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Soja in der BabynahrungLieber nicht!

Isoflavone in sojabasierter Ersatznahrung könnten sich auf die Pubertäts­entwicklung auswirken. Wissenschaftler raten zur Vorsicht.

Bei Säuglingen sollte Eltern auf Sojaprodukte besser verzichten (Symbolfoto) Foto: dpa

München taz | Soja ist „in“, Milch ist „out“. Jedes Café, das etwas auf sich hält, bietet darum auch stets Sojamilch für Milchkaffee und Cappuccino an. Veganer oder Menschen mit Laktoseintoleranz verzichten jedoch ganz auf Milch. Wenn dann Kinder unterwegs sind, stellt sich die Frage, ob man auch dem Nachwuchs lieber gleich pflanzliche Milch füttert, entsprechende Varianten gibt es im Supermarkt. Andere Eltern greifen zu sojabasierter Tütenmilch für Babys um Allergien vorzubeugen oder als Mittel gegen exzessives Schreien.

In USA sind 12 Prozent der verkauften Ersatznahrungen sojabasiert. Für Deutschland fehlen laut dem Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) Daten dazu. Doch auch hierzulande scheint der Sojahype im Kinderzimmer angekommen zu sein. Darum warnte kürzlich Hans-Jürgen Nentwich, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) vor Säuglingsnahrung aus Sojamilch. „Soja enthält hormonähnlich wirkende Isoflavone, deren langfristige Wirkungen noch nicht geklärt sind“, sagt Nentwich. „Sojanahrung sollte deshalb nur unter ärztlicher Aufsicht gegeben werden.“ Dies gilt vor allem für die ersten sechs Lebensmonate.

Grund für diese Warnung waren zwei aktuelle US-Studien von 2017 und 2018, die bei weiblichen Säuglingen, die Sojamilch erhielten, teils epigenetische Auffälligkeiten in der Vaginalschleimhaut sowie in der Gebärmutter und bei männlichen Babys eine veränderte Entwicklung der Brustknospung entdeckten. Schon lange gibt es Daten aus Tierversuchen, die belegen, dass Isoflavon-Mengen, wie sie in Ersatzmilch vorkommen, Störungen im Östruszyklus, des Verhaltens, der Eierstockfunktion und der Fortpflanzungsorgane auslösen können. Es wird darum diskutiert, ob nicht eine frühe Menarche bei Mädchen und eine frühe Pubertätsentwicklung bei Jungen die Folge sein könnten.

Auch Endometriose und Fruchtbarkeitsstörungen werden mit großen Sojamengen im Säuglingsalter in Verbindung gebracht. Nager, die direkt nach der Geburt mit Soja­ersatznahrung gefüttert wurden, hatten zudem ein höheres Risiko für Tumoren und Schilddrüsenerkrankungen.

Denn: Soja-Isoflavone zu denen etwa Genistein und Dadzein gehören, sind sogenannte „endokrine Disruptoren“. Das heißt, sie docken an Zellen an, die sensibel für Sexualhormone sind. Isoflavone sind jedoch nur schwache Östrogene, sie haben also nicht die gleiche Wirkung wie das weibliche Sexualhormon.

Phytohormone im Blut

Allerdings schwimmen bei mit Sojanahrung gefütterten Babys bis zu 4.500 mal mehr Phytohormone im Blut. Das entspricht Mengen, die in einer Antibabypille vorkommen. Schon vor einigen Jahren hatten auch das BfR, sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) vor Formula­nahrung aus Soja in Stellungnahmen gewarnt.

Allerdings liefern auch die neuen Studien bislang nur Hinweise, keine harten Fakten. Es gibt durchaus Forschungsarbeiten, die keine verzögerte Pubertätsentwicklung oder andere Schäden fanden. Virginia Stallings, Wissenschaftlerin am Children’s Hospital in Philadelphia sowie Mitautorin der beiden aktuellen US-Studien meint daher: „Wir wissen nicht, ob die von uns gefundenen Veränderungen Langzeitwirkungen haben.“ Sie rät demzufolge auch nicht explizit von Sojanahrung ab.

Eltern argumentieren häufig, dass Kindern in Asien Sojamilch ja offensichtlich auch nicht schade. Dabei wird übersehen, dass Eltern etwa in Japan oder Korea auch zu Ersatznahrung aus Kuhmilch greifen, wenn sie nicht stillen. „Die Aufnahme von Isoflavonen in den ersten zwei Lebensjahren ist deshalb dort recht niedrig“, so Sabine Kulling, Lebensmittelchemikerin am Max-Rubner-Institut. Zudem haben koreanische Babymilchhersteller ihre Sojaprodukte so verändert, dass kaum noch Isoflavone zu finden sind.

Einfache Sojamilch aus dem Supermarkt sollten Säuglinge aber keinesfalls erhalten, da diese nicht ausreichend mit Nährstoffen wie unentbehrlichen Aminosäuren, Kalzium, Eisen oder Vitamin B12 angereichert ist. Französische Behörden berichten von schwerwiegenden Mangel­erkrankungen bei Säuglingen, die ausschließlich mit Sojadrinks ernährt wurden.

