SolarWorld in der Krise: Technologie gegen Chinas Dominanz
Deutschlands größter Produzent von Solarmodulen steckt in der Krise. Das Management strebt deshalb einen Schuldenschnitt an.

Da war die Welt noch sonniger: SolarWorld-Chef Asbeck verkündet 2008 eine Steigerung der Dividende von 40 Prozent. Bild: dpa
FREIBERG taz | Der neueste Schrei nennt sich „Glas-Glas“. „Künftig können wir 30 Jahre lang Garantie bieten“, sagt Michael Eberspächer, der bei der Firma SolarWorld für das Qualitätsmanagement in der Modulfertigung zuständig ist.
Bislang haben Solarmodule auf der Rückseite eine Folienschicht, die gegen Feuchtigkeit, Hitze oder Kälte schützt. Im sächsischen Freiberg haben sie jetzt eine Methode entwickelt, die Folie durch millimeterdünnes Glas zu ersetzen. Nach Angaben der Hersteller bietet das mehr Schutz und verlängert die garantierte Lebenszeit einer Solarzelle um mindestens fünf Jahre. Das heißt: Sonnenkraftwerksbauer hätten also fünf Jahre länger Zeit, ihre Investition zu refinanzieren. Im Freiberger Werk wird gerade die Produktionsstrecke aufgebaut. Eberspächer sagt: „Im Juni gehen wir in Serie.“ Und strahlt übers ganze Gesicht.
Wenn er sich da mal nicht zu früh freut: SolarWorld steckt tief in der Krise. In der vergangenen Woche setzte die Firma ihre geplante Bilanzpressekonferenz für 2012 aus. Grund sind Schulden in Milliardenhöhe: 2016 wird eine Anleihe fällig, 2017 muss der Konzern die nächste bezahlen – zusammen 550 Millionen Euro. Auch bei der Bank hat SolarWorld Kredit aufgenommen. In der Bonner Konzernzentrale verhandelt derzeit der Vorstand, gemeinsam mit dem Insolvenzexperten Hans-Gerd Jauch, mit den Gläubigern um das finanzielle Überleben. SolarWorld will erreichen, dass die Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten.
Nicht nur die Belegschaft, auch die Bewohner der Bergstadt Freiberg zittern um das Fortbestehen des Unternehmens: „Auf dem Spiel steht mehr als eine Solarfirma“, sagt etwa Heike Wenige, die einen kleinen Buchladen mit zwei Mitarbeiterinnen betreibt. Die Sonnenstromer seien nicht nur Freibergs größter Arbeitgeber, sondern auch wichtiges intellektuelles Potenzial. Die Buchhändlerin glaubt fest daran: „Der ökologische Umbau einer Gesellschaft ist möglich.“ Zudem ist sie ganz persönlich betroffen: „Geht SolarWorld pleite, verliere ich einen festen Kundenstamm.“
Ambivalente Erfolgsgeschichte
Tatsächlich ist die Geschichte von SolarWorld in Freiberg wie aus dem Fabelbuch Ökotopia: Im Wendejahr 1989 beschäftigte der VEB Spurenmetalle – im Arbeiter- und Bauernstaat zuständig für das, was heute „Seltene Erden“ heißt – noch 1.768 Menschen. Es folgte der wirtschaftliche Bankrott nach der Wende, 290 Arbeitsplätze blieben übrig. Dann kam Bayer: 1994 übernahm der Chemiekonzern ganze 12 Mitarbeiter, um seine Solarsparte zu begründen. Doch die Großchemiker verloren bald die Geduld: 1999 verkauften Bayer das Freiberger Werk an Frank Asbeck. Der machte SolarWorld zum Pionier der Solarstromtechnik. Heute beschäftigt der „Sonnenkönig“ in Freiberg 1.300 Menschen.
„Bei uns läuft alles vollautomatisch“, sagt Bereichsleiter Eberspächer. Roboter schnurren, Förderbänder rotieren, Lötautomaten klacken. Pro Tag werden hier bis zu 6.000 Solarstrommodule hergestellt. SolarWorld betreibt drei Werke in Freiberg, eines für die dünnen Siliziumscheiben, die Wafer genannt werden; eines für Module; eines für Zellen. Damit ist es das einzige integrierte Unternehmen in Europa. 40 Mitarbeiter halten die Produktion in der Solarfactory 3 – einem der Betriebe – pro Schicht am Laufen. Bei drei Schichten und rollender Woche sind insgesamt 180 Menschen für die Produktion der Solarmodule notwendig. „Unsere Mitarbeiter sind im Wesentlichen mit Überwachungsfunktionen betraut“, sagt Eberspächer.
