piwik no script img

Slowenen drängen nach BerlinMehr als nur Cevapcici

Bisher ist Slowenien in Berlin nicht übermäßig präsent. Das wird sich sehr bald ändern, findet die umtriebige Botschafterin des kleinen Landes, Marta Kos Marko.

Verbreitet ein liberales Klima: Marta Kos Marko, Botschafterin von Slowenien Bild: Slowenische Botschaft

Wenn die staatliche Fluggesellschaft Adria Airways eine neue Flugverbindung zwischen Ljubljana und Berlin einrichtet, dann wird dies abends in den Hauptnachrichten des slowenischen Staatsfernsehens gesendet. Der Bürgermeister von Ljubljana kommt sogar extra angereist und besucht den neuen Regierenden Bürgermeister – aber in Berlin berichtet kein Mensch darüber. Was war noch mal Slowenien?

Nicht wenige Menschen verwechseln den kleinen Ex-Jugostaat zwischen Italien, Kroatien, Österreich und Ungarn mit der Slowakei – oder haben noch gar nicht von Slowenien gehört. Sogar der Mensch, der in einem lindgrünen Plüsch-Drachenkostüm steckt, dem Wappentier Ljubljanas, kann den Namen der slowenischen Hauptstadt nicht richtig aussprechen. Der Mann wird die Gäste zum Fluglinieneinweihungsempfang Ende April begrüßen, zu der die neue slowenische Botschafterin Marta Kos Marko eingeladen hat.

Sie verfolgt ein ehrgeiziges Projekt: Slowenien soll ein Begriff werden in Deutschland, und nicht nur ein Geheimtipp für Eishockeyfans – die ausgezeichnete slowenische Nationalmannschaft hat gerade in Berlin gegen Deutschland verloren –, Laibach-Hörer und Verehrer des Starphilosophen Slavoj Žiźek. Natürlich sollen auch Touristen kommen: „Wenn jeder 2. Berliner einmal nach Slowenien kommt, ist alles gut“ fasst sie die Angelegenheit in einen Scherz, in dem eine statistische Wahrheit steckt: Berlin hat fast doppelt so viele Einwohner wie das kleine Slowenien.

Doch Marta Kos Marko, eine sportlich-drahtige Exnationalmannschaftsschwimmerin, die heute Chanel-Brille und Kostüm trägt, lässt sich von Zahlenvergleichen nicht einschüchtern. In ihrem Büro schwärmt sie von den vielen Gemeinsamkeiten zwischen Berlin und Ljubljana: „Beide Städte sind traditionell links, in beiden Städten gibt es sehr viele junge kreative Menschen – und in beiden Städten gibt es ein liberales Klima für Schwule und Lesben.“

Auf einem Regal sieht man ein Foto von ihr mit Angela Merkel. Sie ist stolz auf ihr Land, das als erstes in Osteuropa die Ehe für Homosexuelle geöffnet hat. Und sie ist auch stolz auf den Bürgermeister von Ljubljana, der eben noch beim Empfang erklärt hat, dass er die erste homosexuelle Ehe höchstpersönlich schließen wolle.

Dem will Marta Kos Marko nicht nachstehen: Auf ihre Initiative hin wird Slowenien in diesem Jahr einen eigenen Wagen auf dem Berliner CSD haben. Bekannte DJs aus Ljubljana werden eingeflogen und sie selbst wird mit ihrem Mann Aaron auf dem Wagen sein. „Wir sind ein kleines Land, aber wir sind weltoffen. Das wollen wir zeigen.“

Teil Zwei der Offensive ist die Errichtung eines eigenen slowenischen Kulturzentrums innerhalb eines Jahres, und zwar „nicht als Gebäude, sondern als Projekt. Wir wollen das Geld nicht in Immobilien stecken, sondern in ein gutes Programm. Slowenien soll erkennbar werden, und es gibt genügend interessante Künstlerpersönlichkeiten und Initiativen, die sich einbringen werden.“ Bislang unterhält Slowenien lediglich eine Künstlerwohnung in der Kastanienallee, in der jährlich bis zu zwölf „Resident Artists“ unterkommen.

Der traditionelle slowenische Kulturverein ist hingegen längst aus Gründen der Überalterung eingeschlafen. Er stammt noch aus Ostberliner Zeiten – die meisten der rund 1.500 offiziellen Slowenen in Berlin kamen in einer Zeit, als es sowohl die DDR als auch Jugoslawien noch gab. „Die meisten von ihnen sind über 65“, sagt Marta Kos Marko. Sie weiß aber auch, dass es längst viele junge, kreative Slowenen der Generation Berghain in Berlin gibt, die hier unterbezahlt ihr Glück suchen, seitdem die Heimat von wirtschaftlichen Schwierigkeiten gebeutelt ist. Die meisten sind jedoch bislang aus Versicherungs- und Statusgründen nicht offiziell gemeldet.

Die Verbindungen zwischen Berlin und Ljubljana wachsen auch auf diesem Weg. Informell, es gibt zum Beispiel die Facebook-Seite „Slowenen in Berlin“, über die nicht nur Wohnraum oder Mitfahrgelegenheiten in die rund 1.000 Kilometer entfernte Heimat vermittelt werden – die Flüge von Adria Airways sind vergleichsweise teuer, die Easy-Jet-Verbindung Berlin–Ljubljana ist schon seit Jahren eingestellt. Seit Ende vergangenen Jahres gibt es auch das Projekt „Periskop“ der in Berlin lebenden slowenischen Schriftstellerin Nataša Kramberger, das für die Vernetzung slowenischer und deutscher Kulturperspektiven eintritt. „Innerhalb dieses Kreises werden auch Bücher in slowenischer Sprache ausgetauscht“, sagt Marta Kos Marko. Ein anderes Literaturprojekt ist gerade sanft entschlafen, ein „deutsch-slowenischer Lesesaal“ in der Universität Regensburg.

In den Süden Deutschlands hatte Slowenien bislang intensivere Bande geknüpft, besonders nach Bayern und Baden-Württemberg, wo die meisten Auslands-Slowenen leben, oft aus der Generation der „Gastarbeiter“. Das soll nun anders werden.

Was es übrigens bislang noch nicht in Berlin gibt, ist ein slowenisches Restaurant. Auslands-Slowenen mit Heimweh müssen daher eines der allmählich aussterbenden „Balkan-Restaurants“ aufsuchen und sich mit Cevapcici begnügen. Slowenische Spezialitäten wie Struklji (süßer oder salziger Strudel), die typischen Buchweizengerichte oder Kraijner Wurst sucht man dort allerdings vergebens. Aber der umtriebigen Botschafterin Marta Kos Marko wird auch in dieser Hinsicht bestimmt noch etwas einfallen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.