Sommerloch in England: Auch die „Silly Season“ wird ernst

Wenn nichts los ist, gibt es immer noch die Aufmerksamkeitsregel CARD: Children, Animals, Royals, Death. Und natürlich Boris Johnson!

Die Corgis (Symbolbild) der verstorbenen Queen sind inzwischen bei Prinz Andrew zuhause

Wie heißt das Land, in dem du von der Fähre steigst und es sind 35 Grad? England. Was selbst in Jahrhundertsommern unmöglich schien, versetzt das Vereinigte Königreich zumindest in seinen südlicheren Gefilden in schläfrige Hitze. „Boah! Wen interessiert es? Ach ja, der Mitbewohner macht Urlaub und langweilt sich“, schreibt die Mitbewohnerin.

Verschlafen geht es auch in der „Silly Season“, dem medialen Sommerloch, auf der Insel zu. Es gilt zwar noch die Standardaufmerksamkeitsregel CARD (Children, Animals, Royals, Death).

Doch die Kinder haben Spaß in der Sonne, was derzeit selbst die Berichte über die absurd hohe Kinderarmut in UK weniger werden lässt. Die Corgis der verstorbenen Queen leben bei Prince Andrew. Der ist wegen seiner Freundschaft zum US-Sexualstraftäter Jeffrey Epstein von allen royalen Pflichten abgemeldet, kann aber so doch noch was Gutes tun. Der König kuriert sich aus. Doch darüber viel zu schreiben, gehört sich nicht. Und der Tod ist an ganz anderen Orten unterwegs.

Doch halt, der Guardian berichtet gerade von einem „Baby-Biber-Boom“ im ganzen Land. Das ist zum einen eine schöne Alliteration, aber auch ökologisch eine gute Nachhaltigkeits-Nachricht. Denn die niedlichen Nager sind zwar bei grantigen Gar­ten­be­sit­ze­r*in­nen zuweilen nicht so gern gesehen. Sie waren aber für rund 400 jämmerliche Jahre auf der idyllischen Insel ansatzweise ausgestorben, da sie wegen ihres flauschigen Fells bejagt wurden.

Der Untote Johnson

Noch so’n bekannter britischer Boomer mit Flausch ist Boris Johnson, der ihn auf und in seinem Kopf trägt. Und hier wird die Season gleichzeitig silly und ernst. Denn der frühere Premierminister soll nach Medienberichten demnächst Chefredakteur des Daily Telegraph werden. Sein ehemaliger Finanzminister Nadhim Zahawi sammelt gerade 600 Millionen Pfund bei Investoren ein, um das Traditionsblatt zu kaufen, und will Johnson zum Chef machen.

Die britische Schmalspurversion von Donald Trump war ja schon mal in den 1990ern als Brüssel-Korrespondent für das Blatt aktiv. Damals fabulierte Johnson allerlei verlogenen Quark, um der EU zu schaden. Der Telegraph war schon immer ein stramm konservatives Blatt, das die Zeichen der Zeit nicht wirklich gehört hat. Aber Johnson hat er auch nicht verdient.

Die schönste Silly-Season-Geschichte hatte bislang aber der Daily Star. Das Boulevardblatt ist natürlich immer gegen die Deutschen. Von einer „Invasion der Deutschen“ war also am Dienstag auf der Titelseite zu lesen. Doch die Schlagzeile bezog sich auf die „angry, drunken German wasps“ und war ausnahmsweise mal nicht erfunden. Vespula germanica, die gemeine Kurzkopfwespe, sucht tatsächlich derzeit besoffen von faulendem britischem Obst die Gärten in England heim. Und so liegt auch der Mitbewohner betrunken im englischen Garten und langweilt sich gar nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.