Soldatin zeigt Armeefotos bei Facebook: "Armee - die beste Zeit meines Lebens"
Eine israelische Soldatin stellte Fotos aus ihrer Armeezeit auf Facebook, auf denen sie vor gefangenen Palästinensern posierte. Die Bilder sorgen für einen Aufschrei in der Öffentlichkeit.
JERUSALEM taz | Eden Aberjil versteht die Welt nicht mehr. Fast über Nacht wurde das zarte, junge Mädchen zur "Buhfrau" der Nation. All das nur, weil sie ein paar Erinnerungsfotos an die Armeezeit auf dem Internet-Netzwerk Facebook veröffentlichte. Da steht sie einmal lachend neben einem gefesselten Palästinenser, der die Augen verbunden hat, ein anderes Mal neben mehreren, zum Teil erkennbar älteren Verhafteten. "Ich habe nichts falsch gemacht", sagte sie am gestrigen Dienstag gegenüber dem Armeeradio. "Die Fotos sind ohne jede böse Absicht aufgenommen worden."
Die Anfang 20-Jährige hat die Armee nach dem regulären Pflichtdienst vor einem Jahr verlassen. Auf Facebook betitelte sie die umstrittensten Fotos mit den Worten: "Armee - die beste Zeit meines Lebens". In einem Kommentar ihrer Freunde steht, sie sei besonders "sexy" in der Pose der Bewacherin.
Die Fotos sorgten für einen Aufschrei in der Öffentlichkeit und eine sofortige Distanzierung der Armee. Das Verhalten von Eden Aberjil sei "gemein und widerwärtig", kommentierte ein Sprecher des Militärs. Die Tatsache, dass die junge Frau schon vor einem Jahr aus der Armee entlassen wurde, macht es offenbar schwierig, heute noch rechtliche Maßnahmen gegen sie einzuleiten.
Ofer Shinar, Jura-Dozent am Sapir College in Sderot, findet an der Affäre "nur überraschend, dass die Leute so überrascht sind". Shinar sagt, es sei nicht außergewöhnlich, was auf den Bildern zu sehen ist. "Eine junge Soldatin steht neben verhafteten Palästinensern", sagt er. "Wir haben es hier nicht mit Abu Ghraib zu tun, nicht mit Folter oder schlimmer Gewalt." Verhaftungen gehörten schlicht zum Alltag der Besatzung. "Das ist nicht angenehm, und die meisten fotografieren es nicht, um es anschließend online zu zu stellen." Dennoch sei die Praxis, Fotos zu machen, um mithilfe des Bildes Kontrolle über die Situation zu gewinnen, nicht ungewöhnlich.
"Ein 18-jähriges Mädchen trifft hier auf einen gefesselten Mann, der ihr Großvater sein könnte", meint Shinar. Mithilfe der Kamera könne sie diese "enorme Stresssituation zu einer ganz normalen Sache werden lassen".
Um die Alltäglichkeit dieser Praxis zu dokumentieren, stellte die israelische Initiative Breaking the Silence am Dienstag ein Album mit deutlich dramatischeren Bildern auf Facebook, darunter Fotos von Soldaten, die neben schwer verletzten Palästinensern stehen. Die Fotos von Aberjil seien "keineswegs das hässliche Verhalten einer einzelnen Person", schreibt die Gruppe, "sondern Norm in der Armee und Ergebnis der Militärherrschaft über eine zivile Gesellschaft".
Breaking the Silence ist eine Initiative ehemaliger SoldatInnen, die mit der Dokumentation von Erfahrungsberichten auf Missstände in der Armee aufmerksam machen will.
Die umstrittenen Fotos von Eden Aberjil sind in Gaza aufgenommen worden, wo sie einen Teil ihres Militärdienstes leistete. "Ich frage mich, ob er [ein junger palästinensischer Verhafteter] auch auf Facebook ist", schreibt Aberjil in ihrer Antwort an eine Freundin. "Ich müsste ihn mit seinem Namen kennzeichnen."
