Sky-Serie „Helgoland 513“: Reagenzglas Helgoland
Mochten Sie „Sløborn“ und „Lost“? Dann werden sie „Helgoland 513“ hassen. Denn die Serie versagt trotz aller Stilmittel erzählerisch.
Kurz bevor er von der Klippe springt, schaut der alte Mann noch mal zu seinen Bewacher*innen. „Seid nett miteinander“, sagt er, dann nimmt er Anlauf und die Kamera zeigt seinen Lauf über den Rand. In dieser Version von Helgoland ist sein Tod ein Geburtstagsgeschenk.
Die 513 in „Helgoland 513“ ist keine Kilometerangabe, sondern in dieser Sky-Serie das Maximum an Menschen, die die Insel mit ihren Ressourcen versorgen kann. Kontakt mit der Außenwelt will man nicht so recht, denn draußen wüten Pocken. Nun hat der Mann also keine andere Chance, als sich zu opfern, denn gerade wurde seine Enkelin geboren. Ein neues Leben bedeutet hier einen Tod.
„Helgoland 513“,
7 Folgen bei Sky
„Einstehen“ nennt das die Quasi-Diktatorin der Insel. Wäre der Opa nicht freiwillig gesprungen, hätte jemand nach einem Social-Scoring-System ausgewählt und getötet werden müssen. Und das passiert dann auch noch. Helgoland, das ist nicht länger Urlaubsort. Das ist plotgebende Isolation. Genau so setzt man Inseln in Erzählungen richtig ein! Dumm nur, dass sich diese Serie nicht daran hält.
Die Insel hat hier keine Funktion
Bereits in der ersten Folge geht es runter von der Insel. Notwendig ist das, weil der Arzt auf Helgoland in einer Forschungsstation einen Impfstoff entwickeln will. Klar: Jede Insel hat einen Impfstoffarzt und ein Seuchenforschungslabor. Dafür braucht es wertvolle Grippeimpfstoffe zum Mischen und weniger wertvolle überlebende Festländer*innen als Versuchsobjekte.
Das ist traurig, denn Inseln haben in Erzählungen vor allem eine Funktion: Sie sollen das Draußen draußen halten. Bei „Herr der Fliegen“, damit sich die Jugendlichen eigenständig zu Monstern entwickeln können. Bei „Lost“, damit die Erwachsenen sich ihrer Monstervergangenheit stellen. Bei der ZDF-Serie „Sløborn“ – viel besser als „Helgoland 513“ – kämpfen die Charaktere in ihrer Isolation gegeneinander und gegen die rettende wie gottverdammte Insel und überwinden innere Konflikte. Inseln sind Reagenzgläser, in denen wir Gesellschaften in Zeitraffer beobachten können. Und sie lassen Charaktere wachsen.
Wenn sie das nicht schaffen, dann sollten sie doch zumindest bildlich bestechen. Nicht so in „Helgoland“. Die Serie wurde zu großen Teilen gar nicht dort, sondern auf Amrum und Sylt, in Hamburg und Berlin gedreht.
Wenigstens keine zweite Staffel
Statt Nature Porn gibt es: Innenräume. Versammlungshalle, Labor, Wohnzimmer. Das war’s. Die Insel wird bedrückend selten gezeigt. Dabei sind genau das die starken Szenen: Am Strand erschießt die Miliz alle, die auf ihren Flößen der Insel zu nahe kommen. In diesen Momenten funktioniert „Helgoland“, erinnert an ekelhaft reale „Grenzsicherung“.
Doch immer wieder springt die Serie zurück nach Hamburg. Wieso? Wenn die Menschen so einfach von der Insel zum Festland können, wenn die Isolation so irrelevant ist, wieso gibt es dann die 513-Regel? Und wieso spielt die Serie dann auf einer Insel und nicht in einem Bayerischen Dorf umgeben von Wald? Helgoland ist verschenkt, dient nur als faul aufgestellte Kulisse ganz weit im Hintergrund.
Die Serie „Helgoland 513“ ist die letzte deutschsprachige Fiction-Serie, die Sky poduziert. Zu viele Serien haben die Streaming-Dienste in den letzten Jahren hastig zusammengeklöppelt, zu wenig auf die Qualität geachtet – nach Paramount Plus merkt das jetzt auch Sky und hört auf. Aber leider ist „Helgoland“ ein unwürdiger Abschied. Gut ist es aber immerhin, weil es dann wohl keine zweite Staffel geben wird.
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