Skispringer Uhrmanns Rückkehr: Der Fuß hält
Nach einem Bruch kehrt Michael Uhrmann zurück auf die Schanzen. "Ich will nicht jammern", sagt er - und hofft auf die sprungstarken Kollegen Schmitt, Späth & Co.
MÜNCHEN taz Michael Uhrmann hat schon schlimme Stürze erlebt. Als hoffnungsvoller Nachwuchsspringer mit noch nicht einmal 20 Jahren stürzte er zweimal hintereinander so schwer, dass seine Karriere vor dem Aus stand. Er verspürte Angst auf der Schanze. Erst aufmunternde Briefe des damali- gen Bundestrainers Reinhard Heß gaben ihm wieder Vertrauen. Auch der Erfolg stellte sich wieder ein, Uhrmann wurde 2001 Teamweltmeister und ein Jahr später holte er sich mit der Mannschaft Olympiagold. Verglichen mit dem Trauma, das er Ende der Neunzigerjahre erlebt hatte, geht er mit dem jüngsten Sturz vergleichsweise locker um.
"Ich will nicht jammern", sagt er. Dann wird er doch nachdenklich und lässt die Ereignisse der vergangenen Monate noch einmal Revue passieren: Uhrmann reist nach seinem Weltcupsieg in Oberstdorf als aussichtsreicher Medaillenkandidat im Februar zur WM nach Sapporo. Im Training läuft es gut. Bis er bei einer Landung in einen unpräparierten Schneehaufen rast. Er erleidet einen komplizierten Mittelfußbruch, wird in Bayern operiert und muss Schmerzmittel schlucken, während die anderen um Medaillen springen. "Natürlich war es ein großer Schlag, als das bei der WM passiert ist. Aber dann habe ich mich bald auf das konzentriert, was vor mir liegt." Vor ihm lagen eine ausführliche Reha und die lange Ungewissheit, ob es überhaupt noch etwas werden könne mit dem Skispringen. Die Verletzung sei so kompliziert gewesen, dass die Ärzte mit Prognosen zurückhaltend gewesen seien, berichtet Bundestrainer Peter Rohwein.
Deshalb sagt Uhrmann jetzt: "Dass ich wieder zurückkomme, ist wie ein Sieg." Schon zum Weltcupauftakt am kommenden Wochenende im finnischen Kuusamo will sich der Bayer mit der Konkurrenz messen. Aber: "Ich gehe ganz ohne Druck in diese Saison."
Auch Rohwein hütet sich, bestimmte Platzierungen von seinem eben erst genesenen Schützling einzufordern. Dabei hätte das deutsche Skispringen die Uhrmannschen Erfolge so bitter nötig. Die Kritik im Vorwinter war auf die schwachen Springer so lange eingeprasselt, bis Uhrmann Ende Januar in Oberstdorf zum Sieg flog. Weder der seit Jahren vergeblich seine Form suchende Martin Schmitt noch der recht phlegmatische Georg Späth konnten zum Ende des Winters Uhrmanns Ausfall kompensieren. Habe Uhrmann die schwere Verletzung aber erst einmal verdaut, sagt Rohwein, "wird er wieder unsere Galionsfigur werden, da bin ich ganz sicher".
Im Training hat Rohwein hoffnungsvolle Zeichen bemerkt. Der Sturz zum Beispiel "steckt überhaupt nicht mehr im Kopf". Schließlich sei es ja auch kein spektakulärer Sturz gewesen. "Die Verletzung war dramatisch, aber der Sturz war nicht so schlimm, als dass er jetzt im Kopf verankert ist." Am 3. September hatte sich Uhrmann wieder auf eine kleine Schanze gewagt. Bei den ersten Großschanzensprüngen registrierte er erleichtert, "dass der Fuß hält".
Der in seiner bisherigen Amtszeit als Chef der Skispringer arg gebeutelte Rohwein kann sich zumindest ein wenig auf Michael Neumayer freuen. Der hatte sich vor rund einem Jahr das Kreuzband gerissen, war aber mit beachtlichen Leistungen in den Sommerwettkämpfen aufgefallen. "Sensationell" findet Uhrmann dieses Comeback. Rohwein sagt: "Unsere Kernmannschaft ist intakt." Schmitt habe an Stabilität gewonnen, berichtet er. Und der in der vergangenen Saison desolat hüpfende Georg Späth? Der habe umfangreich an seiner Technik gearbeitet, sagt Rohwein. Im Sommer hat er sich intensiv die Riege der deutschen Nachwuchsspringer angeschaut, ein ähnlich hoffnungsvolles Talent wie den im Vorjahr auftrumpfenden Österreicher Gregor Schlierenzauer aber nicht entdeckt. "Wir müssen den jungen Leuten Zeit lassen, wir brauchen sie aber im Hinblick auf Olympia 2010." Deshalb seine Erkenntnis: "Die Österreicher geben nach wie vor den Ton an." Freilich, auch Uhrmann wird an diesen Machtverhältnissen so schnell nichts ändern können.
Dass er das Frühjahr- und Sommertraining ausfallen lassen musste, schürt keine allzu großen Erwartungen für die beiden Springen auf der windanfälligen Schanze von Kuusamo. Doch er erklärt mit Entschlossenheit: "Jetzt bin ich zunächst froh, dass ich überhaupt wieder springen kann. Aber irgendwann werde ich wieder oben stehen - und dann ist es gleich noch schöner."
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