtfertigt und geduldet werden.

    • @dumbid:

      Es geht hier nicht um "Zensur", sondern um die Haftung eines Herstellers für sein Produkt, die in einer zivilisierten und demokratischen Gesellschaft eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

      "Zenmsur" wäre, wenn eine Regierungsbehörde diese Kontrolle übernehmen würde.

      Oder finden Sie, ein privater Fernseh- oder Radiosender sollte einen Offenen Kanal einrichten dürfen, auf dem regelmäßig Aufrufe zum Staatsstreich verkündet werden?

      Denn bloß weil Sozialmedien sich als basisdemokratische Plattform vermarkten, heißt das nicht, dass sie es sind. Es sind profitorientierte Unternehmen, die ein Produkt verkaufen, dessen Nutzung die Nutzer*Innen mit ihren personenbezogenen Daten vergüten, und wenn ein Produkt regelmäßig in einer Weise genutzt wird, durch die Menschen, materielle oder immaterielle Güter zu Schaden kommen, dann obliegt es dem Hersteller dieses Produkts, das abzustellen. Das ist ein Konsens, mit dem die Welt seit Upton Sinclairs "The Jungle" sehr gut gefahren ist, und es gibt keinen guten Grund, daran etwas zu ändern.

      Wenn Sie beim Einkaufen demnächst mal wieder so einen Rückruf-Aushang am Kühlregal sehen, dann nehmen Sie sich doch einfach mal ein paar Minuten Zeit, den Kram durchzulesen, und nachzudenken, wie es kommt, dass Sie Produkthaftung mit Zensur verwechseln. Diese Idee ist nämlich sicher nicht auf Ihrem eigenen Mist gewachsen, sondern Ihnen von außen eingeflüstert worden, und dahinter stehen konkrete ökonomische Interessen und eine bestimmte Vorstellung, wie das Verhältnis von Wirtschaft, Konsument*innen und Staat aussehen sollte.

      Und dann fragen Sie sich bitte, ob sie in einer Welt leben wollen, in der jeder mit ausreichend Kapital realen oder metaphorischen Babybrei mit Glassplittern oder giftigem Schimmelpilz drin verticken darf, wie es ihm beliebt.