Skandale bei der Lachszucht: Verendeter Fisch als Premium-Lachs
Lachszucht ist eine Goldgrube, vor allem, je weniger Rücksicht auf das Tierwohl genommen wird. Doch die Branche verliert nun KundInnen
taz |
In den Zuchtanlagen der norwegischen Konzerne Mowi und Salmar waren in den vergangenen Wochen rund eine Million Zuchtlachse von der Lachslaus befallen worden. Einem acht bis zwölf Millimeter langen Parasit, der von Haut und Blut der Lachse lebt. In den Aufzuchtkäfigen, in denen die Tiere zusammengepfercht vegetieren, verbreitet sich der Parasit schnell und frisst die Lachse praktisch bei lebendigem Leib auf.
Im westisländischen Tálknafjörður seien bei Stichproben in den Käfigen des zu Mowi, dem weltweit größten Lachsproduzenten, gehörenden Unternehmens Arctic Fisk durchschnittlich 96 Lachsläuse pro Tier und in denen von Arnarlax, das zur norwegischen Salmar gehört, 62,5 gezählt worden, konnte das investigative Magazin Heimildin am Freitag vorletzter Woche berichten.
Die Lachsläuse sind mutiert
„Schlimmer kann es eigentlich nicht werden“, erklärte Berglind Helga Bergsdóttir, Fischspezialistin der isländischen Lebensmittel- und Veterinärbehörde MAST: Man sei überrascht worden, wie schnell die Lachslaus sich ausgebreitet habe. Nach der Behandlung mit einem Bekämpfungsmittel habe sich der Befall sogar noch erhöht. Womöglich sei es zu einer Mutation gekommen.
Ursprünglich war man in Island davon ausgegangen, dass dieser Parasit im kalten Wasser der dortigen Fjorde kein Problem werden würde. Die Genehmigungsbehörde hatte deshalb auch keine speziellen Vorschriften erlassen, welche Maßnahmen in einem solchen Fall ergriffen werden sollten. Islands nationaler Rechnungshof hatte jedoch Anfang des Jahres die mangelnde Regulierung und die fehlende Kontrolle bei der Lachszucht moniert.
Der Umsatz der isländischen Aquakulturbranche ist gleichzeitig in den letzten zehn Jahren um rund das Vierzigfache gewachsen. Die aktuelle Produktion liegt bei jährlich etwa 50.000 Tonnen, Lizenzen für eine Produktion von fast 100.000 Tonnen sind bereits erteilt worden.
Im Vergleich zu Norwegen, wo im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Tonnen produziert wurden, ist das zwar relativ wenig, aber für die norwegischen Firmen, die sich auf der Nordatlantikinsel engagiert und sich dort Tochtergesellschaften zugelegt haben, ist die Vermarktung unter dem Label „Lachs aus Island“ offenbar attraktiv – oder war es bislang zumindest.
In Norwegen stirbt jeder vierte Lachs vor der Schlachtung
Zuchtlachs aus Norwegen hat nämlich angesichts immer neuer Horrormeldungen über die Behandlung der Tiere schon seit längerer Zeit bei einer wachsenden Zahl von VerbraucherInnen keinen guten Ruf mehr. Das Tierwohl wird so missachtet, dass als Folge laut offiziellen Zahlen im Schnitt der letzten fünf Jahre jeder sechste – in manchen Anlagen jeder vierte – Lachs schon vor der Schlachtung verendete. 2022 waren das 58 Millionen und rechnet man die Brutstationen dazu, 92,3 Millionen Lachse.
Erst in der vergangenen Woche meldete das norwegische Fernsehen NRK unter Berufung auf interne „Mattilsynet“-Papiere, dass mehrere Zehntausend Kilo verendetes Lachsfleisch einer anderen Anlage tatsächlich als „Premium-Lachs“ exportiert wurden. Die staatliche norwegische Verbraucherorganisation Forbrukerrådet fordert jetzt eine Art Gesundheitszeugnis.
Doch die Branchenorganisation Sjømat Norge argumentiert, dass entsprechende Informationen ohne Bedeutung für KonsumentInnen seien, da der Verzehr dieser Ware ja keine Ansteckungsgefahr für Menschen mit sich bringe.
Manche Restaurants in Island und Norwegen hätten norwegischen Zuchtlachs ganz von der Speisekarte genommen, meldete High North News und meint: Wenn die Branche sich damit verteidigen müsse, dass das Essen von kranken Tieren nicht gesundheitsschädlich sei, wäre dies ein Armutszeugnis.
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