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„So effizient wie ein Lkw“

Logistik Das Lieferunternehmen ups experimentiert mit Lastfahrrädern und mobilen Mikrodepots. Erste Projekte wie in Hamburg laufen bisher sehr erfolgreich

Zukunft auf zwei Rädern: gängiges Lastenfahrradim Kuriereinsatz Foto: Karsten Thielker

Interview Ralf Leonhard

taz: Herr Harris, Ihr Unternehmen, der Lieferdienst ups, setzt neuerdings auf emissionsfreie Mobilität. Wie hat sich das zum Beispiel beim Projektversuch in Hamburg bewährt?

Peter Harris: In Hamburg haben wir sieben Cargo Cruisers, das sind elektrisch unterstützte Räder mit je zwei Kubikmetern Ladekapazität. Daneben gibt es konventionelle Dreiräder und Fußwägen, sodass der gesamte Hamburger Innenstadtbereich Lkw-frei ist. Dann gibt es einen weiteren ringförmigen Zustellbereich, wo mit Elektromobilität ausgeliefert wird. Die Kernzone Hamburg ist daher emissionsfrei.

Was kann man mit Lastfahrrädern alles zustellen?

Im Prinzip alles, was sonst mit dem Lieferwagen transportiert wird: von Briefen bis zu größeren Paketen. Wir wollen eine Lösung, die den Lastwagen völlig ersetzt.

Kann das Fahrrad an Effizienz mithalten? Die Ladekapazität ist ja viel geringer.

Unsere Erfahrung ist, dass genauso viele Zustellungen pro Stunde erledigt werden können wie mit dem Auto. Die Nachteile werden durch die Vorteile ­ausgeglichen. Mit dem Rad kann man näher an den Kunden heranfahren und muss nicht einen Parkplatz suchen und dann vielleicht ein paar hundert Meter zu Fuß gehen. Außerdem ist das Rad natürlich kostengünstiger. Die Gesamtkosten sind dann etwa gleich. Aber der große Gewinn ist die Emissionsfreiheit, die wir in Partnerschaft mit den Stadtverwaltungen anstreben.

Dürfen diese Lastenradwege die Radwege nutzen?

In verschieden Ländern gibt es unterschiedliche Regeln. In Deutschland dürfen wir zum Teil auch die Gehsteige benützen. In England kombinieren wir Fahrrad- mit Fußtransport. In anderen Ländern gibt es sogar Probleme mit dem Karren auf dem Gehsteig. Das sollte europäisch nach vernünftigen Kriterien harmonisiert werden.

Ende der Transportdiktatur

Das Transportwesen in Europas Städten wird sich zur Hälfte auf zwei oder drei Rädern bewegen. Das ist die Vision, die auf der Fahrradlogistikkonferenz, die vergangene Woche in Wien stattfand, als mittelfristiges Ziel dargestellt wurde. In Wien soll die Logistik bis 2030 emissionsfrei sein, versprach die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. In Berlin wird es bis 2050 dauern, wenn es nach Verkehrsstaatssekretär Jens Holger Kirchner geht. Mikael-Colville-Andersen, CEO von Copenhagenize, fordert, „hundert Jahre der Transportdiktatur“ zu beenden. Statt die Verkehrsplanung danach auszurichten, wie viele Autos auf einer Straße verkehren können, müsse man fragen: „Wie viele Menschen kann ich befördern?“ (rld)

www.eclf.bike/vienna17

Was ist die maximale Distanz, die sinnvollerweise mit dem Lastenrad bewältigt werden kann?

Darauf gibt es keine abschließende Antwort. Sicher ist, dass eine bedeutende Anzahl von ­Kilometern an einem Tag bewältigt werden können, vor allem, wenn die Räder elektrounterstützt sind. Nicht sinnvoll ist es, die Pakete vom ­Zentraldepot am Stadtrand oder außerhalb der Stadt abzuholen. Dann wird es ineffizient, weil zu viel Zeit auf dem Weg und zu wenig Zeit mit der Zustellung verbracht wird. Wir müssen also Mikrodepots in der Innenstadt einrichten. Das tun wir in Kooperation mit der Stadtverwaltung. In Hamburg haben wir vier solche Mikrodepots, wo die Waren am Morgen mit dem Lkw angeliefert werden. Der Container bleibt den ganzen Tag dort und wird am Abend wieder abgeholt.

Ein Mikrodepot ist also kein Gebäude, sondern ein Platz für einen Container?

Es kann ein Container, ein Anhänger oder auch ein Gebäude sein. Was wir von der Stadt brauchen, ist Hilfe bei der Suche nach dem geeigneten Ort.

Wie viele solche Mikrodepots würden Sie für eine Stadt, sagen wir, von der Größe Wiens brauchen?

In Wien wissen wir das noch nicht. Wir benützen leichte konventionelle Räder. Jedes ist mit einem Lieferwagen verbunden, aus dem es dann die Pakete ­abholt. So kann man mehrmals am Tag mobil aufladen. Der Lieferwagen ist also ein mobiles Mikrodepot. Die festen Mikrodepots sind dann der nächste Schritt.

Foto: Ralf Leonhard
Peter Harris

ist Nachhaltig­keits­direktor von United Parcel Service (ups) Europe.

In wie vielen Städten Deutschlands hat die Umstellung begonnen?

In vier, Hamburg ist die größte. Demnächst fangen wir in Dublin an und in London. Für Rom und Mailand haben wir ähnliche Lösungen.

Berlin?

Noch nicht, ist aber auf der Liste.

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