Soldaten am Checkpoint Charlie: Geschichte wiederholt sich
Schausteller in GI-Uniform verdienen Geld mit Fotos. Nach vielen Beschwerden von Touristen will der Bezirk das nicht mehr dulden.
Jeden Tag gegen Viertel vor neun findet am Checkpoint Charlie eine Art Morgenappell statt. Dann kommen aus irgendwelchen Ecken mehrere GIs und ihre russischen Gegner, schieben eine Karre in Richtung des weißen Kontrollhäuschens in der Mitte der Straße und fangen mit der Arbeit an.
Die besteht nicht in der Kontrolle von Ausweispapieren oder dem Filzen von Fahrzeugen, wie das viele Jahre an diesem Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin üblich war. Vielmehr wollen sie zeigen, dass hier, direkt am Anfang – oder Ende? – des einstigen amerikanischen Sektors, ganz sicher der Kapitalismus gesiegt hat.
Denn natürlich sind die Soldaten genauso wenig echt wie das weiße Wärterhäuschen, das vor gut einem Jahrzehnt an diesem Mauerrummelplatz aufgestellt wurde. Es sind verkleidete Menschen, die für ein Foto von sich von den Touristen Geld nehmen. Offenbar nicht zu knapp und offenbar auch mit Nachdruck: Die Beschwerden von Bürgern und Touristen hätten sich zuletzt gehäuft, heißt es aus dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, unter dessen Kontrolle der Checkpoint heute ist. Passanten seien gedrängt beziehungsweise „regelrecht genötigt“ worden, am Kontrollhäuschen für ein Foto mit den Fake-Soldaten zu zahlen.
So entwickelte sich eine soziale Situation, die jener vor 30 Jahren auf der östlichen Seite der Mauer nicht ganz unähnlich ist: Unmut in der Bevölkerung gepaart mit dem Murren über das eigene Konsumverhalten.
Aber während vor 30 Jahren noch Hunderttausende auf die Straße gehen mussten, um die Grenzkontrollen an der Mauer Vergangenheit werden zu lassen, reicht heute eine Anordnung des Bezirksamts, auf dessen Terrain der Checkpoint Charlie liegt: „Dem Betreiber wurde mitgeteilt, dass die Duldung ab sofort aufgehoben ist und er mit Verfolgung einer Zuwiderhandlung rechnen muss“, heißt es darin.
Mitte hat die falschen Soldaten schon 2014 verboten
Angeblich fiel die Entscheidung bereits im August – bekannt wurde sie allerdings erst am Montag, just zu Beginn der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Zufall? Diskussionen, ob dieses mit Anleihen an Karneval auch „Mummenschanz“ genannte Treiben der Bedeutung des Ortes angemessen sei, gab es schon länger. Der Bezirk Mitte hatte bereits vor fünf Jahren eine ähnliche Abzocke am Brandenburger Tor verboten – mit Erfolg.
Auch am Checkpoint Charlie soll es damit also nun vorbei sein. Sollten die Schausteller ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, werde das Ordnungsamt im Rahmen seiner Personalkapazitäten das Verbot durchsetzen, kündigt der Bezirk an, gegebenenfalls auch mit Unterstützung der Polizei. Von Panzern, die dem Ort historisch angemessen wären, ist indes noch keine Rede.
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