: Soundcheck
Gehört: Magnus-Lindberg-Werke, Rolf-Liebermann-Studio NDR. Einzelne Komponisten in den Mittelpunkt eines Festivals zu stellen ist nicht besonders originell. Genauso wenig bemerkenswert ist es, Komponisten eines Landes zum Mittelpunkt eines Festivals zu machen. Wenn jedoch die in einem Festival vorgestellte Breite der Musikkultur eines Landes so groß ist wie beim diesjährigen Schleswig-Holstein Musikfestival mit dem Finnland-Schwerpunkt, dann bekommt ein solches Konzept wieder Sinn.
Erstaunlich ist, dass in Finnland seit etwa zwanzig Jahren ein Aufschwung im Musikleben zu verzeichnen ist, wie kaum anderswo. Helsinki hat eine innovationsfreudige Jazz-Szene, die finnische Tango-Kultur lebt, und originelle Ensembles wie der Chor der schreienden Männer namens Huutajat bereichern die internationale Musikszene.
Zudem gibt es mehrere international hoch angesehene Dirigenten wie Salonen, Oramo oder Saraste und eine Reihe Komponisten, die in den letzten Jahren verstärkt auf sich aufmerksam machen. Dazu zählt auch Magnus Lindberg, dem nun in Hamburg ein Porträtkonzert gewidmet war.
Die Begegnung mit dem finnischen Komponisten versprach brisant zu werden. Ist doch in der Musikszene bekannt, welch spektakuläre Werke Lindberg geschrieben hat. Insbesondere sein Stück Kraft für Orchester sorgte bei der Uraufführung 1985 durch die extremen Massierungen von Live- und Elektronikklängen für Aufruhr. Deshalb war die Spannung vor dem Konzert mit dem Avanti! Chamber Orchestra unter Leitung des Komponisten groß. Jedoch – das Konzert wurde trotz der Virtuosität der finnischen Musiker zu einer wenig beglückenden Veranstaltung.
Lindbergs Musik erschien zwar ob seiner immensen handwerklichen Perfektion als inte-ressantes, phasenweise verblüffendes Resultat klangforscherischen Intellekts. Jedoch hört man seiner überkomplexen Musik an, dass sie weniger aus dem Bauch heraus geschrieben als vom Kopf ausgedacht und konstruiert ist. Sie klingt seelenlos und manchmal gar uninspiriert.
Da hört man oft, wie diese Musik bis ins Kleinste durchdacht ist und stellt mit Erschre-cken fest, dass das alleine einer Musik noch keine Qualitäten verleiht. Es klingt zwar jeder Ton so, als ob es nicht anders sein könnte, aber die Musik berührt nicht, erscheint als in Töne gefasstes, konsequent zu Ende gedachtes theoretisches Konstrukt. Nicht mehr und nicht weniger.
Da nützt es auch nur bedingt etwas, dass der Komponist immer wieder faszinierende Klangmischungen aus Live-Elektronik und instrumentalem Spiel erfindet und mit großem Geschick sich schnell bewegende Klangmassen virtuos inei-nander schichtet wie in seinem Stück Joy für Kammerorchester. Es bleiben letztlich nur kurze Passagen in der Erinnerung haften. Diese jedoch, das sei auch angemerkt, krallten sich geradezu im Gedächtnis fest und ließen den Zuhörer nicht mehr los.
Insbesondere in Joy hatten die aberwitzig schnellen Figuren der Saiteninstrumente, denen immer wieder tiefe Bläserklänge untergeschoben wurden, eine starke Wirkung auf den Hörer. Da fühlte man sich für Augenblicke mitten in die Musik hi-nein gezogen und wurde dabei an die sinfonische Architektur Bruckners erinnert oder an die flächigen Bläsersätze bei Jean Sibelius oder Carl Nielsen. Wenn dies für mehr als nur diese kurzen Momente gesagt werden könnte, dann wäre der Abend vielleicht zum Ereignis geworden. So aber geriet er zur musikalischen Ernüchterung mit wenigen starken, dann aber nachhaltigen Momenten.
Reinald Hanke
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