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Sozialarbeit Fehlanzeige

■ Asyl- und Ausländergruppen kritisieren: Die jährlich rund 300 Gefangenen im Abschiebegewahrsam brauchen mehr Betreuung

Die Mängelliste, die Flüchtlings- und Ausländerorganisationen über den Bremer Abschiebegewahrsam führen, ist lang. Ganz oben steht „zuwenig qualifizierte Betreuung der Häftlinge“. „Eine Teilzeit-BSHG-19 Stelle deckt den Bedarf an Beratung der Häftlinge wirklich nicht“, sagt Ghislaine Valter von der Asylgruppe Ostertor.

Und auch der Sprecher des Dachverbands für Ausländer- und Kulturvereine (DAB), Norbert Breeger, stimmt ihr zu. Beim DAB ist zwar der Mann beschäftigt, der im Abschiebeknast regelmäßig das wöchentliche Taschengeld (12,92 Mark) ausgibt und für Inhaftierte einkauft. Dennoch steht man dort der jeweils auf ein Jahr befristeten Knastbetreuung kritisch gegenüber. „Die Sozialarbeit im Abschiebeknast ist eine Regelaufgabe“, sagt Breeger.

Der DAB sei hier für die Sozialbehörde eingesprungen, aber im Juni laufe die Stelle des jetzigen Mitarbeiters aus. Schon jetzt nehme dieser einen Tag pro Woche an einer Fortbildungsmaßnahme teil. Häufiger als zweimal pro Woche könne der Beschäftigte, der auch für den DAB arbeitet, deshalb kaum im Oslebshauser Polizeigewahrsam erscheinen.

„Diesen Mangel bekommen wir von der Asylgruppe und die Polizeibeamten im Gewahrsam regelmäßig zu spüren“, sagt Valter. Ihre Gruppe berät Häftlinge mehrmals im Monat – „und oft helfen wir, wenn etwas akut nicht klappt.“

Ihre Beispiele dafür sind drastisch. „Neulich war ein 16jähriges Mädchen ohne Kleider in Abschiebehaft“, sagt sie. Einer Rechtsanwältin gelang die Verlegung der Jugendlichen in ein Heim. Auch im Fall eines schwer krebskranken Kurden wurde die Abschiebung in letzter Sekunde verhindert: „Polizisten haben uns alarmiert. Jetzt lebt der Mann hier in Bremen.“

Wie nötig soziale Betreuung für die jährlich rund 300 Inhaftierten ist, erfuhr jetzt auch Bremens Ausländerbeauftragte. Als sie am 24. Dezember einen Fernseher vorbeibrachte, nahmen die Gefangenen sie über eine Stunde mit ihren Einzelschicksalen in Beschlag. „Im Fall eines Mazedoniers hoffe ich, beim Innensenator etwas zu erreichen“, sagte Lill gegenüber der taz.

Den Fall des Mazedoniers kennt auch Valter. „Seine geschiedene Frau, die wieder von ihm schwanger ist und eine kleine Tochter mit ihm hat, durfte ihn tagelang nicht besuchen“, sagt sie. „Die Frau war verzweifelt.“ Aber wenn wie Weihnachten 18 Personen einsitzen, müssen bei vier Besuchern pro Tag viele Verwandte draußen bleiben.“

„Im Erlaß über den Vollzug in Abschiebehaft heißt es, daß die Verwahrten würdig, gerecht und menschlich behandelt werden müssen“, kritisiert auch Anwalt Holger Hoffmann. „Die Menschen in Abschiebehaft sind nicht kriminell, sondern lediglich ausreisepflichtig.“ Der Gewahrsam müsse sich deshalb an den Rechten orientieren, die sie in Freiheit hätten.

Dazu gehöre auch der regelmäßige Gang an die Luft – der oft ausfalle. „Offiziell wegen Personalnot“, bestätigt Valter. Damit werde auch begründet, daß Gefangene meist in Zellen oder im Gemeinschaftsraum eingeschlossen würden und sich nicht frei im Haus bewegen könnten.

„Das ist schlimmer als im Strafvollzug“, wertet Christine Graebsch vom Verein für Rechtshilfe im Justizvollzug die Lage. In den normalen Vollzugsgruppen könnten Häftlinge sich zu vielen Zeiten frei bewegen und sogar die Küche benutzen. Warum das im Abschiebegewahrsam nicht möglich sei, bleibe ihr ein Rätsel. ede

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