Derzeit gilt bei den Wafern Kurzarbeit: „China überschwemmt uns mit Billigmodulen“, sagt Eberspächer. Das macht SolarWorld zu schaffen – wie der gesamten Branche in Europa.
Löhne nach Haustarifvertrag
SolarWorld zahlt nach einem Haustarifvertrag, angelehnt an die Gewerkschaft IG BCE. Trotzdem machen die Lohnkosten in der hochautomatisierten Fertigung nur rund 10 Prozent der Produktionskosten aus. „Was die Chinesen bei den Löhnen billiger sind, holen wir bei Transportkosten und Qualitätsmanagement wieder rein“, sagt der Manager. „Vielleicht würden die Leute einen neuen Job finden. Aber garantiert keinen, der so gut bezahlt wird wie bei uns.“
Früher war das Berg- und Hüttenkombinat „Albert Funk“ größter Arbeitgeber in Freiberg, die Schornsteine der Blei-, Silber- und Zinkhütten prägten die Silhouette von Freiberg.
Die meisten sind inzwischen abgerissen. An der Stelle der Hüttenindustrie machten sich Firmen wie der Biodiesel-Produzent Choren oder die Siliziumspezialisten von Wacker Siltronics breit. Choren ging pleite. Und jetzt ist auch SolarWorld bedroht.
Stets solide gewirtschaftet
Bereichsleiter Eberspächer, der aus Schwaben stammt, ist 2003 nach Freiberg gekommen und will hier auch bleiben. Eine Energiewende ohne Solarkonzerne ist „nicht denkbar“, sagt der 38-Jährige, und deshalb müsse SolarWorld, dessen Hauptmarkt in Deutschland liegt, überleben. Schließlich ist die Firma der letzte große Solarkonzern, der nach der Pleite von Q-Cells vor einem Jahr, dem Aus für Solon, First Solar, Siemens und Bosch in Deutschland noch übrig ist.
SolarWorld-Firmenchef Asbeck geriet im Dezember in die Schlagzeilen, als er dem Showmaster Thomas Gottschalk Schloss Marienfels am Rhein abkaufte, das direkt neben seinem Jagdschloss Calmuth liegt. Fünf Millionen Euro soll Asbeck gezahlt haben, angeblich soll eine Stiftung für Solarforschung in Marienfels angesiedelt werden. Eberspächer will das nicht kommentieren. Asbeck habe das Anwesen als Privatmann und nicht als Firmenchef gekauft.
SolarWorld habe stets solide gewirtschaftet, betont der Manager: „Wir haben immer nach dem Motto gearbeitet: ’Davon verstehen wir was, das machen wir.‘“ Die neue Glas-Glas-Technologie sei der beste Beweis.
Leser*innenkommentare
franz
Gast
@Thomas Ebert
Es muss und soll Solarzellenforschung
und Solarzellenproduktion in Deutschland
weiterhin geben, weil wir es uns verdient haben!!!
Das Gut der Selbstständigkeit ist ein hohes Gut,
das niemals aus der Hand gelegt werden sollte.
Wir haben doch angeblich die EU, um unsere
vitalen Interessen den anderen Großmächten
mitteilen zu können.
Wie beschämend ist es dann, dass Japan
viel mehr Mumm hat, als alle
EU-Mitgliedsstaaten zusammen!!
hannes
Gast
Die typische, deutsche Mißgunst gegenüber reichen
Unternehmern, die hier auch wieder einmal
rüberkommt, ist mit einer der Bauchfaktoren,
warum die Reichen ihr Kapital woanders
investieren.
Asbeck hat in der Sache völlig Recht.
China setzt extrem hohe Subventionssummen
insgesamt ein, um die chinesischen Produkte
konkurrenzfähiger als die europäischen Produkte
werden zu lassen und zahlt deutlich geringere
Löhne, hat meist auch noch
geringere Umweltstandards usw.. Der Wettbewerb ist völlig verzerrt.
