Songwriter Daniel Johnston gestorben: Insider, nicht Außenseiter

Der texanische Künstler ist am Mittwoch im Alter von 58 Jahren gestorben. Er komponierte selbst und zeichnete auch seine eigenen Plattencover.

Vier Personen bringen Blumen an eine Gedenkstätte - eine Mauer mit einem aufgemalten Frosch

Vor die Wandmalerei des Künstlers mit der Aufschrift „Hi, How Are You“ legen Trauernde Blumen Foto: Nick Wagner/ via ap

Ein Trommelwirbel wie im Zirkus, eine Trompete und eine Ansage, als käme sie geradewegs vom Direktor: „Ladies and gentlemen / He headed out West looking for the best /And he’s here tonight because he’s got a lot to get off his chest / Here he is, ladies and gentlemen / None other than Daniel D. Johnston.“ Der sich da selbst ankündigt, wechselt umgehend in einen kratzigen Country-Swing und von der dritten in die erste Person.

Fließendes Wasser sei seine Seele, in einem Moment heiß, im nächsten kalt: „I guess I lean toward the excessive / But that’s just the way it is / When you’re a manic depressive.“ Daniel Dale Johnston, Sänger, Musiker und bildender Künstler, der in „Keep Punching Joe“ von seiner Schizophrenie-Diagnose im Tonfall eines poppigen Kinderlieds singt, ist am Mittwoch in Wallers, Texas, gestorben. Er wurde 58 Jahre alt. Johnstons Sterbe- und Geburtsort lesen sich gleich Einträgen auf der Landkarte des American Songbook.

Die Welt kam zu Johnston am 22. Januar 1961 in Sacramento, Kalifornien, aufgewachsen ist er in New Cumberland, Virginia. In den späten Siebzigern begann er, Musik auf einem Kassettendeck aufzunehmen, er spielte Piano und Kinderorgel. Die Oak Glen High School in New Cumberland hat er noch abgeschlossen, die Abilene Christian University in West Texas hingegen nach wenigen Wochen verlassen.

The unfinished Album

Der Stadt Abilene sollte Johnston Jahre später einen Song komponieren, trotz der hohen Singstimme kein Kinderlied mehr, einen zwischen Gut und Böse pendelnden Folkblues. „Spirit World Rising“, in dem es heißt: „I have been to Abilene / The spirit world rising / I have seen in Abilene / The Devil has Texas … From the sky the number seven / The Devil defeated / In the sky / The New Jerusalem“, singt Johnston in der folgenden Strophe, doch am Ende bleibt es dabei: Texas ist des Teufels.

„Keep Punching Joe“ hat Johns­ton 1983 auf einem Tape herausgebracht, es heißt „Hi, How Are You: The Unfinished Album“ und ist das letzte von insgesamt vier im Alleingang veröffentlichten Kassettenalben. Sechs Jahre darauf war aus Daniel Johnston ein Musiker mit Plattenvertrag geworden und „Spirit World Rising“ auf dem Album „1990“ erschienen, das zuständige Label Shimmy Disc, gegründet von dem New Yorker Noisemusiker Kramer.

Daniel Johnston fand sich nun plötzlich wieder zwischen Quälgeistern wie John Zorns Naked City und Schrägrockern wie Jad Fairs Band Half Japanese, mit Fair spielte er zwei Alben ein. Johnston wurde zu einer Figur, deren Kult auf diversen Säulen fußte. Er liebte die klassischen US-Comics von Robert Crumb und Jack Kirby; und, er liebte den Surrealisten Salvador Dalí.

Er brachte sich das Songschreiben selbst bei

Die Cover seiner Alben hat Johnston selbst gezeichnet, 2005 richtete das New Yorker Whitney Museum sogar eine Ausstellung für ihn aus. In Europa waren seine Bilder von 2012 bis 2014 in der Werkschau „Welcome to my world!“ zu sehen, sie zog von Nantes über Lausanne nach Ulm und Paris.

Drei Jahre darauf verkündete der Musiker Daniel Johnston seinen Abschied von der Bühne. Seine große musikalische Liebe waren die Beatles und ihr Gesamtkatalog, mit dem das Kind Johnston sich das Songschreiben beigebracht hatte. In einem Interview mit dem US-Internet-Magazin Pitchfork hob Johnston dann doch drei Songs hervor: die Popelegie „Yesterday“, den dräuenden, zerfaserten „Yer Blues“ und einen der abgefahrensten Momente der Fab Four, die nie so harmlos waren, wie sie oft erschienen: „I Am The Walrus“, dessen Nonsensreime natürlich Sinn machen, vorausgesetzt, Sinn wird nicht als eindimensional verstanden.

The Devil and Daniel Johnston

Es hat eine mustergültige Unheimlichkeit, dass Daniel Johnston den Befund Schizophrenie mit dem John-Lennon-Mörder Mark David Chapman teilte. Trotzdem sollte Daniel Johnston nicht das Unwort Outsider-Artist hinterhergerufen werden. In seiner Welt war er der Insider. Die guten Kinos nehmen jetzt bitte Jeff Feuerzeigs Dokumentarfilm „The Devil and Daniel Johnston“ ins Programm; wir hören „True Love Will Find You in the End“ aus einem von Johnstons Tapealben, auf dessen Cover er eine Katze sich unter einem krummen Baum sonnen ließ und den Titel schrieb: „Retired Boxer“.

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