Sonntagsspiele der Fußball-Bundesliga: „Wir haben das Spiel hergeschenkt“
Der Hamburger SV dreht die Partie gegen Gladbach und vergrößert seinen Abstand auf den Relegationsplatz. Bayern München besiegt zu harmlose Augsburger.
Hamburg/Augsburg | dpa | Dem kriselnden Hamburger SV ist nach zuletzt sechs Spielen ohne Sieg der erhoffte Befreiungsschlag gelungen. Gegen Borussia Mönchengladbach gewann der HSV am Sonntag mit 3:2 (2:1). Im 96. Duell der Traditionsklubs gingen zwar die Gäste durch Fabian Johnson (14. Minute) in Führung, die Norddeutschen drehten die Partie aber durch ein Eigentor von Martin Hinteregger (39.), Artjoms Rudnevs (41.) und Ivo Ilicevic (80.). Der Anschlusstreffer durch Raffel (88.) kam für die Gladbacher zu spät. „Wir haben das Spiel leider hergeschenkt“, sagte Borussia-Sportdirektor Max Eberl im TV-Sender Sky. Der HSV sei konsequenter gewesen, was „extrem ärgerlich ist“.
Mit dem ersten Sieg seit fast drei Monaten im Volksparkstadion baute der HSV mit nun 26 Punkten den Vorsprung auf den Relegationsrang auf sechs Punkte aus. „Wir haben drei Punkte geholt, nicht mehr und nicht weniger. Aber es war ein sehr, sehr wichtiger Sieg“, sagte HSV-Coach Bruno Labbadia. Im Gegenzug verpasste die Elf von André Schubert mit noch 32 Zählern den Sprung auf einen Champions-League-Platz. „Wir haben das Spiel zunächst total kontrolliert, dann wurden wir viel zu leichtsinnig, haben die Spannung und den Faden verloren und nicht mehr so hundertprozentig wiedergefunden“, sagte Schubert bei Sky.
Bei Schmuddelwetter und nur vier Grad taten sich die Gastgeber vor 56.706 Besuchern ohne den Gelb-gesperrten Verteidiger Johan Djourou zunächst schwer. Gegen die von der Spielanlage besseren Gladbacher kamen die Hanseaten gar nicht durch und ließen immer wieder das schnelle Umschaltspiel zu. Gladbach-Leihgabe Josip Drmic (13.) vergab eine Großchance gegen Keeper Yann Sommer – im Gegenzug gelang die Führung durch Johnson, der nach Pass von Thorgan Hazard nur einschieben musste.
Unter den Augen von Ex-Kapitän und Noch-Betis-Sevilla-Spieler Rafael van der Vaart, der mit seinem Sohn auf der Tribüne saß, mühte sich der HSV gegen selbstbewusste Gladbacher. Ohne den seit sieben Partien glücklosen Pierre-Michel Lasogga machten Drmic über links und Rudnevs als einzige Spitze Dampf. Nah am Ausgleich war Lewis Holtby (18.), der statt selbst abzuschließen in den Rücken von drei mitgeeilten Kollegen abgab. Nach einem Strafraumgetümmel und einem Fehler von Dahoud zog dann Gideon Jung auf das Tor von Sommer, Hinteregger fälschte unhaltbar ab.
Torvorlage von Adler
Der lange verschmähte Rudnevs sorgte mit seinem zweiten Saisontor für die Führung. Trainer Bruno Labbadia brachte den Letten erstmals seit dem 28. Februar 2015 gegen Eintracht Frankfurt und lag richtig. Der agile Stürmer nutzte einen Abschlag von René Adler, setzte sich gegen Oscar Wendt durch und ließ Sommer aus etwa zwölf Metern keine Chance. Erstmals seit Wochen gab es zur Halbzeit Applaus statt Pfiffe, danach Rudnevs-Sprechchöre. Drmic (53.) hätte nachlegen können, schoss aber weit über das Gehäuse.