Kinder mit Milchallergie

Spezielle Sojanahrung für Säuglinge ist zumindest diesbezüglich sicher. Hier werden etwa mehr Eiweiß und entsprechende Mikronährstoffe beigemengt – das fordert die Europäische Gesetzgebung. Allerdings hilft Soja laut DGKJ keineswegs Allergien vorzubeugen. 10 Prozent der Milchallergiker hätten auch eine Intoleranz auf Sojaeiweiß. Kinder mit einer echten Milchallergie wird darum eine Nahrung aus speziellen Aminosäuren empfohlen.

Es gibt jedoch durchaus Gründe, warum Babys Ersatznahrung auf Sojabasis erhalten sollten: „Seltene Fälle von angeborenem vererbten Laktasemangel und die Stoffwechselstörung Galaktosämie können das Ausweichen auf eine Ernährung auf Sojabasis erforderlich machen“, meint Nentwich. Eine Laktoseintoleranz oder Magen-Darm-Beschwerden seien dagegen kein Grund, auf Säuglingsnahrung aus Soja ohne ärztliches Anraten auszuweichen. Auch führt der Einsatz von sojabasierter Nahrung nicht zu weniger Säuglingskoliken, die die Neugeborenen häufig zu Schrei­babys machen.

In der Beikost und Kleinkindernahrung können vegane Eltern jedoch dann Sojamilch, Tofu & Co. in Maßen zufüttern, das ist ungefährlich. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät nur davon ab, alle Milchprodukte durch Sojaalternativen zu ersetzen. Vergessen darf man nicht, dass auch Linsen, Bohnen Hirse, Hafer, Quinoa oder Sesam wahre Eiweiß- und Nährstoffbomben sind und weniger Phytohormone liefern. Wie immer ist hier Abwechslungsreichtum gefragt.

Nicht für jeden geeignet

Ob Erwachsenen große Mengen an Isoflavonen etwa aus Sojapräparaten schaden oder nützen, hat Sabine Kulling kürzlich in einer großen Review-Arbeit untersucht. Das Fazit: Gesunde Menschen haben nicht mit Nebenwirkungen zu rechnen. Risikogruppen wie Frauen mit Brustkrebs oder auch Personen mit einer Schilddrüsenerkrankung sollten aber aus Gründen der Vorsorge ganz auf Sojapräparate verzichten und Sojalebensmittel nur moderat konsumieren.

Isoflavone können das Wachstum vorhan­dener Krebszellen anregen. Das haben Tierstudien ergeben

„Angelehnt an den durchschnittlichen Verzehr in asiatischen Ländern“, so Kulling. Denn: Isoflavone können das Wachstum vorhandener Krebszellen anregen. Das haben Tierstudien ergeben.

Andererseits ist der Nutzen von Isoflavonen, sei es für Knochen oder für das Herz, umstritten. Im vergangenen Oktober hat darum auch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA den seit 1999 erlaubten Health Claim für Sojaprodukte zurückgezogen. Sojaprotein darf nun nicht mehr damit beworben werden, dass es gegen Herzleiden feit. Für andere gesundheitliche Vorteile von Soja gibt es bislang keine entsprechenden Claims.

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6 Kommentare

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  • Noch in den 50er Jahren war in den USA bekannt, dass Soja in Babynahrung zu gesundheitlichen Nebenwirkungen führen kann.

    Auch in UK wurde Konsum von Soja durch Frauen zu einigen gesundheitlichen Nebenwirkungen betreffend Menstruation führte.

    Außerdem kann Soja daran schuld sein, dass Menschen übergewichtig sind. Das sehen wir in den USA.

    Isoflavone in einer bestimmten Menge kann daran schuld sein, wenn Frauen nicht schwanger werden. Ob man das auch bei Tieren beobachtet hat?

    Es sollte auch untersucht werden, wie (negativ) Soja sich auf kognitive und physische Fähigkeiten von Menschen auswirkt.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Es wird darum diskutiert, ob nicht eine frühe Menarche bei Mädchen und eine frühe Pubertätsentwicklung bei Jungen die Folge sein könnten."

    Menarche und Pubertät setzen heute schon ohne Soja früher ein als je zuvoe.

    Bei Soja sollte man es, wie bei allen Sachen, natürlich nicht übertreiben. Als Ersatz für die Massen an ungesunder Milch, die konsumiert werden, halte ich daher Soja nicht für geeignet.

    Dieses Jahr ist gerade wieder eine Metastudie herausgekommen, die nachweist, dass Soja das Risiko an Prostatakrebs zu erkranken, signifikant verringert (www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29300347 ). Auch haben mehrere Studien mit Tausenden von Probanden festgestellt, dass das Brustkrebsrisiko für Frauen, die über lange Jahre Soja essen (am besten schon während der Pubertät) niedriger ist, als bei solchen, die kein Soja konsumieren.

