„Blockiert lieber RWE als die Straßen“

Alfred Platow, Gründer der Ökoworld AG, hatte angekündigt, Geldstrafen von Klimaklebern zu übernehmen. Hier erklärt er, warum er das relativieren musste. Und was er Aktivisten rät

Interview Bernd Müllender

wochentaz: Herr Platow, brauchen Sie Personenschutz?

Alfred Platow: Bisher nicht, und das soll auch so bleiben. Die Anfeindungen der vergangenen Wochen bauten sich aber nicht durch persönliche Besuche oder Begegnungen auf, sondern über Telefon, E-Mail und die sozialen Netzwerke.

In einer ganzseitigen taz-Anzeige hatten Sie angekündigt, Gebühren und Geldstrafen für BlockiererInnen der „Letzten Generation“ solidarisch zu übernehmen. Darauf wurden Sie mit Hass überschüttet und mit Unterstellungen, Sie würden zu Straftaten aufrufen.

Das solidarische Angebot, diese Gebühren zu übernehmen, wurde quittiert mit einer Welle von empörter Berichterstattung. Der taz-Redakteur Erik Peter hatte ein Handyfoto unserer Anzeige auf Twitter geteilt. Dort gab es dann über 3.800 Gefällt-mir-Angaben, aber auch viel Anfeindung in den Kommentaren. Danach ist einiges hochgekocht und übergekocht: Mitarbeitende wurden am Telefon bedroht, per E-Mail beschimpft, VertriebspartnerInnen wurden verunsichert und gerieten in Aufregung. Es wurde sogar gefordert, die Vogelfreiheit wieder einzuführen, da wir eine terroristische Ver­einigung unterstützen würden.

Was macht das mit einem? Kopfschütteln, Fassungslosigkeit, Angst?

Es ging weit über Kopfschütteln hinaus. Gewalt lag in der Luft. Also musste ich das korrigieren. Es war der Eindruck entstanden, dass Ökoworld Gesetzesbrüche toleriert oder sogar dazu anstiften möchte. Ich musste entschieden herausstellen, dass dies nicht der Fall ist. Das Grundgesetz, unsere parlamentarische Demokratie und das Rechtsstaatsprinzip sind fundamentale Errungenschaften, hinter denen ich uneingeschränkt stehe.

Sie haben dann relativiert, andere sagen: Der ist zurückgerudert und eingeknickt. Was ist jetzt anders?

Richtig ist, dass ich in der ursprünglichen Meldung Sprengstoff dadurch geliefert hatte, dass die Formulierungen nicht trennscharf waren. Es wurde nicht explizit gesagt, dass die Zahlungen aus privaten Zuwendungen von Gleichgesinnten und mir entnommen werden würden. Es wurde vermutet, dass dafür Sondervermögen unserer Fonds oder Firmengelder genutzt würden. Nach eingehender Situationsanalyse habe ich mich entschieden, meine Unterstützung für zivilen Klimaprotest nun durch eine Zuwendung an den Umwelt-Treuhandfonds zu zeigen. Viele wissen, dass ich Klimaaktivist der ersten Stunde bin und den friedlichen zivilen Klimaprotest im Rahmen der Gesetze für notwendig erachte. Die öffentliche Klarstellung hat Fehlinter­pretationen und Ängste reduziert.

Auch Shitstürme flauen ab.

Das ist richtig. Aber unseren kleinen Betrieb hat dieser Sturm überrannt.

Und über das Anliegen der StraßenkleberInnen, die Verhinderung der Klimakatastrophe, wurde wieder gar nicht geredet. Was läuft da falsch?

Es ist die „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Mentalität. Alle wollen theoretisch Klimaschutz. Aber ändern wollen die meisten dafür grundsätzlich nichts. Daher erzeugen die KlimakleberInnen einen solchen Aufschrei.

Hat denn jemand Geld wegen der Solidarität mit der Letzten Generation aus einem Ihrer Ökofonds abgezogen?

Gelder gehen kontinuierlich rein und raus. Durch unsere KlimakleberInnen­aktivität aber nicht auf einem anderen Niveau als sonst auch.

Sind andere solidarisch mit Ihrer Firma geworden und haben neu investiert?

Wir haben tatsächlich auch viele E-Mails bekommen von Menschen, die unsere Initiative aus Überzeugung im Kern begrüßen. Warten wir ab, was daraus an Neuinvestitionen entsteht. Aber darum ging es nie.

Alfred Platow

Foto: Marcus Schumacher

76, ist Gründer und Vorstandschef der börsennotierten Öko­world AG. Er gilt als Pionier der ethisch-ökologischen Fonds. Mit einer Anzeige in der wochentaz vom 29. April hatte er zuletzt für Aufsehen gesorgt.

1995 haben Sie in einem taz-Interview von jungen Millionenerben mit Gewissensbissen erzählt. Bei denen müssten Sie als Diplomsozialarbeiter ob des plötzlichen Reichtums manchmal „fast die Vaterrolle“ übernehmen, um sie mit einer ethischen Geldanlage von Seelenpein zu befreien. Was rät man mit Ihrer Erfahrung den jungen KlimakleberInnen, was ethisch-moralisch mehr nachhaltige Durchschlagskraft hätte?

Weg von den Blockaden der privaten Infrastruktur, umschwenken auf den Protest am Haupteingang von RWE, Rheinmetall, Heidelberger Zement oder vor dem Bundestag, den Parteizentralen. Und lernen, dass die Zivilbevölkerung sich durch diese Form von Protest persönlich eingeschränkt sieht und so der Klimaschutz teilweise falsch interpretiert und als Straftat und Terrorismus verstanden wird. Das ist eine unangenehme Erkenntnis. Aber wenn wir den Klimaschutz weiter so emotional in die falsche Richtung aufladen, verlieren wir viele AnhängerInnen. Das darf nicht das Ziel sein.

Böse Zungen sagen, auch Ihre private Kostenübernahme über das Treuhandkonto sei brillante PR und sicher erheblich billiger als die kurzen Werbeclips, die seit Monaten vor der „Tagesschau“ für Ihren Klima-Fonds laufen.

Wie Sie schon anmerken, das sagen die bösen Zungen. Lassen wir diese in dem Glauben.

Und wann sehen wir Sie selbst festgeklebt, vielleicht in Düsseldorf auf der Kö vor einem 100.000-Euro-SUV-Zweitwagen?

Wenn ich eine solche Aktivität plane und umsetze, werde ich als Erstes die taz-Redaktion anrufen. Spaß beiseite. Genau das wäre der platte beschriebene Marketing- und PR-Gag. Auf der inhaltlichen Ebene muss ich mich nicht festkleben, bin aber bereit diejenigen, die sich trauen, solche oder auch andere weiterentwickelte Protestaktionen umzusetzen, dabei zu unterstützen und zu ermuntern, mutig zu bleiben.