Nach dem medialen Aufruhr entschuldigte sich die junge Frau nun bei allen, deren Gefühle sie möglicherweise verletzt habe. Sie sei aber eine gute Soldatin gewesen, sagt sie und habe die Palästinenser immer gut behandelt. "Wir haben sie nie beschimpft oder bespuckt."
Nun bekomme sie Morddrohungen, die Armee hat sie von allen Dienstgraden enthoben, ein Anwalt der Palästinenser prüft Klage auf Entschädigungszahlungen. "Die Armee ist undankbar", sagt Aberjil. "Ich habe mein Leben riskiert und wurde verletzt", zum Dank werde sie nun im Stich gelassen. "Nicht im Traum" habe sie damit gerechnet, dass die Bilder problematisch sein könnten, sagte sie im Armeeradio.
Die Vorwürfe richten sich allein gegen die junge Soldatin. Eine Debatte, die sich grundsätzlich mit den Wertevorstellungen in der Armee auseinandersetzt, gibt es nicht.
Dabei schockieren israelische Soldaten nicht das erste Mal mit skrupellosem Humor. Kurz nach dem Gazakrieg vor eineinhalb Jahren geriet die Armee schon einmal in Verruf. Damals ließen sich Soldaten T-Shirts drucken mit der Aufschrift: "1 Schuss, zwei Tote" über dem Bild einer schwangeren Palästinenserin, die im Visier eines Gewehrs steht. Ein anderes Shirt rät: "Nimm besser Durex (Kondome)" über dem Bild einer weinenden Frau, die ein totes Baby trägt.
Die Filmemacherin Tamar Yarom sieht beide Phänomene als Konsequenz ein und desselben Problems und als Versuch der Soldaten, mit der Situation der Besatzung klarzukommen. "Wenn man Tag für Tag über eine lange Zeit an den Kontrollpunkten eingesetzt ist, hört man auf, die Palästinenser als Menschen zu betrachten", sagt die 39-Jährige, die infolge ihrer eigenen Erfahrung als Soldatin einen Dokumentarfilm drehte. In "Gucken, ob ich lächle" nahm sich Yarom vor drei Jahren der "psychologischen Transformationen" an, die viele junge Frauen während ihrer Militärzeit durchmachen.
Damals stützte sie sich auf Erfahrungsberichte und auf die Dokumentationen der Menschenrechtsorganisation Betselem. Niemand solle glauben, das Foto von Eden Aberjil sei ein Einzelfall, sagt sie. Viele seien schlimmer. Innerhalb der Armee rege sich niemand darüber auf, nur "passt es nicht zu den Moralvorstellungen in der Welt draußen".
Auf Facebook sind die beiden Welten von Armee und zivilem Leben jetzt plötzlich zusammengetroffen. Die heftigen Reaktionen auf die Fotos von Aberjil seien Indiz für die "Blindheit in der Gesellschaft für das, was in der Armee Norm ist", meint Yarom.
Die Filmemacherin hofft, dass die Bilder in Facebook die Leute wachrütteln werden und zeigen, dass sich das unmoralische Verhalten der Armee nicht verstecken lasse. "Wer weiß, womit das Ende der Besatzung anfängt", sagt sie.
An Veränderungen innerhalb der Armee, solange die Besatzung andauert, glaubt Yarom nicht. Trotzdem nahm sie die Gelegenheit wahr, als die Armee sie bat, ihren Film für pädagogische Zwecke zu nutzen. "Einer der Gründe für das Fehlverhalten der Soldaten ist, dass sie für die neue Situation nicht vorbereitet sind."
Alle Beteiligten seien sich einig gewesen, dass der Film bei der Vorbereitung helfen kann, trotzdem habe der Kommandant der Werteabteilung in der Armee entschieden, den Film nur den Schulungsoffizieren zu zeigen und nicht den Soldaten. Auch bei Vorbereitungsseminaren für die Armee sei ihr Film nicht erwünscht, denn "er könnte die Motivation der jungen Leute beeinflussen, und das möchte ja keiner".
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