    Ich nehme allerdings an, dass es ggf. nicht das Soja ist, das hier den Unterschied macht, sondern dass Sojakonsumenten in der Regel kaum Milch trinken. Denn das dieses Drüsensekret mit seinem über 60 wirksamen Hormonen gesund sein soll für (junge) Menschen, das kann man doch heute eigentlich nur noch seiner Großmutter erzählen, sofern man noch eine hat. :-)

  • Das zeigt wieder mal, dass Muttermilch mit Kuhmilch gleich gesetzt wird. Und Kuhmilch an sich DAS gesunde Produkt für den Menschen zu sein scheint. Das sehe ich anders.

    Meine Kinder wurden beide mind. 6 Monate voll gestillt, danach bekamen sie noch ergänzend eine zeitlang (frische, pasteuriesierte) Schaf- und Ziegenmilch, eines reagierte aber auf alle tierischen Milchprodukte hoch allergisch - selbst auf die Muttermilch schon. Und da das nun schon eine zeitlang her ist, haben wir diesem Kind dann Sojamilch (aus dem Bioladen) gegeben. Die Ersatznahrungsmittel von Nestlé und Alete etc. kamen für uns nicht in Frage, da war "Sojamilch" für uns die weniger schädliche Alternative, auch wenn wir das sonst aus politischen Gründen nicht getan hätten.

    Ich kann nur sagen, alles in Maßen, insbesondere auch die Kuhmilch.

    Und wenn ein Kind schon mit geschwächtem Immunsystem auf die Welt kommt, helfen solche Beiträge von Ärzten und der DGE zur Panikmache zu Soja auch nicht. Meine Kinder sind zumindest mittlerweile groß und haben keine frühzeitige Pubertät erlebt - auch stimmt bisher alles organisch.

    Wir sind keine Veganer, aber Milch hat bei uns auch nicht die Bedeutung wie in manch anderen Familien oder wie es die deutsche Werbung gerne hätte. Für uns ist tierische, nicht gesäuerte Milch nichts für Menschen jenseits der Säuglingsphase. Sonntags oder mittags im Winter gab es mal einen Kakao aus Sojamilch, aber eben nicht täglich das oder mehrere Glas Milch - egal ob pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Heute trinken sie bei solchen Gelegenheiten am liebsten Hafermilch.

    Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn die "Experten-Ärzte" sich mal um die vielen Kinder mit Allergien in der Art kümmern würden, dass sie sich mit der gesunden Stabilisierung des Immunsystems beschäftigen. In der Regel werden die Familien damit alleine gelassen bzw. bekommen nur Cortison und andere Medikamente verschrieben.

    • @Hanne:

      Hier ein interessanter Bericht zu Studien zu Kuhmilch:

      www.spiegel.de/ges...und-a-1048735.html

      • @Hanne:

        Danke. An dem Artikel gefällt mir vor allem, dass die Autorin ihren Lesern dazu rät, das Thema selbst im Auge behalten, weil es bislang noch keine absoluten Wahrheiten gibt in der Frage pro oder contra Milchkonsum.

        Diese Empfehlung trifft bei mir auf die ärgerliche Erfahrung, dass vieles, was gestern noch unzweifelhaft richtig zu sein schien, heute schon vollkommen falsch sein kann. So viel Bewegung in Wahrheitfragen ist meinem Glauben nicht sonderlich zuträglich.

        Ich weiß, in einer Gesellschaft wie unserer gehört Mut dazu, sich öffentlich als Mensch zu outen, der nicht mehr weiß, als alle Experten zusammen, und der insbesondere nicht genug weiß um zu beurteilen, welcher der streitenden Experten denn nun rechter hat als alle anderen. So viel Mut hat leider längst nicht jeder. Um so angenehmer finde ich es, wenn einzelne Journalisten totzdem versuchen, glaubwürdig zu bleiben.

        Hoffentlich sind Spiegel-Leser in ihrer Mehrheit so erwachsen, dass sie es schätzen, nicht von der Zeitung, die sie kaufen, an ihrer kleinen Patschehand gefasst und da hin geführt zu werden, wo bis vor ein paar Jahren noch das Kreuz gehangen hat in deutschen Schlafzimmern. Möglich, dass dann die Spiegel-Führung Frau Weber nicht bei nächster Gelegenheit entlässt, weil sie angeblich nicht entscheidungs- bzw. führungsstark genug und also eine Gefahr fürs Geschäftsmodell ist.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @mowgli:

          Der Spiegel-Artikel ist wirklich nicht schlecht. Nur gegen Ende wird er es. Denn wer das Max-Rubner-Institut finanziert und wofür sein ehemaligen Vortzenden gearbeitet hat, hätte die Autorin herausstellen müssen (lobbypedia.de/wiki/Max_Rubner-Institut ). So endet der Artikel mit Konfusionismus, wie das immer so ist im Geblubber der Mainstream-Medien. Und der Verbraucher kann sich nach einer etwas länger dauernden Schrecksekunde wieder komod zurücklegen und weiter so leben wie bisher.