Smartphone-Apps: Apple will netter sein
Bisher kontrolliert der Computerkonzern den "App Store" für iPhone und Co. mit eiserner Hand. Doch andauernde Entwicklerproteste zeigen nun Wirkung: Apple öffnet sich - etwas.
Die Zahlen klingen schon mal ganz gut: 250.000 Anwendungen sind in Apples Software-Laden für iPhone, iPod touch und iPad versammelt, eine Milliarden Dollar sollen damit bereits für Entwickler generiert worden sein. Allerdings regiert der Computerkonzern seinen "App Store" nach wie vor mit harter Hand: Bestimmte Kategorien werden blockiert, Programmiertechniken, die der Apfel-Firma nicht schmecken, konsequent ausgebremst und auch die Konkurrenz hält man sich an diversen Stellen geschickt vom Leib.
Für Entwickler, die für die Plattform programmieren, ist die Erfolgsgeschichte des App Store daher ein wilder Ritt: Unzählige Geschichten von merkwürdigen Zurückweisungen durch das "App Store Review Team" gibt es, die es immer wieder auch in die Presse schafften. Hier und da ruderte Apple-Boss Steve Jobs dann zurück, blieb an anderer Stelle aber steinhart.
Nun scheint der Druck, der sich aufgebaut hat, langsam dann doch eine Veränderung hervorzurufen. Völlig überraschend hat der Computerkonzern am späten Donnerstagnachmittag eine Pressemitteilung verschickt, in der er deutliche Änderungen beim App Store ankündigte. So soll ein Verbot von Programmierumgebungen, die nicht von Apple stammen, ab sofort aufgehoben werden.
"Wir heben alle Restriktionen auf, die mit den Entwicklungswerkzeugen zu tun haben, mit denen Apps entstehen." Das ist vor allem deshalb erstaunlich, weil vorher galt, dass nur Apples Entwicklungsumgebung genutzt werden durfte. So blieb etwa Adobes Flash-Multimediatechnik außen vor. (Sie läuft nach wie vor nicht auf dem iPhone, kann aber zumindest zum Programmieren genutzt werden.) Bei Adobe sorgte die Entscheidung für viel Freude - die Aktie zog zum Teil um acht Prozent an.
Neben seiner Pressemitteilung veröffentliche Apple auch überarbeitete Entwicklerrichtlinien. Die glänzen mit einer erstaunlich unverblümten Sprache. "Wir brauchen keine weiteren Furzanwendungen", heißt es in dem eigentlich nur an Programmierer gerichteten Dokument, das mittlerweile vom Blog "Engadget" ins offene Netz gestellt wurde. "Wenn es sich anhört, als seien wir Kontrollfreaks, liegt das vielleicht daran, dass wir unseren Nutzern so verpflichtet sind. (...) Wie die meisten von Euch auch."
Trotz der neuen, sanfteren Politik sind aber längst nicht alle Probleme mit dem App Store gelöst. So gibt es noch immer signifikante Unsicherheitsbereiche, in denen Apple eine Anwendung, in der zumeist Monate harter Arbeit stecken, manchmal zurückweisen kann, manchmal aber auch nicht. "Neue Anwendungen bedingen neue Fragen, vielleicht wird gerade Ihre App neue Diskussionen anregen."
In anderen Bereichen gibt sich der Konzern nach wie vor prüder als die Puritaner. Wer "Sex beschreiben" wolle, solle doch besser ein Buch verfassen, dass "nicht von Apple kuratiert" werde. "Wir haben viele Kinder, die viele Anwendungen herunterladen. Die Einstellungen für die Jugendschutzkontrolle funktionierten nur, wenn Eltern sie auch aktivierten. "Viele tun das nicht."
Ähnlich problematisch sind Satire und Kritik. Grundsätzlich sind nämlich "diffamierende, beleidigende oder böswillige Apps" verboten. Professionelle politische Satiriker wolle man damit aber nicht treffen. Doch was, wenn Amateure den beißenden Humor nutzen wollen? Hier spielt sich Apple nach wie vor zur obersten Zensurbehörde auf.
Konsistent ist die nicht: So dürfen iPhone-Nutzer zwar grafisch detaillierte Zombis killen, gleichzeitig aber "keine Spiele, die russisches Roulette enthalten" anbieten. Warum ausgerechnet diesen makabere Zeitvertreib verboten ist, bleibt Apples geheimnis.
Verboten sind auch Programme, die ausführbaren Code aus dem Netz beziehen. Das sieht Apple als Sicherheitsproblem an, weil es diesen nicht kontrollieren kann. Allerdings werden so beispielsweise Emulatoren, die Spiele aus dem Internet nachladen, potenziell illegalisiert - dabei ist seit vielen Monaten beispielsweise ein offizieller "C64"-Klon im App Store, den man mit Zusatzspielen anreichern kann.
Immerhin soll es für umstrittene Fälle künftig eine Art Schiedsinstanz geben, das so genannte "Review Board". Wie unabhängig das ist, wird sich zeigen. Apple warnt die Entwickler aber schon einmal sicherheitshalber, dass "mit dem Problem zur Presse rennen" und "uns schlecht machen" wirklich nie helfe.
Apropos Presse: Die kommt in den neuen Entwicklerrichtlinien so gut wie nicht vor, dabei warten die Verlage seit Wochen auf eine Entscheidung, wie Apple Abo-Angebote umgesetzt haben will. Gute Nachrichten gibt es dagegen für Google: Apple will künftig, möglicherweise auch unter dem Eindruck einer angekündigten Kartellüberprüfung durch die US-Handelsaufsicht, auch wieder große fremde Werbenetze wie das des Internet-Riesen zulassen.
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