Sonderausstellung im Altonaer Museum: „Der Heimatbegriff ist viel zu theoretisch“
Museumsobjekte repräsentieren oft nationalkonservative Vorstellung von Heimat. Museen müssen damit einen Umgang finden, sagt Direktorin Anja Dauschek.
taz: Warum sollte heute noch jemand in ein Heimatmuseum gehen?
Anja Dauschek: Weil es im besten Fall Begegnungsorte sind. Orte, wo sich Besucher:innen gemeinsam damit auseinandersetzen können: Was ist Heimat? Welcher ist ein Ort, an dem ich gerne leben will? Wie möchten wir diesen Ort gemeinsam gestalten?
taz: Wie stellt man einen so abstrakten Begriff wie Heimat überhaupt dar?
Dauschek: Das ist gar nicht so einfach. Die Literatur zum Heimatbegriff füllt ein paar Regalmeter. Sie ist oft sehr theoretisch und für eine Museumsausstellung viel zu akademisch. Deswegen haben wir überlegt, zu welchen Themen wir geeignete historische Objekte haben und zu denen wir auch eine aktuelle Position zeigen und erlebbar machen können.
taz: Wie haben Sie das in der aktuellen Ausstellung im Altonaer Museum gelöst?
Dauschek: Die Ausstellung „Was heißt hier Heimat?“ haben wir drei Themen ausgewählt, die den Begriff für viele Menschen zugänglich ausmachen: Wohnen, Kleidung und Kochen. Letzteres bilden wir zum Beispiel mit historischen Kochbüchern aus Norddeutschland ab. Direkt daneben kommen drei Köchinnen der Initiative Chickpeace zu Wort.
taz: Chickpeace ist ein Catering-Unternehmen von geflüchteten Frauen in Hamburg.
Dauschke: Genau und die drei Köchinnen sprechen darüber, wie die Hamburger Küche heute ist: nämlich voller Einflüsse aus anderen Ländern.
taz: Wie hat sich der Heimatbegriff verändert?
Dauschek: Die Objekte im Altonaer Museen repräsentieren häufig eine mittlerweile überkommene, oft nationalkonservative Vorstellung von Heimat, sie sind sozusagen eingefroren. Heute müssen wir herausstellen, was ideologisch dahintersteckt. Politisch war der Begriff schon immer. Aber er ist viel vielschichtiger geworden – und umkämpfter.
taz: Haben Sie ein Beispiel?
Dauschek: Zur aktuellen Sonderausstellung haben wir im zweiten Obergeschoss bei den Bauernstuben mit einer Installation zur Weltanschauung des Gründungsdirektors Otto Lehmann interveniert. Wir setzen uns darin kritisch mit seiner Geisteshaltung auseinander. Er war nationalkonservativ und hat bereits 1928 rassenkundliche Aufsätze geschrieben. Er war zwar nie in der NSDAP, hat aber nach seiner Pensionierung als Museumsdirektor 1931 die Volkskunstkommission geleitet, die im NS Teil des Auswärtigen Amtes war.
taz: Wann haben Sie mit dieser Aufarbeitung angefangen?
Dauschek: Das ist intern schon ein längerer Prozess. Uns war klar, dass wir mit Lehmann eine Person haben, bei der wir genau hinschauen müssen – auch auf die Zeit nach seiner Pensionierung. Vor drei Jahren haben wir verstärkt angefangen, die noch vorhandenen, aber leider lückenhaften Akten zu sichten und ebenso die Bestände beim Auswärtigen Amt. Sein Engagement in der Volkskunstkommission im NS gibt auch Hinweise darauf, mit welcher Haltung er zuvor für das Museum gesammelt hat.
„Was heißt hier Heimat? Ein Perspektivwechsel“, Eröffnung mit Reden von Anja Dauschek, Direktorin des Altonaer Museums, und Tobias Gaschler, Projektleitung und Kurator, am 11.11. um 19 Uhr. Ausstellung läuft bis zum 16.03.2026, Altonaer Museum, Museumstraße 23, Hamburg
taz: Welche Verantwortung hat ein Museum bei dem Umgang mit seiner Vergangenheit?
Dauschek: Man muss sich immer wieder neu und kritisch mit ihr auseinandersetzen. Zu dieser Verantwortung zählt auch, wie man mit den Museumsobjekten umgeht. Wir müssen sie in Ausstellungen immer in einen Kontext setzen. Das ist bei manchen Exponaten auch eine Geldfrage. Nehmen wir zum Beispiel die Bauernstuben, die 1914 ins Museum eingebaut wurden. Wir können und wollen sie nicht alle ausbauen, deshalb haben wir nach einer anderen Darstellungsform gesucht. Seit ein paar Jahren laden wir immer wieder teilweise internationale Künstler*innen zu Interventionen in diese historischen Installationen ein. Wir bitten sie, die Stuben mit zeitgenössischen Arbeiten zu kommentieren. Das ist für uns ein moderner Weg, diese Präsentation zu brechen.
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