Die Schubert-Elf hatte in der zweiten Hälfte mehr Probleme mit den immer frecheren Hanseaten. Der Schweizer Granit Xhaka kam nach seiner Rotsperre noch nicht wieder richtig ins Spiel. Die Fohlen-Elf tat sich schwer und stellte mehr und mehr die Offensivbemühungen ein. Der formstarke Thorgan Hazard (74.) verpasste noch einmal haarscharf das Tor von Adler.
Dann machte aber der eingewechselte Ivo Ilicevic per Kopfball den HSV-Sieg perfekt. Der Kroate hatte wegen der Kopfstoß-Affäre beim 1:1 gegen Köln zuschauen müssen. Trotz des späten Anschlusstreffers kassierte Mönchengladbach die sechste Auswärtsniederlage.
Mannschaft steht hinter Badstuber
Holger Badstuber war gerührt. Der FC Bayern gewann mit der laut Sportvorstand Matthias Sammer „besten Saisonleistung in der Rückrunde“ nicht nur drei weitere Punkte auf dem Weg zum vierten Meistertitel in Serie, sondern sorgte mit einer besonderen T-Shirt-Aktion auch für einen emotionalen Moment beim schwer verletzten Teamkollegen. „Mir fehlen die Worte“, gestand Badstuber lange nach dem 3:1 der Münchner beim hoffnungslos unterlegenen FC Augsburg. „Wir sind zufrieden, dass wir dieses Spiel gewonnen haben. Vor allem für Holger“, erklärte auch Trainer Pep Guardiola.
„Wir sind bei Dir. Du schaffst es wieder“, stand auf den Shirts, die die Bayern-Stars um den herausragenden Doppeltorschützen Robert Lewandowski beim Einlaufen trugen. Und auch nach dem Schlusspfiff bewegte das Fußball-Schicksal des schon so oft verletzten Badstuber die Mannschaft. „Wir können ihm Mut zusprechen. Er ist ein Musterprofi, deswegen habe ich auch den Mut zu sagen, dass er wieder zu 100 Prozent zurückkehrt“, sagte Kapitän Philipp Lahm am Sonntagabend.
Den Ausfall des vierten von fünf gelernten Innenverteidigern beim deutschen Rekordmeister steckte das Team von Trainer Pep Guardiola bemerkenswert souverän weg. Man brauche richtigen „Spirit“, um all diese Verletzungen zu verkraften, erklärte Sportvorstand Sammer. „Ich weiß nicht, wann man an seine Grenzen stößt. Aber das ist auch uninteressant, weil wir haben noch genug Spieler, die auch diese Position spielen können.“
Kleine Innenverteidiger
Keiner aus der Viererkette um die Innenverteidiger David Alaba und Joshua Kimmich war größer als 1,80 Meter. „Die Jungs haben aber eigentlich alles was man braucht, außer vielleicht die Größe eines klassischen Innenverteidigers“, erklärte Thomas Müller. „Defensiv standen wir sehr, sehr gut – und das ohne gelernten Innenverteidiger“, hob Lahm hervor.
Das Abwehrpuzzle ist die große Herausforderung, die Guardiola spätestens bis zum Champions-League-Achtelfinale gegen Juventus Turin in gut einer Woche lösen muss. In der Offensive dürfen sich die Münchner weiter auf die Qualitäten von Lewandowski und Müller verlassen. Lewandowski schraubte gegen den FCA seine Saisonbilanz mit dem vierten Doppelpack im fünften Pflichtspiel nach der Winterpause auf 31 Tore in 31 Partien hoch. „Seine Kaltschnäuzigkeit ist nicht selbstverständlich“, betonte Sammer. Müller steuerte dann noch sein 15. Saisontor bei.
Allerdings war der harmlose FC Augsburg beim vierten Pflichtspielsieg der Münchner in diesem Jahr auch ein dankbarer Gegner. „Wir müssen nach vorne schauen und uns den nächsten Aufgaben widmen“, erklärte Kapitän Paul Verhaegh nach dem vierten sieglosen Spiel des nur knapp vor den Abstiegsrängen rangierenden FCA. Mitten im Kampf um den Klassenverbleib naht nun aber erstmal das große Highlight auf internationaler Bühne: Das Europa-League-Duell gegen den FC Liverpool und Jürgen Klopp.
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