Und wenn Asbeck tatsächlich Module
aus China angeboten hatte, dann war es weil
es nicht mehr anders geht, um die Firma
und Mitarbeiter zu retten.
So wie es in der Solarbranche läuft, kann es prinzipiell bei allen Produktionsgütern
der verarbeitenden Industrie laufen und wird es auch.
Und so ist es auch in der Vergangenheit gelaufen.
Damit ruiniert China die anderen Weltteile.
Und deshalb unterstütze ich Asbecks Anliegen.
Selbst wenn China nun ihrerseits die Importe beschränkt, wenn wir dann wenigstens Europa
durch Europäische Produkte versorgen können
und unabhängig von Staatsfonds der Diktaturen sind,
ist das in Ordnung.
China betreibt Protektionismus, Europa nicht und
dafür zahlen wir einen extrem hohen Preis.
Der Hauptverursacher der europäischen Schuldenkrise
ist nicht zuletzt auch China und es wird
seinen bedingungslosen Beitrag zur Wiederherstellung
der Finanzen durch kapputtgemachte Industrie
in Europa nicht leisten!
Die Produktions-und Rechtskulturen zwischen
China und Europa sind so gravierend unterschiedlich
das einfach Zölle bestehen müssen, um eine
Rückentwicklung Europas zu verhindern.
Die zweistelligen Wachstumraten dieses Landes
durch amerikanische und europäische Innovationsgüter
sind letzlich Betrug an den Industriestaaten.
Es gibt Protektionsmus Asien, aber nicht in Europa
und Amerika und wir sind die, die so saublöd sind.
PS: Schafft endlich diese idiotischen
Wirtschaftsnobelpreise ab!!!
Die Werke der Steigbügelhalter einer Desasterwirtschaftsordnung müssen nicht
hofiert, sondern verrissen werden!
SonnentricksGegner
Gast
Sonnenkönig Asbeck sollte in Sonnentrickser umbenannt werden!
Der Solarworld-Chef Asbeck bezog jahrelang günstig Module aus China und verkaufte diese teuer als Solarworld. Vielfach wurde vom Vertrieb den deutschen Kunden auch auf Nachfrage gesagt, alles sei deutsch.
Asbeck sieht als einzige Rettung für Solarworld nur die Ausschaltung der Chinesen und lästert über diese - die ihm hohe Gewinne bescherten. Er zettelte einen Handelkrieg gegen China an, der der ganzen Wirtschaft schadet.
Solarworld ist von der EEG-Umlage befreit und hat jetzt über eine Milliarde € Schulden. Asbeck sagte dazu, Solarworld sei im Prinzip gesund, man benötige nur Entlastung auf der Passivseite - die Gläubiger sollen seiner Firma einen Großteil der Schulden erlassen.
Nun steht auch noch in der taz:
> Der neueste Schrei nennt sich „Glas-Glas“ <
Obwohl es Glas-Glas schon vor 10 Jahren von RWESchott in Serie gab, soll man glauben, Solarworld hätte Photovoltaik neu entdeckt.
Man sollte etwas besser recherchieren, bevor man Sonnentrickser Asbeck zitiert.
Solarboschi
Gast
@ Thomas Ebert,
glauben Sie, dass der derzeitige Preis für chin. Module stabil bleibt, wenn der Markt von Konkurenz erstmal bereinigt ist ?
Warum subventioniert Peking seine Solar-Branche ?
Suchen Sie sich einmal einen Kurs heraus, wie "Monopol-Kapitalismus für Anfänger; Stufe I".
Jasolar
Gast
Jeder Schritt weg vom Öl, Uran ist sinnvoll, egal wo dieser passiert.
Chinas Dominanz bezieht sich auf der Herstellung und deren Arbeiter benötigen auch mehr Geld.
Aufgrund der Atom-&Waffen-/Politlobby und wie sie in der Vergangenheit agierte, sind viele Schritte der SolarWorld und andere Firmen nachvollziehbar. Auf eine solide EU, Deutschlandpolitik ist absolut kein Verlass.
Immer wieder werden multipel perfide Hinter-/Falltüren eingerichtet.
Japan will sich in diesem Jahr zum zweitgrößten Photovoltaik-Markt der Welt aufschwingen.
