Sonnenfinsternis in Berlin: „Wie ein angeknabberter Keks“
Am Freitag verdeckt der Mond die Sonne. Ein Schauspiel, das einen an die Weite des Kosmos erinnert, sagt Monika Staesche von der Sternwarte am Insulaner.
taz: Frau Staesche, wissen Sie noch, was Sie bei der letzten großen Sonnenfinsternis im Sommer 1999 gemacht haben?
Monika Staesche: Damals habe ich noch nicht in der Sternwarte am Insulaner gearbeitet und nicht frei bekommen. Also habe ich meine Sonnenfinsternisbrille mit zur Arbeit genommen und habe zum Finsternishöhepunkt aus dem Fenster geschaut. Ein paar Kollegen habe ich von der Arbeit abgehalten, um ihnen das wenigstens mal zu zeigen. Viele hatten gar nicht mitbekommen, dass an dem Tag etwas Besonderes stattfand.
Was ist so besonders daran?
Es kommt nicht oft vor, dass wir eine weitgehende Sonnenfinsternis sehen können, ohne größere Reisen zu unternehmen. Tatsächlich gibt es jährlich weltweit etwa zwei bis drei Sonnenfinsternisse.
Die Sonnenfinsternis am Freitag ist in Berlin ja auch nur partiell. Wo müsste ich hinfahren, wenn ich eine totale Sonnenfinsternis sehen möchte?
Da gibt es auf dem Festland nicht so viele Möglichkeiten: auf die Faröer Inseln oder Spitzbergen.
Wie viel der Sonne muss verdeckt sein, damit es sich um eine partielle Sonnenfinsternis handelt?
Partiell ist alles, was nicht total ist, da reichen schon ein oder zwei Prozent aus. Am 20. März werden für uns in Berlin etwa 74 Prozent der Sonne verdeckt sein, also eine ganze Menge. Die Sonne wird dann aussehen wie ein angeknabberter Keks.
geboren 1966, ist seit 2008 Wissenschaftliche Leiterin des Planetariums am Insulaner und der Wilhelm-Foerster-Sternwarte. Sie hat an der Freien Universität Geschichte studiert.
Was passiert da genau?
Nur bei Neumond kann der Mond, wenn er in einer Linie zu Erde und Sonne steht, die Sonne völlig abdecken; sein Schatten fällt dann auf die Erde. Am Himmel erscheinen uns Mond und Sonne gleich groß, obwohl das nicht der Fall ist; aber der Mond ist viel näher an der Erde.
Was fasziniert Sie persönlich daran?
Früher war die Verfinsterung der einzigen Lichtquelle des Tages etwas, das den Menschen enorme Angst eingejagt hat – zumal sie nicht wussten, wodurch das entstand. Wenn man wirklich mal eine totale Sonnenfinsternis miterlebt, wo plötzlich die gesamte Natur still wird, ist das eine seltsame Stimmung. Generell faszinieren diese Dinge, weil sie bewusst machen, dass wir ein Teil eines größeren Zusammenhangs sind, der uns vielleicht so sonst gar nicht bewusst wird.
Glauben Sie an Gott?
Ja, aber das hat mit der Astronomie nichts zu tun. Ich versuche, den lieben Gott aus der Wissenschaft rauszuhalten, denn das eine ist Glaube und das andere Wissenschaft. In der Wissenschaft muss man immer zweifeln. Wenn man anfängt, als Wissenschaftler an seine Theorien zu glauben, hat man ein Problem. Zum Beispiel …
… ich glaube, wir driften gerade …
… ganz gewaltig ab, aber das macht ja nichts. Natürlich, es muss irgendetwas da sein, das das Ganze geschaffen hat, was das Ganze lenkt. Das wird einem in Augenblicken wie der Sonnenfinsternis bewusst. Aber ob das ein Mann mit weißem Bart auf einer Wolke ist, sei mal dahingestellt.
Welche Konsequenzen ziehen Sie denn für sich?
Ich versuche, möglichst wenig zu tun, was unsere Erde in irgendeiner Weise noch mehr angreift. Ich versuche, den Besuchern der Sternwarte und des Planetariums, insbesondere den Kindern, klarzumachen, dass wir nur eine Erde haben. Da draußen gibt es tolle Welten, aber auf den meisten Planeten könnten wir ungeschützt nicht lange überleben, auf manchen keine zwei Sekunden. Und der nächste halbwegs erdähnliche Planet ist zu weit weg, um dahin auszuwandern.
Zurück zur Sonnenfinsternis: Ärgern Sie sich, dass sie dieses Mal wieder arbeiten müssen?
Nein, denn bei klarem Wetter sehe ich ja auch etwas. Ich bin wahrscheinlich teilweise drinnen, teilweise draußen – und bei schlechtem Wetter werden wir versuchen, einen Livestream aus einer anderen Gegend zu holen.
Muss ich etwas beachten, wenn ich mir diesen Keks angucke?
Sie müssen unbedingt eine Sonnenfinsternisbrille aufsetzen, da man wirklich innerhalb weniger Sekunden erblinden kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos