Social Media der Evangelischen Kirche: Die neue digitale Kanzel

Die evangelische Kirche versucht aus der christlichen Poetry-Slammerin Jana Highholder eine Influencerin zu basteln. Das Ergebnis ist … ungewohnt.

Jana Highholder mit ihrem Logo

Die Kirche hofft auf eine christliche Dagi Bee Foto: epd

Mit strahlendem Lächeln blickt sie in die Kamera, die Rauschlocken wehen im Wind, die Augen leuchten vor Begeisterung. Mit einem beinahe schon nervenden Enthusiasmus redet die junge Frau auf ihre Zuschauer ein: Jana Highholder scheint wie eine typische Repräsentation der Youtuber. Ihr Kanal könnte weit gefasst vielleicht dem Bereich Lifestyle zugeordnet werden, doch Jana predigt weder über Mode noch über vegane Ernährung. Jana geht es um Jesus (den predigenden Charakter haben ihre Videos aber auch).

In Zeiten von schwindenden Mitgliederzahlen ist ihr Kanal der neueste Vorstoß der Evangelische Kirche ins Digitale. Nach dem Vorbild der Influencer soll die 19-jährige Medizinstudentin und christliche Poetry-Slammerin mit Vlogs und anderen Formaten den 14- bis 29-Jährigen zeigen, wie gut es sich mit dem Glauben lebt. Da die Evangelische Kirche mit digitalem Marketing nicht viel Erfahrung hat, wurde die Firma Mediakraft Networks engagiert. Früher mit der Reichweitensteigerung von Youtube-Stars wie LeFloid und Unge beschäftigt, tritt das Unternehmen heute eher in beratender Rolle auf. Im Fall des Jana-Channels heißt das: Konzeption und Produktion – auch die Protagonistin selbst wurde gecastet.

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Das Ergebnis wirkt seltsam unauthentisch: Meist in Fischaugenoptik zeigt die 19-Jährige in unzusammenhängenden Szenen ihren ereignislosen Alltag. Neben spontanen Gebetseinlagen im Auto kommt sie dabei immer wieder unvermittelt auf ihren Glauben zu sprechen. Ihre eigenen Beweggründe für ein christuszentriertes Leben erklärt sie mit der Überwindung einer Krebserkrankung in der Kindheit, für den Zuschauer liefert Jana jedoch wenig Gründe ihren Lebensstil zu kopieren.

Stattdessen bietet der zugehörige Instagram-Account eine ganz passende Zusammenfassung der fehlenden Argumente: „Ich habe keinen Grund, nicht zu glauben“, steht da weiß auf türkisfarbenem Hintergrund. Unabhängig vom Thema ein recht schwacher Beweggrund für eine wie auch immer geartete Lebensausrichtung.

Unterwegs im finsteren Digital

Die Kirche selbst scheint von dem neuen Konzept ebenfalls nicht ganz überzeugt. „Glaube und Youtube, evangelisch und soziale Medien, Religion und Video – geht das zusammen? Wir wissen es noch nicht“, sagt Jörg Bollmann, Direktor des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik (GEP). Vielleicht sollte die Frage aber auch lauten „Ist der Jana-Kanal die richtige Social-Media-Strategie?“ Denn dass sich eine Institution wie die Kirche nicht der digitalen Revolution verweigern darf, ist inzwischen bei vielen angekommen.

Vor etwa einem Jahr veröffentlichte Zeit Online unter dem Titel „Und wie wir wandern im finsteren Digital“ einen Beitrag zum fehlenden digitalen Reformierungswillen der Evangelischen Kirche. Passenderweise wird dort die Bedeutung des zu Luthers Zeiten auftretenden Buchdrucks mit den Chancen der Digitalisierung verglichen. Doch anders als damals sind die Möglichkeiten der heutigen Medienrevolution lange ungenutzt geblieben, das spiegelt sich in den Nutzerzahlen wieder: Obwohl die offizielle Facebook-Seite „evangelisch.de“ inzwischen nicht mehr nur Bibelsprüche sondern auch Multimediale Dokumentationen postet, bleibt die Reichweite mit 53.000 Abonnements gering.

Auf anderen Plattformen sieht es noch schlechter aus: Der zugehörige Instagram-Account hat 3.500 Abonnenten, den Youtube-Channel „evangelischDE“ verfolgen insgesamt 644 Menschen – die Bewohneranzahl eines kleinen Dorfes. Die Kirche hat es versäumt die eigentliche Möglichkeit von Social Media zu nutzen: mit Menschen zu kommunizieren, mit denen sie nicht sowieso schon spricht. Stattdessen verlässt sie sich nach wie vor auf das Konzept von Sendern und Empfängern, damit holt man die jüngeren Generationen nicht ab. Die Interaktivität des Internets bietet eine Chance ins Gespräch zu kommen und dass es bei Jugendlichen nach wie vor Gesprächsbedarf in Sachen Spiritualität gibt, zeigen Studien wie die des Sinus-Instituts von 2016 (PDF).

Mancher würde den Kanal auch als unfreiwillige Realsatire bezeichnen.

Der Kanal von Jana schlägt zwar grundsätzlich eine neue Richtung ein – die Art der Umsetzung macht die Bemühungen aber weitestgehend zunichte. Denn Janas Kanal hat viel von einer digitalen Kanzel und gleichzeitig inhaltlich nichts mit der Lebensrealität der meisten Jugendlichen zu tun. Mancher würde den Kanal auch als unfreiwillige Realsatire bezeichnen. Es bleibt die Frage, wie die Kirche ihre potenziellen Schäfchen in Zukunft erreichen kann.

Der offizielle Youtube-Kanal von „evangelisch.de“ bietet da möglicherweise einen Hinweis in Sachen Influencer: Ein Video, in dem Fußballtrainer Klopp über seinen Glauben spricht, wurde immerhin 12.000 mal angeklickt. Der Schlüssel zum Erfolg könnte darin liegen, wirkliche Brücken zum Alltagsleben der Zielgruppe zu schlagen. Eine gebastelte Influencerin, die nur um ihren Glauben kreist und sonst nicht viel zu sagen hat, wird für die Kirchen kaum zum Leuchtfeuer der Hoffnung werden. Eher zu einem Irrlicht im finsteren Digital.

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