Interessant ist die wirtschaftliche Verpflichtung/ faire Partnerschaft die auch für Europa, speziell Mittelmeerraum interessant sein kann.
"Getrieben wird dieses Wachstum natürlich von hohen Einspeisetarifen, die aktuell bei 42 Yen pro kWh liegen, was derzeit knapp 34 Cent entspricht. Obwohl diese Tarife ab dem 1. April um 10 Prozent reduziert werden könnten, soll der Photovoltaik-Boom unverändert weiter gehen. Zum Vergleich: in Deutschland liegt die Einspeisevergütung für PV-Anlagen bis 10 kW derzeit bei 19,5 Cent."
"Für ausländische Unternehmen bleibt es indes schwer, auf dem japanischen PV-Markt Fuß zu fassen. Chinesische oder US-Unternehmen sind dort zwar mit ihren Produkten vertreten allerdings sind sie in der Minderheit.
Außerdem müssen sie Partnerschaften mit japanischen Unternehmen eingehen.
Als Grund dafür wird angeführt, dass japanische Kunden vor allem japanische Produkte kaufen wollen."
http://www.elektroniknet.de/power/erneuerbare-energien/artikel/95986/
Es geht wenn gewollt.
Solarboschi
Gast
Da kann ich Solarworld nur alle Daumen drücken, vorallem für die Finanzierungsbrücke, die der wahrscheinlich vorrübergehenden Marktschieflage, verursacht durch Hochsubventionen für chin. Hertsteller, entgegen wirkt.
Die Glas in Glas-Technik halte ich allerdings, in Bezug auf Langlebigkeit, für fragwürdig. Sie verhindert zwar weitgehend korrosive Reaktionen an den Leitern und Kontakten, aber die Degradadion des SI-Wafers kann sie nicht aufhalten. Die wird von der fortschreitenden Bindung eingeschlossenen Sauerstoffs an den Dotanten Bor verursacht, und lässt nach heutiger Erkenntnis eine effiziente Nutzung nicht über 25 Jahren zu.
Trotzallem viel Erfolg für Solarworld !
abzocker
Gast
es geht um schuldenerlaß durch die gläubiger und kapitalschnitt für die aktionäre
die frage bleibt ,warum der selbstherrliche schloßherr asbeck nicht einen maßgeblichen teil seiner entnommenen gewinne und seiner aktienspekulationserlöse,zusammen ein betrag um die 150-2OO millionen,zur existenziellen sicherung seiner arbeitnehmer und seines unternehmens einsetzen will,zumal diese beträge unmittelbar und mittelbar steuerzahler und stromkunden auf grund gesetzlicher regelungen aufgebracht haben und er es war,der in seinem größenwahn entwicklungen falsch eingeschätzt hat und auch seinen vorstandsposten vernachlassigt hat ,indem er seinem privatvergnügungen nachging
verdient ist das wenigste.
30 jahre lebensdauer übrigens ist kein vernünftiges wirtschaftliches und glaubwürdiges alleinstellungsmerkmal,da sich weltweit die witterungsverhältnissen extrem ändern und die innovation laufend leistungsfähigere module hervorbringt.
das zuschußkarussell in den europäischen staaten auch für lngfristig bestehende verträge wird eh gekippt bzw,es werden sonderabgaben erhoben .
Öko Fritz
Gast
Aspeck hat sich jahrelang engagiert, aber auch erfolgreich die Taschen voll gesteckt!
Er hat Konkurrenz verdrängt, indem er dzB ide vertikale Progrduktionslinie dominiert hat: Anderen markteilnehmern wurde es erschwert Rohlinge zu erwerben, da Aspeck seine Finger im Spiel hatte, indem er "Mengen und Preise" dominierte!
Der Endverbraucher bekam genau die Preise für Module, die Aspecks marge sicherten.
Nun ist das Spielchen aus und wir wir sollen wieder reinen "Reichen" retten....
Nö!
Thomas Ebert
Gast
Es muss keine Produktion von Solarzellen in Deutschland geben. So wie wir alle mit Handys aus anderen Ländern leben, so können wir auch Energiewende mit chinesischen Solarzellen betreiben. Die Schweizer verzichten ja auch nicht aufs Auto fahren, nur weil sie keinen eigenen Automobilkonzern haben.