Social-Media-Regeln beim WDR: Was ist privat?
In einem Entwurf hat der WDR Social-Media-Regeln für seine Mitarbeiter*innen vorgestellt. Personalrat und Redakteursvertretung äußern Bedenken.
Als Medienunternehmen, das bei der internen und externen Kommunikation in eigener Sache glanzvoll agiert, ist der WDR in der jüngeren Vergangenheit eher nicht aufgefallen. Eines der frappierenden Beispiele war Ende 2019 das sogenannte Omagate. Damals entschuldigte sich der WDR nach einer im rechten Milieu orchestrierten Kampagne für eine satirische Fassung des Kinderliedes „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ und löschte ein entsprechendes Video.
Am Dienstagnachmittag wurde auf einer von der Redakteursvertretung des WDR zwecks Diskussion mit der Geschäftsleitung einberufenen Versammlung nun der Vorwurf laut, der Sender habe „aus Omagate nichts gelernt“. Anlass der Veranstaltung war der Entwurf einer „Dienstanweisung zum Umgang mit sozialen Medien“, den die Geschäftsleitung der Redakteursvertretung vorgelegt hatte und der in Teilen wie ein Kotau vor nicht zu übermäßiger Sachlichkeit neigenden Kritikern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wirkt.
In Paragraf 5.3 des Entwurfs wird redaktionellen Mitarbeiter*innen mit beruflichen Nachteilen für private Äußerungen in sozialen Medien gedroht – jedenfalls, wenn durch diese „der Eindruck der Voreingenommenheit oder Parteilichkeit entsteht und dies Themenbereiche tangiert, in denen die oder der Mitarbeitende dienstlich tätig ist“. Dann behalte sich der WDR vor, „ihnen im Rahmen seines Weisungsrechts andere Aufgaben zuzuweisen“. Die geplanten Guidelines sollen auch regeln, wie Mitarbeitende auf ihren privaten Accounts kommentieren und liken und wem sie folgen dürfen.
Weil netzpolitik.org den Entwurf am Montagabend publik gemacht hatte, reagierte der WDR bereits vor der Versammlung mit einer Stellungnahme: „Warum machen wir das? In der Vergangenheit wurde immer wieder durch private Meinungsäußerungen Einzelner der Eindruck erweckt, dies sei die Haltung des WDR und aller seiner Mitarbeiter:innen.“
Meinungsfreude eindämmen?
Hält der WDR seine hochqualifizierten Mitarbeiter*innen für nicht befähigt, sich auf Social Media angemessen zu verhalten? Oder will er ihre Meinungsfreude eindämmen? Dabei profitiert der Sender indirekt durchaus davon, dass namhafte Mitarbeiter ihre „Marke“ etwa bei Twitter ausbauen.
Der Entwurf wirke „wie eine Einladung an viele Kritiker:innen, zukünftig missliebige Meinungen und Personen dem WDR zu melden, der die Beschwerden dann bearbeiten muss“, schreibt netzpolitik.org-Autor Leonhard Dobusch (der dem Fernsehrat des ZDF angehört). Teilnehmer*innen der Versammlung kritisierten nun, der Entwurf sei ein „Ausdruck von Misstrauen“ gegenüber den Mitarbeitenden. Zu einem „offenen Klima“ trage die „Dienstanweisung“ in ihrer bisherigen Fassung nicht bei.
„Voreingenommenheit“ kein Rechtsbegriff
Die zentrale inhaltliche Kritik der Veranstaltung betraf die geringe juristische Substanz des Passus, in dem mit arbeitsrechtlichen Schritten für „voreingenommene“ Posts gedroht wird. Teilnehmer wiesen darauf hin, dass „Voreingenommenheit“ kein „Rechtsbegriff“ sei. Ob eine Äußerung „voreingenommen“ ist, ist arbeitsrechtlich überhaupt nicht greifbar – anders, als wenn ein Mitarbeitender beim WDR Briefmarken klaut.
Eine gewisse Genugtuung war daher bei den Teilnehmenden der Versammlung zu spüren, als Jörg Schönenborn, Programmdirektor für Information, Fiktion und Unterhaltung, zurückruderte: Der Passus, dass private Meinungsäußerungen eine Versetzung zur Folge haben könnten, werde in einer endgültigen Fassung der Dienstanweisung nicht auftauchen, sagte er dem Vernehmen nach.
Entwurf „aus der Intendanz“
Ein Teilnehmer der Teams-Sitzung hatte den Eindruck, Schönenborn habe „den Kopf für etwas hinhalten müssen, was er selbst nicht verbockt hat“. Ein bekannter WDR-Moderator, so ein weiterer Teilnehmer, sagte in dem Zusammenhang, es wüssten ja „alle“, dass der Entwurf „aus der Intendanz“ stamme. Aus der Intendanz soll sich in der Konferenz aber niemand zu Wort gemeldet haben.
Einen überarbeiteten Entwurf – das wurde am Dienstag deutlich – gibt es bisher aber nicht, zumindest nicht in schriftlich fixierter Form. Der WDR hatte den Entwurf in seiner Stellungnahme bereits als „veraltet“ bezeichnet, er entspreche „nicht dem aktuellen Stand der Beratungen“. Doch ob „veraltet“ oder nicht: Ausdruck des Mindsets führender Kräfte im Sender ist der Entwurf allemal. Darauf hob auch eine Teilnehmerin ab: Es sei schlimm genug, dass so ein Schriftstück überhaupt aufgesetzt worden sei, sagte sie.
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